Industrie- und Wirtschaftsgeschichte der Stadt Eisenberg (Pfalz)

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Fachsicht(en): Landeskunde
  • Luftbildaufnahme der Stadt Eisenberg mit verschiedenen Industriegebäuden der Schamotte-Industrie (um 1920)

    Luftbildaufnahme der Stadt Eisenberg mit verschiedenen Industriegebäuden der Schamotte-Industrie (um 1920)

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  • Plan mit eingezeichneten Gruben auf dem Gebiet der Stadt Eisenberg (Pfalz) (o.J.)

    Plan mit eingezeichneten Gruben auf dem Gebiet der Stadt Eisenberg (Pfalz) (o.J.)

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Die Stadt Eisenberg (Pfalz) ist mit rund 9.500 Einwohnern die größte Stadt im Donnersbergkreis. Mit den Ortsteilen Steinborn und Stauf umfasst sie eine Fläche von 18,7 Quadratkilometern und liegt am Rande des Naturparks und Biosphärenreservates Pfälzerwald. Viele Sehenswürdigkeiten zeugen noch heute von der weit zurückreichenden Geschichte bis in die vorrömische Epoche. Heute ist die Stadt Eisenberg auch durch die verkehrsgünstige Lage zwischen der A 6 und A 63 ein wichtiger Wirtschaftsstandort.

Die lange Industrie- und Wirtschaftsgeschichte bis in die Kelten- und Römerzeit hat die Stadt Eisenberg nachhaltig und entscheidend geprägt. Schon lange nutzen die Menschen die Bodenschätze wie Ton- und Klebsandvorkommen und Erze zur Eisenverhüttung. Aber auch die großflächigen Wälder spielten zur Herstellung von Holzkohle um Eisen zu verarbeiten eine wichtige Rolle. So entstand auf dem ehemaligen von Gruben durchzogenen Gelände zwischen Eisenberg und Hettenleidelheim, wo über Jahrhunderte hinweg systematisch Klebsand und Tonerden abgebaut wurde, die Naturerlebnislandschaft Erdekaut. Aber auch der Römische Vicus zeugt von Spuren der langen Industrie- und Wirtschaftsgeschichte. Vom 1. Jahrhundert v. Chr. bis ins 5. Jahrhundert n. Chr. hat sich an diesem Ort eine römische Siedlung, später Kleinstadt befunden. Südwestlich der Stadt Eisenberg an der Ramsener Straße befindet sich das Eisenwerk Gienanth. Bekannt ist die Firma für die Verarbeitung und Produktion von Gusseisenwaren. Sie gilt heute als eines der angesehensten Unternehmen in der Eisenindustrie Deutschlands.

Grundlagen
Frühzeit
Römerzeit
Mittelalter
Frühe Neuzeit und Barock
Bayerische Zeit und Deutsches Reich
Strukturwandel im 20. Jahrhundert
Aktuelle Situation
Internet

Grundlagen
In der Entstehung des Eisenberger Beckens liegen die Grundlagen für die Entwicklung einer zeitweise sehr intensiven Nutzung der vorhandenen Bodenschätze und ihrer industriellen Verwertung. Neben den hochwertigen Ton- und Klebsandvorkommen spielten auch Erze vom Donnersberg und Pfälzerwald eine wichtige Rolle. Weiter Faktoren waren lange Zeit die ausgedehnten Wälder zur Herstellung von Holzkohle und die gleichmäßige Wasserführung des Eisbaches, die eine gute Nutzung der Wasserkraft in zahlreichen Mühlen ermöglichte.
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Frühzeit
Erste Spuren einer vorindustriellen Nutzung der Ressourcen im Bereich des Eisenberger Beckens findet man schon bei den Kelten in der Latène-Zeit (um 500 v. Chr. bis Chr. Geburt). In der Nähe des Lauberhofes konnten in Schlackenhalden Spuren der Verhüttung von Brauneisenschwarten aus dem Buntsandstein im Pfälzerwald und auch nickelhaltiger Erze vom Donnersberg gefunden werden. In Resten alter Schmelzöfen fanden sich Düsen, hergestellt aus feuerfestem Ton und Klebsand. Mit Hilfe von Blasebälgen erreichte man Temperaturen, die das Schmelzen von Eisenerzen ermöglichten.
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Römerzeit
Die Römer, die aus Gallien in das Gebiet der Pfalz vorstießen, erkannten die Bedeutung der besonderen Gegebenheit um Eisenberg und entwickelten die keltischen Kenntnisse weiter. So wurden die Eisenverhüttung und Gebrauchstöpferei zur Grundlage für die römische Siedlung in Eisenberg. Ausgedehnte Schlackefunde und Reste von Schmelzöfen (Rennöfen) aus dieser Zeit belegen die umfangreiche Roheisen- und Buntmetallproduktion der Römer. Die Römer benötigten Eisen zur Herstellung von Werkzeugen und Gerätschaften aber auch für die Waffen- & Rüstungsindustrie. Der Standort des Römischen Vicus in Eisenberg war nicht zufällig: aus Ton und Klebsand ließen sich auch die für die Eisenerzverarbeitung unabdingbaren Schmelzöfen herstellen. Aufgrund dieser Begebenheiten stieg Eisenberg zum zentralen Umschlagsplatz mit Roheisen-Produktion wie -Export auf. Zahlreiche Funde aus den Großausgrabungen ab 1992 weisen auf wohlhabende Zustände des Vicus als florierender Wirtschaftsstandort hin.
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Mittelalter
Während in nachrömischer Zeit eine weitere Produktion von Erzen und die Verarbeitung von Metallen im großen Maßstab nicht mehr stattfand, gab es seit dem Mittelalter bis in die Neuzeit „Häfnererdengruben“, aus denen das Rohmaterial für Gebrauchstöpfereien kam. Viele unterschiedliche Mühlen nutzten die Wasserkraft des Eisbachs im Raum Eisenberg. Neben Getreidemühlen entstanden auch Öl-, Säge-, Loh-, Walkmühlen für die Landwirtschaft und das Handwerk. Am Übergang vom 17. zum 18. Jahrhundert wird auch von Hammerwerken berichtet und auch eine Papiermühle entstand in Eisenberg.
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Frühe Neuzeit und Barock
Aus bestehenden Schleifmühlen im 14. Jahrhundert entwickelten sich im Laufe der Zeit Waffenschmiede-Werkstätten, in denen auch landwirtschaftliche Geräte (Pflüge, Hackmesser, Äxte usw.) hergestellt wurden. Aus einer dieser Mühlen entstand ein Hammerwerk (Kleiner oder Unterer Hammer), das bis 1743 in Betrieb war und anschließend zur Papiermühle bzw. Papierfabrik umgestaltet wurde.

Im Jahre 1734 entstand auf Betreiben des Grafen von Nassau-Saarbrücken-Weilburg oberhalb von Eisenberg ein Stauweiher als Wasserreservoir für einen neuen Großhammer. Dieser entwickelte sich zur Keimzelle der modernen Eisenherstellung und -verarbeitung.
Aus alten Akten (1604) der Herrschaft Stauf und alten Gemarkungsnamen kann auf die Gewinnung von Töpferton für die Gebrauchstöpferei geschlossen werden. Aber auch Mitte des 17. Jahrhunderts ist schon von „Glaserden“ die Rede, welche aus „Erdenkauten“ entnommen wird und „in ganz Teutschland und teils Frankreich auf Glashütten“ (Eisenberg (Pfalz) - Geschichte einer Stadt, S. 277) verwendet wird. Aus den Tonen stellte man Töpfe und Gefäße her, die Temperaturen bis 1500° aushalten konnten und als Gefäß für die Glasschmelze benutzt wurden. Der Quarzsand im Klebsand war auch ein wichtiger Bestandteil zur Herstellung des Glases. Spekulationen von einem möglichen Einsatz der „Eisenberger Erden“ zur Porzellanherstellung zerschlugen sich spätestens um 1769 durch einen negativen Gütebescheid aus dem niederländischen Delft. Auch die Frankenthaler Porzellanfabrik konnte das Material nicht zur Herstellung von Fayence gebrauchen.
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Bayerische Zeit und Deutsches Reich
In bayerischer Zeit wird im „Geographisch-statistischen Handbuch von Rheinbayern“ von 1828 von Klebsand geschrieben. Das planmäßige und systematische Graben nach Ton begann im südlichen Teil des Eisenberger Beckens in Hettenleidelheim zuerst im Tagebau und dann auch im Schachtgrubenbau. In Eisenberg wurde erst nach 1880 von Karl Ludwig Fliesen eine Tongrube angelegt. Nach 1888 erwarb die Firma Schiffer u. Kircher erste tonhaltige Ländereien in Eisenberg. Um 1907 ist in Steuerunterlagen die Rede von zehn Tongrubenunternehmen, welche auf Eisenberger Gemarkung tätig sind.

Von großer Bedeutung für die Nutzung der Rohstoffe und das Aufblühen erster industrieller Betriebe erwies sich der Bau von Eisenbahnverbindungen. Nach dem Bau der Ludwigsbahn (1847-49) zwischen Ludwigshafen und dem Kohlerevier im Saarland erkannten die Unternehmer und Grubenbesitzer in der Region (allen voran Carl von Gienanth) die Möglichkeiten dieses neuen Transportmittels. Schon 1865 gab es erste Ideen von einer Eisenbahnverbindung durch das Eisbachtal. Es dauerte aber noch weitere elf Jahre bis eine Verbindung von Eisenberg über Grünstadt an die Ludwigsbahn hergestellt war. Damit konnten die Rohstoffe Ton und Klebsand leichter und schneller zu den Abnehmern geliefert werden. Die Eisenproduktion und -verarbeitung war nun nicht mehr nur auf Holzkohle und Erze aus der Region angewiesen, sondern konnte Steinkohle von der Saar und hochwertigeres Eisenerz beziehen.

Ab dem Jahre 1882 spielten Schamotte- und Tonwerke in dem Bezirk um Eisenberg eine große Rolle und prägten mit ihren Fabrikbauten und hohen Schornsteinen fast 100 Jahre das Stadtbild. „Die Schamotte (Chamotte) ist gebrannter, feuerfester Ton. Schamotte-Waren werden aus einem Gemenge von zerkleinerter Chamotte und feuerfestem Ton hergestellt und bei hoher Temperatur gebrannt, damit sie nicht nachschwinden. Chamottesteine werden mit Schamottemörtel, der aus gemahlenem Ton, gemahlener Schamotte und Wasser besteht, vermauert“ (Eisenberg (Pfalz) - Geschichte einer Stadt, S. 302).

Der Diplomingenieur Karl Ludwig Fliesen erkannte die Verwertungsmöglichkeiten der Rohstoffvorkommen im Eisenberger Becken und erbaute die erste Fabrik. Neben der Qualität des Tonmaterials war aber die Anbindung an die neue Eisenbahnlinie eine weitere Voraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg. Die „Eisenberger Chamotte-Stein-Fabrik K. Fliesen“, später in „Pfälzische Chamotte- und Tonwerke Karl Fliesen zu Eisenberg, Rheinpfalz“ umbenannt, legte - neben den Eisenwerken der Familie Gienanth - den Grundstein für das wirtschaftliche Aufblühen der Region und die Entstehung des Industriestandortes Eisenberg.
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Strukturwandel im 20. Jahrhundert
Durch den Aufschwung der Kohle-, Stahl- und chemischen Industrie zum Ende des 19. Jahrhunderts steigerte sich auch die Nachfrage nach feuerfestem Material enorm. In dieser „Boomzeit“ entwickelte sich der Tonabbau und die Tonverarbeitung im Eisenberger Becken zum wichtigsten Erwerbszweig der Region. Die Beschäftigtenzahlen stiegen bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges rapide an. Allein in dem Eisenwerk Gienanth waren zu dieser Zeit etwa 750 Personen in Arbeit. Durch den Krieg und die anschließende französische Besatzung, sowie die Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er-Jahre kam es teilweise zu dramatischen Arbeitsplatzverlusten in den Betrieben. Doch die Firmen erholten sich meist sehr schnell wieder und expandierten weiter.

Auch der Zweite Weltkrieg bedeutete für die Betriebe einen starken Einschnitt, teilweise bis hin zum Produktionsstillstand für einige Werke. Durch den folgenden Wiederaufbau und die Jahre des Wirtschaftswunders konnte die Vorkriegsproduktion schnell übertroffen werden und die Zahl der Arbeitsplätze erreichte Rekordzahlen.

Ende der 1960er-Jahren kam es zu einem Konjunktureinbruch und einer Krise in der Stahlindustrie. Dies läutete den großen Umbruch in Eisenberg ein. Da sich auch die Förderbedingungen im Tonabbau zusehends verschlechterten, setzte ein Grubensterben ein. Zum Ende der 1950er-Jahre gab es in dem Tonrevier noch um die 25 Betriebsstätte mit ca. 600 Bergarbeitern. Seit 1993 wird kein feuerfester Ton mehr gefördert und 2018 stellte die Grube Abenthal als letzte den Untertageabbau ein. Auch die verschiedenen Chamottefabriken in Eisenberg stellten ab den 1970er-Jahre bis hin zur Jahrtausendwende ihre Produktion ein und es kam wieder zu einem großen Verlust von Arbeitsplätzen. Durch den Abriss und Rückbau der Industrieanlagen änderte sich das Stadtbild im Südosten noch einmal einschneidend.
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Aktuelle Situation
Nach dem Strukturwandel spielen nur noch drei der alteingesessenen Unternehmen weiterhin eine wichtige Rolle in Eisenberg: die Gienanth-Werke, die EKW und die Ziegelfabrik, die seit 2005 zur Wienerberger GmbH gehört.
Die Firma Sibelco betreibt im Tagebau noch die Grube Doris östlich der Erlebnislandschaft Erdekaut.

Die 1897 in Grimma bei Leipzig gegründeten Walther-Werke produzieren elektrotechnische Geräte und Steckverbindungen. Seit 1970 hat die Firma ihren Stammsitz in Eisenberg. In Kerzenheim hat vor über 60 Jahren die Firma Greiner sich gegründet und sich auf die Fertigung von elektrischen Schaltanlagen, Energie- und Gebäudetechnik spezialisiert. Seit 1974 ist die Langhammer Maschinenbau GmbH in Eisenberg ansässig und stellt Palettiersysteme und Fördertechnik her. 2008 wurde die Firma an die Körber AG verkauft, die den Betrieb weiterführt. Im Industriepark Süd haben sich in den letzten Jahren weiter Betriebe aus verschiedenen Sparten angesiedelt. Die Firmenpalette sieht mittlerweile vielfältiger aus und ist nicht mehr nur vom Ton- und Sandabbau oder der Eisenverarbeitung abhängig.
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(Reimund Lill, Eisenberg (Pfalz); Marie-Luise Selzer, Verbandsgemeinde Eisenberg, 2021)

Internet
www.gienanth.com: Gienanth Group (abgerufen 08.04.2022)
www.walther-werke.de: Walther-Werke: Historie (abgerufen 08.04.2022)
www.wirtschaftsgeschichte-rlp.de: Gienanth (abgerufen 08.04.2022)
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Literatur

Bernhard, Helmut; Braun, Arno; Himmelmann, Ulrich; Kreckel, Thomas; Stickl, Helmut (2007)
Der römische Vicus von Eisenberg. Ein Zentrum der Eisengewinnung in der Nordpfalz.. (Archäologische Denkmäler in der Pfalz, Band 1.) Speyer.
Eisenberger Klebsand-Werke GmbH (Hrsg.) (2003)
100 Jahre Eisenberger Klebsand-Werke (1903-2003). o. O.
Gienanth, Ulrich von (1986)
250 Jahre Eisenwerk Eisenberg. Die Geschichte der Eisengießer-Familie Gienanth. Eisenberg (Pfalz).
Heinz, Joachim P. / Institut für pfälzische Geschichte und Volkskunde (Hrsg.) (2020)
Der Tonbergbau zwischen Eisenberg und Hettenleidelheim. Ein vergessenes Kapitel der pfälzischen Wirtschaftsgeschichte. (Beiträge zur pfälzischen Geschichte, Band 31.) S. 517. Kaiserslautern.
Museum Winnweiler e.V. (Hrsg.) (o.J.)
Vor 275 Jahren - 1742. Gienanth´s Anfänge in Winnweiler-Hochstein. In: Infoblätter des Museums Winnweiler, o. O.

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„Industrie- und Wirtschaftsgeschichte der Stadt Eisenberg (Pfalz)”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/SWB-343574 (Abgerufen: 20. April 2024)
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