Zwischen Eisenberg und Hettenleidelheim liegt das ehemalige Abbaugebiet „Erdekaut“. Über Jahrhunderte hinweg wurden an diesem Ort systematisch Klebsand und Tonerden abgebaut. Die Rohstoffe wurden sowohl im Tage-, als auch im Untertagebau gewonnen und fanden Verwendung in der regionalen Eisenverhüttung, beispielsweise im Eisenwerk Gienanth. Im Jahr 2008 wurde ein mehr als zehn Hektar großes Teilgebiet als Erlebnislandschaft der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Namensgebung Der Begriff „Erdekaut“ stammt aus einer Zeit, in der die verschiedenen Tonarten noch „Erden“ genannt wurden. Im 18. Jahrhundert bezeichnete man die halbfetten „Töpfertone“ als „Häfnererden“. Bei den Tonen aus der Region Eisenberg und Hettenleidelheim handelt es sich jedoch nicht um reine Töpfertone. Um für die Keramikherstellung geeignet zu sein, werden sie mit Tonen aus dem Westerwald, dem Kannenbäckerland gemischt. Die Tone wurden bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit Spaten abgebaut und mit Eimern und Weidenkörben transportiert. Zur damaligen Zeit reichte es im Raum Hettenleidelheim, die oberste Schicht Erde abzutragen, um an die Tonschichten zu kommen. Im ganzen Gebiet entstanden Bodenvertiefungen und Löcher (sogenannte Pingen). Diese Gruben wurden im allgemeinen Sprachgebrauch als „Kauten“ bezeichnet. Die Arbeiter, die den Ton abbauten, wurden im 18. Jahrhundert „Erdegräber“ genannt. Aus diesen Begriffen bildete sich das zusammengesetzte Wort Erdekaut. Im Pfälzischen Wörterbuch wird auf „Ton-erde“ verwiesen. „Dozumals henn mer beisamme in de Eʳdekaut g'schafft“ (woerterbuchnetz.de).
Geschichte nach dem Abbau Die gewachsene Landschaft der „Erdekaut“ ist durch die frühere Nutzung als Abbauort von Tonerden und Klebsand geprägt. Im Jahr 1951 existierten in der Erdekaut etwa 30 Tongruben, die letzte Grube in diesem Gebiet wurde im Jahr 1996 stillgelegt. Nach Ende des Abbaus eroberte sich die Natur die Fläche zurück und es entstand eine einmalige Naturlandschaft. Pionierbaumarten wie Birken, Kiefern und Robinien besiedelten das Gebiet. Weitere Arten wie Ginster, Brombeeren, Königskerzen folgten. Als Bergbaufolgelandschaft war die Fläche sehr artenreich und bot einen Lebensraum für besondere Tier- und Pflanzenarten. Insgesamt sind im Landschaftsschutzgebiet Erdekaut etwa 40 bis 60 Prozent der in Rheinland-Pfalz vorkommenden Pflanzen beheimatet. Das Potenzial der Bergbaufolgelandschaft wurde erkannt und als zu wertvoll befunden, um es der zunehmenden Verwilderung zu überlassen.
Im Jahr 2003 wurde zwischen den Kommunen Eisenberg und Hettenleidelheim der „Zweckverband Erdekaut“ gegründet. Ein Teil der lange sich selbst überlassenen Landschaft, sollte als Erlebnislandschaft zugänglich gemacht werden. Mit finanziellen Mitteln des Landes und der beiden Gemeinden Eisenberg und Hettenleidelheim wurde dies ermöglicht. Für die Entstehung neuer Kleinbiotope musste zunächst ein Teil der dicht wuchernden Vegetation entfernt werden. Im Jahr 2008 konnten mehr als zehn Hektar der Erdekaut, die insgesamt ca. 61 Hektar umfasst, als Erlebnislandschaft eröffnet werden.
Heute erinnert nur noch wenig an die ehemalige Bergbaunutzung der Erdekaut. Eine Ausnahme ist der Förderturm der ehemaligen Grube Riegelstein. Sie war in den Jahren von 1920 bis 1996 in Betrieb. Der Förderturm der Grube wurde von der Stadt Eisenberg erworben und in ein Bergbaumuseum umgewandelt. Zudem dient das Industriedenkmal als Ausgangspunkt für Gästeführungen und als Informationszentrum. Durch die Renaturierung des Gebietes entstand ein bedeutendes Landschaftsschutzgebiet. Neben einer Vielfalt an Flora und Fauna bietet das Gebiet beispielsweise der Gelbbauchunke, einer vom Aussterben bedrohten Tierart, einen Lebensraum. Das einst karge Abbaugebiet ist heute teils wieder dicht bewachsen. Die ehemaligen Klebsand- und Tongruben haben sich mit der Zeit in kleine und große Weiher verwandelt. Weitere kleine Gewässer bildeten sich durch das Absacken der Unterirdischen Tonstollen.
Erschlossen ist das Gebiet durch drei Rundwanderwege mit Aussichtspunkten. Entlang der Wege sind Informationstafeln aufgestellt, die die wichtigsten Aspekte der Landschaft erörtern. Für Kinder wurde unter anderem der größte Sandkasten der Pfalz errichtet.
Pflege und Erhaltung Um die Erhaltung des jetzigen Zustands zu gewährleisten, werden immer wieder Renovierungs- und Pflegemaßnahmen im Naturschutzgebiet Erdekaut vorgenommen. So wurde beispielsweise im Jahr 2015 durch einen Pflegeeinsatz vom NABU Eisenberg/Leiningerland das Insektenhotel „Summsehaus“ renoviert. Um ein erneutes Zuwuchern der Landschaft zu verhindern wurden Ziegen und Rinder in einem Gehege auf dem Gelände angesiedelt. Mittlerweile sind die Rinder ausgezogen, so dass sich die Ziegen alleine darum kümmern.
(Andrea Melzer, ZukunftsRegion Westpfalz, 2017)
Topografie zur Zeit des Tonabbaus Zur Zeit des Ton- und Klebsandabbaus war die Erdekaut durch viele Fördertürme und Grubenhütten geprägt. Ein Schmalspurschienennetz durchzog das Gelände. Auf den Schienen transportierten Grubenbahnen (Feldbahnen) mit Loren den Rohstoff von den Gruben zu den Lagern und Laderampen. Mit dem Aufkommen der Lastkraftwagen gegen Mitte des 20. Jahrhunderts wurde die Grubenbahnen abgelöst. Abgebaut wurde in der Erdekaut neben Klebsand blauer, grauer, grüner, gelber und roter Ton. Während Klebsand in der Erdekaut nur im Tagebau abgebaut wurde, wurden Tone nur unter Tage gewonnen.
Geschichte der Rohstoffgewinnung Vermutlich war die Erdekaut bereits ab der Römerzeit und das ganze Mittelalter hindurch ein Abbaugebiet. Johann Philipp Reichsgraf von Walderdorff, Bischof von Worms (1689-1763), gestattete nachweislich den Ton-Abbau in diesem Gebiet im Jahr 1767.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden sogenannte Pingen. Das waren zwei bis drei Meter tiefe keil-, graben- oder trichterförmige Vertiefungen. Während des 19. Jahrhunderts arbeiteten mehr als 800 Arbeiter in über 30 Gruben in der Erdekaut. Die Bergleute kamen aus Eisenberg, Hettenleidelheim, Wattenheim, Tiefenthal und Kerzenheim.
Die ersten industriell genutzten Gruben entstanden im Jahr 1900. Die gewonnenen Tone und Klebsande aus der Erdekaut wurden in der Ziegel-, Schamotte- und Eisenverhüttungsindustrie verwendet. So fand der Rohstoff bis zur Hälfte des 20. Jahrhunderts auch in den nahegelegenen Gienanth-Werken Verwendung. Dort diente der Rohstoff vornehmlich dem Ausbau von Hochöfen und im Formenbau. Tone und Klebsand wurden auch international gehandelt. Hauptabnehmer waren Frankreich, die Niederlande und Belgien.
Klebsand-Abbau über Tage Im Laufe der Jahrhunderte machte die Gewinnung der Rohstoffe Ton und Klebsand eine technische Entwicklung durch. Über Jahrhunderte hinweg fand der Abbau in Form von Handarbeit statt. Um die Klebsandschichten zu erreichen, mussten in der Erdekaut bis zu zehn Meter hohe Lehmschichten abgetragen werden. Genutzt wurden für die Arbeit Äxte, Spaten und Hacken mit schlanken Tonkeilen. Diese Abbaumethode war harte körperliche Arbeit. Ab dem Jahr 1910 wurde im Klebsandabbau ein Löffelbagger eingesetzt. Das Aussortieren größerer Steine blieb jedoch weiter mühevolle Handarbeit. Doch bereits ein Jahr später übernahm ein Eimerkettenbagger mit Siebwerk diese Tätigkeit. Auch für das Abtragen der Lehmschicht wurde ein Eimerkettenbagger eingesetzt. Für die Erschließung neuer Rohstofflager kam Sprengstoff zum Einsatz, in der Grube Lausen bis zum Jahr 1963. Abgelöst wurde dieses Verfahren durch den Druckluftspatenhammer. Er war gegenüber dem Sprengstoff günstiger und ungefährlicher.
Ton-Abbau unter Tage Beim Ton-Abbau wurden in der Erdekaut immer mehr Schächte und Stollen mit Querschlägen und Richtstrecken gegraben. Richtstrecken sind Stollen, die den Förderschacht mit den Querschlägen verbinden. Ein Querschlag ist ein Grubenbau, der Untertage punktuell in ein Rohstoffvorkommen hineingegraben wird. Um die unterirdischen Gänge zu stützen, wurde Kiefernholz genutzt. Hauptstrecken wurden mit Betonformsteinen ausgemauert, während Streckenabzweigungen und Kreuze in Beton oder Stahl gesetzt wurden. Im Abbau der Tonerden unter Tage spielt die Entwicklung der Beleuchtungstechnik eine wichtige Rolle. Die vermutlich erste Methode, um in der Grube Licht zu schaffen, war der Kienspan. Dieser bestand aus einem Stück harzreichem Kiefernholz das angezündet wurde. Ab Ende des 19. Jahrhunderts wurden sogenannte Carbitlampen zum Ausleuchten der Schächte und Stollen genutzt. Bei Carbitlampen handelt es sich um Gaslampen mit einer bläulichen Flamme. Betrieben wurden diese Lampen mit Calziumcarbid. In Verbindung mit Wasser reagiert das Calziumcarbid zu Acethylengas. Eine weitere Möglichkeit der Beleuchtung war die Öllampe (der sogenannte Frosch). In dieser wurde Tierfett (Talglicht), Pflanzenöl oder später Petroleum und Benzin über einen Docht verbrannt. Sicherer wurde der Abbau mit den ersten Akkulampen mit Glühbirnen ab dem 20. Jahrhundert. Wobei die ersten Lampen dieses Typs noch mit Blei-Akkus versorgt wurden. Daher wiesen diese Lampen ein hohes Gewicht auf.
Verwendung des Rohstoffs Aufgrund eines Tonanteils von ca. 12 % besitzt der regionale Klebsand eine hohe Feuerfestigkeit von bis zu 1500 Grad Celsius. Wegen dieser Beschaffenheit wurden Ton und Klebsand zum Bau von Schmelzöfen genutzt. Bereits die Römer fertigten sogenannte Rennöfen, um Eisenerze zu schmelzen. Zur Zeit der Industrialisierung wurden in der Schamottindustrie Hochöfen aus dem heimischen Material produziert. Darüber hinaus diente der Rohstoff als Bestandteil in der Glas- und Porzellanherstellung (Heinz 2019). In der Glasherstellung wurden Tonerden aus der Erdekaut genutzt, um die Behälter zum Schmelzen des Glases anzufertigen.
(Katharina Laux, Lea Amira Assenmacher, Lisa-Marie Lösch, Universität Koblenz-Landau, 2020)
Internet www.vg-eisenberg.de: Gästeführungen in der Erlebnislandschaft Erdekaut (abgerufen 26.01.2021) www.vg-eisenberg.de: Erlebnislandschaft Erdekaut (abgerufen 25.01.2021) www.donnersberg-touristik.de: Ökopark Erdekaut (abgerufen 26.01.2021) www.nabu-eisenberg-leiningerland.de/biotoppflege/erdekaut/: Ehemaliger Abraumhügel und die Tausendgüldenkraut-Wiese im Landschaftsschutzgebiet Erdekaut (abgerufen 17.10.2017) www.gerald-friederici.de: Kurze Bergbau-Wanderung bei Eisenberg (Hettenleidelheim) (Volltext, G. Friederici, 2010, PDF-Datei, abgerufen 26.01.2021) www.woerterbuchnetz.de: „Erd(en)-kaute, f.“, Pfälzisches Wörterbuch, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 3.0 (abgerufen 29.01.2021)
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