Radrennbahn Düsseldorf-Lörick

Düsseldorfer Rad-Motor-Rennbahn, Oberkasseler Radrennbahn

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege, Landeskunde
Gemeinde(n): Düsseldorf
Kreis(e): Düsseldorf
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 51° 14′ 30,74″ N: 6° 43′ 55,45″ O 51,24187°N: 6,73207°O
Koordinate UTM 32.341.698,02 m: 5.679.166,20 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.551.165,08 m: 5.678.809,49 m
  • Historische Postkarte "Gruß aus Düsseldorf" (um 1907-1914) mit der Radrennbahn Düsseldorf im 1909 eingemeindeten Stadtteil Lörick.

    Historische Postkarte "Gruß aus Düsseldorf" (um 1907-1914) mit der Radrennbahn Düsseldorf im 1909 eingemeindeten Stadtteil Lörick.

    Copyright-Hinweis:
    gemeinfrei / www.bilderbuch-duesseldorf.de
    Medientyp:
    Bild
    Anklicken öffnet eine größere Vorschau in Galerieansicht
  • Typische Szene aus einem Radrennen zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Der Steher-Rennfahrer Peter Günther hinter seinem Schrittmacher Heinrich Otto (vor 1914).

    Typische Szene aus einem Radrennen zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Der Steher-Rennfahrer Peter Günther hinter seinem Schrittmacher Heinrich Otto (vor 1914).

    Copyright-Hinweis:
    gemeinfrei
    Fotograf/Urheber:
    unbekannt
    Medientyp:
    Bild
    Anklicken öffnet eine größere Vorschau in Galerieansicht
Die 1907 eröffnete und 1937 abgerissene Betonbahn befand sich im Rheinbogen zwischen Meerbusch und Düsseldorf und war eine von seinerzeit mehreren Düsseldorfer Radrennbahnen.
Der „Führer“ Adolf Hitler wurde hier 1932 anlässlich einer Wahlkampfveranstaltung mit Pferdeäpfeln, faulem Obst und Gemüse beworfen.

Radsport in Düsseldorf
Die Radrennbahn in Lörick
Todesfälle auf der Radrennbahn Düsseldorf
Das Ende der Rennbahn und die heutige Situation
Lage und Objektgeometrie
Internet, Literatur

Radsport in Düsseldorf
Neben dem Boxen war der Radsport um die Wende zum 20. Jahrhundert die vielleicht bedeutendste und beliebteste Sportart überhaupt.
Meldete der „Düsseldorfer Anzeiger“ am 13. April 1869 noch deulich erstaunt, dass am Vortag „in einem hiesigen Gasthofe ein Passagier auf einem Velociped [eingetroffen war], der den Weg von Barmen hierhin auf der neuen Fahrmaschine in 1,5 Stunden zurückgelegt hatte, also in derselben Zeit, in welcher die Eisenbahn denselben Weg zurücklegt“ (zitiert nach Ulrich Brzosa, in RP-online 2017), so gründeten sich nur wenige Jahre später auch in Düsseldorf die ersten Radsportvereine und das Fahrrad wurde zu einem etablierten Sport- und Freizeitgerät.
In der zunehmend radsportbegeisterten Stadt entwickelte sich um 1900 über zahlreiche Veranstaltungen eine für die damaligen Verhältnisse glamouröse Radsportszene mit internationalen Stars:
„Radfahren avancierte in der Stadt zum Sport Nummer eins. Regelmäßig berichteten die Düsseldorfer Zeitungen über die Großveranstaltungen, die draufgängerischen Bahnradfahrer, neue Entwicklungen, Rennergebnisse und Hintergründe.“ (ebd.)

In Düsseldorf sollen zeitweise mindestens fünf Radrennbahnen bestanden haben, die teils jedoch nur kurzlebig waren und von denen heute keine mehr besteht, darunter (nach de.wikipedia.org)

  • seit 1892 eine 400 Meter lange Aschenbahn am 1943/44 zerstörten Zoo (im Stadtteil Düsseltal),
  • eine Bahn im heutigen Bereich des 1930 eröffneten Paul-Janes-Stadions am Flinger Broich (Stadtteil Flingern),
  • eine in Rekordzeit erbaute und am Ostersonntag 1924 eröffnete am Grafenberger Ostpark, sowie
  • eine Radrennbahn im 1925/26 eröffneten und ab 1968 überbauten ersten Rheinstadion in Stockum.
nach oben

Die Radrennbahn in Lörick
Am 19. Mai 1907, dem Pfingstsonntag, wurde die für Baukosten von 155.000 Mark errichtete „Düsseldorfer Rad-Motor-Rennbahn“ mit einem großen Eröffnungsrennen als „wohl schönste Radrennbahn in ganz Deutschland“ eröffnet – so das Düsseldorfer Volksblatt vom 15. Mai (Zitate nach RP-online.de 2017). Die 9 Meter breite Rennbahn mit Betonbelag war 400 Meter lang und in den für die hohen Geschwindigkeiten von „bis zu 110 Kilometer pro Stunde“ notwendigen Steilkurven um 43 Grad erhöht.
Die Anlage bot auf den um die Strecke herum angelegten Tribünen Platz für etwa 12.000 stehende Zuschauer, weitere 2.000 konnten die Rennen auf einer „schattigen Tribüne“ auf Sitzplätzen verfolgen. „In großer Zahl recht zweckmäßig unter der Tribüne“ waren die Fahrerkabinen untergebracht, während sich im Innenfeld der Bahn, das auch „für Fußwettspiele“ geeignet war, ein Musikpavillon befand.

Im Bahnradsport fanden auf der Löricker Rennbahn regelmäßig nationale und internationale Meisterschaften als ‚Große Preise‘ statt. Neben den Flieger- bzw. Sprinterwettbewerben waren auch hier die heute fast in Vergessenheit geratenen Steher-Rennen sehr populär, bei denen der Radrennfahrer (der Steher) im Windschatten eines Motorrads (dem Schrittmacher) fährt und Dauergeschwindigkeiten von rund 65 km/h und Spitzen von 100 km/h erreicht werden können.

Alleine im Jahr 1908 wurden neun Radrenntage auf der Bahn veranstaltet und am 17. Mai 1908 zeitgleich zu den Olympischen Spielen in London die ‚Großen Olympischen Spiele von Düsseldorf‘ veranstaltet – Wettkämpfe der Leicht- und Schwerathletik mit „Gewichtheben, Steinstoßen, Fußballweitstoß, Laufwettbewerben, Diskuswerfen, 50 Kilometer Wettmarsch, Stafettenlauf, Tauziehen, Fußballspielen und Radrennen.“ Die regelmäßig auf der Radrennbahn ausgetragenen Turnsportfeste und Pferderennen avancierten zu traditionellen Sport-Großereignissen in Düsseldorf.

Nachdem der Betrieb der Sportanlage während des Ersten Weltkriegs eingestellt wurde, erfolgte am 6. Oktober 1918 die Wiedereröffnung mit einem tragisch verlaufenen Rennen (vgl. nachfolgend).
Die hier 1924 ausgetragene ‚Fliegermeisterschaft vom Rhein‘ gewann der Münsteraner Spitzen-Radsprinter Clemens Schürmann (1888-1957), der nach seiner Sportkarriere zu einem der renommiertesten Radrennbahn-Architekten wurde.
Wie bei anderen Sportstätten ebenfalls üblich, so wurde auch die Löricker Radrennbahn gerne für politische Großveranstaltungen genutzt: Im Vorfeld der Reichstagswahlen vom 31. Juli hielt Adolf Hitler hier am 8. April 1932 vor 20.000 Zuschauern eine Rede. Allerdings begegnete man dem Parteichef der NSDAP im vorwiegend von KPD- und SPD-Wählern geprägten „roten“ Arbeiterviertel Lörick eher unfreundlich und der „Führer“ Hitler wurde auf dem Weg zur Veranstaltung von einer großen Menschenmenge mit „Beschimpfungen, Eiern, Pferdeäpfeln, faulem Obst und Gemüse“ empfangen (de.wikipedia.org).

Das Oberkasseler Velodrom wurde bereits 1914 und dann erneut ab den 1920er- bis Anfang der 1930er-Jahre auch für reine Motorradrennen genutzt (Semmeling 2009, S. 127).
nach oben

Todesfälle auf der Radrennbahn Düsseldorf
Nicht nur hinsichtlich der ungemeinen Popularität des Bahnradsports, die aus heutiger Sicht nur mit Sportarten wie Fußball oder dem Formel-1-Motorsport zu vergleichen ist, sondern auch mit Blick auf die stets beträchtliche Lebensgefahr für die damaligen Sportler, soll hier auch an die drei auf der Düsseldorfer Bahn um ihr Leben gekommenen Rennfahrer erinnert werden (nach www.procyclingstats.com, www.radsportseiten.net und de.wikipedia.org):

  • Der Schrittmacher Josef Schwarzer (1881-1908), der nur vier Wochen zuvor zusammen mit dem Schweizer Fritz Ryser (1873-1916) in Berlin den Titel des Steher-Weltmeisters errungen hatte, starb infolge eines Sturzes am 30. August 1908.
  • Der junge Kölner Bahnradfahrer Jacob Esser (1893-1917) starb hier nach einem Sturz am 8. Juli 1917.
  • Der Bahnradfahrer Peter Günther (1882-1918), deutscher Steher-Meister von 1905, 1911 und 1912, (inoffizieller) Weltmeister 1911 und Europameister 1914, stürzte im ersten Rennen nach der Wiederaufnahme des Betriebes der Düsseldorfer Bahn am 6. Oktober 1918 und verstarb einen Tag später.

Peter Günther war zu Beginn seiner Karriere mit dem bereits in jungen Jahren bei einem Rennunfall tödlich verunglückten Kölner Rennfahrer Willy Schmitter (1884-1905) befreundet, nachdem die Radrennbahn in Köln-Mülheim benannt wurde. Die anfängliche Freundschaft der beiden wich jedoch rasch einer offenbar nicht nur sportlichen Rivalität, die sich auch auf ihre jeweiligen Anhänger auswirkte, die sich in eine Schmitter- und eine Günther-Partei teilten.
Nach dem Tod Günthers schrieb die Fachzeitschrift ‚Rad-Welt‘ im Pathos der Zeit „der Altmeister der rheinischen Dauerfahrer [ist] seinem Landsmanne Schmitter in jenes Reich gefolgt, aus dem kein Sterblicher wiederkehrt“.
Die Radsporthistorikerin Renate Franz berichtet von dem Andrang an seinem Grab auf dem Kölner Südfriedhof, dass dieser so groß war, „dass viele Menschen zu Fuß zurück in die Innenstadt zurückkehren mussten, obwohl zusätzliche Straßenbahnen eingesetzt worden waren. Die Feierlichkeiten schlossen mit einem Requiem in der Kirche St. Aposteln, auch zu Ehren von Schmitter.“ (rheinische-geschichte.lvr.de)
Am Radstadion in Müngersdorf erinnert der ‚Peter-Günther-Weg‘ an ihn und in seinem Geburtsort, dem rheinland-pfälzischen Betzdorf an der Sieg, die ‚Peter-Günther-Straße‘. Ferner trug der Radsportverein RRC Günther 1921 e.V. aus Köln-Longerich (2018 im Cologne Cycling Club aufgegangen) lange Zeit seinen Namen und der RSC 1984 e.V. Peter Günther Betzdorf tut dies bis heute.
nach oben

Das Ende der Rennbahn und die heutige Situation
Nachdem die Betreibergesellschaft der Bahn, die Düsseldorfer Sport und Radrennbahn GmbH, bereits Mitte der 1930er Konkurs angemeldet hatte, wurden die Radrennbahn und die Tribünen zum 17. Februar 1937 abgebrochen (www.duesseldorf.de). Im Anschluß daran verwilderte das Gelände, das in den 1950ern zeitweise noch von den Sportfreunden Lörick als Trainingsplatz genutzt wurde. In den 1980ern wurde das gesamte Areal schließlich mit Wohnhäusern überbaut.
Am Fußweg zwischen ‚Wickrather Straße‘ und ‚Am Kirschbaumwäldchen‘ waren 2017 noch die Reste des Fundaments der ehemaligen Nordkurve als Erdwall zu erkennen (de.wikipedia.org).

Lage und Objektgeometrie
Die Radrennbahn befand sich zwischen dem Herdter Feld und dem Niederkasseler Feld im linksrheinischen Bogen des Flusses zwischen Meerbusch und Düsseldorf. Wohl auch aufgrund ihrer häufen Benennung als „Oberkasseler Radrennbahn“ wurde (und wird) die Sportstätte vereinzelt in Oberkassel lokalisiert, sie lag allerdings auf dem Gebiet von Lörick (am heutigen ‚Niederkasseler Lohweg‘).
Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts wurde noch zwischen Nieder- und Oberlörick unterschieden, bevor 1909 gegen teils heftigen Widerstand der Bewohner die Eingemeindung der Oberlöricker Gemeindeteile nach Düsseldorf erfolgte. Nur kurz danach benannte man die zur Rennbahn führende ‚Stahlstraße‘ in ‚Sportstraße‘ um, diese führt auch heute noch von Süden her in Richtung des ehemaligen Areals der Bahn.
Das frühere Niederlörick gehört heute zum Meerbuscher Stadtteil Büderich.
Die hiesige Objektgeometrie folgt dem auf das Jahr 1927 datierten Luftbild im Geoportal der Stadt Düsseldorf; auch die dortige Aufnahme von 1958 lässt die frühere Sportanlage noch gut erkennen (www.duesseldorf.de). In gleicher Ausdehnung findet sich die Sportstätte als „Rennbahn“ auf den topographischen Karten TK 1936-1945 verzeichnet; nach Osten hin sind dort noch ein benachbarter „Sportpl.“ und ein „Schießpl.“ eingezeichnet. Die teils noch in die Bauzeit der Rennbahn datierten Blätter der Preußischen Neuaufnahme (1891-1912) zeigen das Areal hingegen noch gänzlich unbebaut (vgl. Kartenansichten).

(Franz-Josef Knöchel, Digitales Kulturerbe LVR, 2019/2020)

Internet
rc-duesseldorpia.de: Radclub RC Düsseldorpia 1890 e.V., Vereinsgeschichte von Klaus Dieter Schmidt, Stand 2000 (abgerufen 31.10.2019)
www.duesseldorf.de: Stadtchronik 1937 (abgerufen 31.10.2019)
www.duesseldorf.de: Geoportal Düsseldorf (abgerufen 09.02.2023)
de.wikipedia.org: Radrennbahn Düsseldorf (abgerufen 31.10.2019)
de.wikipedia.org: Liste von tödlich verunglückten Radrennfahrern (abgerufen 31.10.2019)
rp-online.de: Düsseldorfer Geschichten, Als Düsseldorf eine Hochburg der Radler war (Autor Ulrich Brzosa, RP-online vom 28.01.2017, abgerufen 31.10.2019)
rp-online.de: Bilder aus der Frühzeit des Düsseldorfer Radsports (abgerufen 31.10.2019)
www.rheinische-geschichte.lvr.de: Peter Günther, Radrennfahrer (1882-1918) (Autorin Renate Franz, abgerufen 31.10.2019)
radsportgalerie.schuermann-muenster.de: Clemens Schürmann (1888-1957) (abgerufen 31.10.2019)
radsportgalerie.schuermann-muenster.de: Portrait Clemens Schürmann (1888-1957) (abgerufen 31.10.2019)
www.velodromes.com: Clemens Schuermann (1888-1957), Professional Cyclist and Architect (abgerufen 31.10.2019)
www.procyclingstats.com (abgerufen 31.10.2019)
www.radsportseiten.net (abgerufen 31.10.2019)
nach oben

Literatur

Groten, Manfred; Johanek, Peter; Reininghaus, Wilfried; Wensky, Margret / Landschaftsverband Rheinland; Landschaftsverband Westfalen-Lippe (Hrsg.) (2006)
Handbuch der Historischen Stätten Nordrhein-Westfalen. (HbHistSt NRW, Kröners Taschenausgabe, Band 273.) Stuttgart (3. völlig neu bearbeitete Auflage).
Semmeling, Rob (2009)
Rennen! Races! Vitesse! Racing Circuits Netherlands, Belgium, Germany, Austria, Luxembourg, Switzerland. o. O. Online verfügbar: www.wegcircuits.nl, abgerufen am 18.06.2020

Radrennbahn Düsseldorf-Lörick

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Niederkasseler Lohweg / Walter-Hensel-Straße / Sportstraße
Ort
40547 Düsseldorf - Lörick
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege, Landeskunde
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Literaturauswertung, Auswertung historischer Karten
Historischer Zeitraum
Beginn 1907, Ende 1937

Empfohlene Zitierweise

Urheberrechtlicher Hinweis
Der hier präsentierte Inhalt steht unter der freien Lizenz CC BY 4.0 (Namensnennung). Die angezeigten Medien unterliegen möglicherweise zusätzlichen urheberrechtlichen Bedingungen, die an diesen ausgewiesen sind.
Empfohlene Zitierweise
„Radrennbahn Düsseldorf-Lörick”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-299094 (Abgerufen: 25. April 2024)
Seitenanfang