Die Martinskirche liegt erhaben am nordwestlichen Rand der Stadt. Im Norden bildet sie den Gegenpunkt zur Schönburg und prägt so maßgeblich das Stadtbild. Außerdem steht die weiße Kirche in einem farblichen Kontrast zur roten Liebfrauenkirche.
Da die Kirche dem heiligen Martin geweiht ist, der der Stammesheilige der Franken war, kann möglicherweise darauf geschlossen werden, dass an dieser Stelle bereits zur Zeit der Franken eine Hofkappelle stand. Urkundlich wird 1219 eine St. Martinskirche erwähnt. Allerdings können über den oder die Vorgängerbauten keine Aussagen getroffen werden.
Am 12. Dezember 1303 erfolgte die Gründung eines Kollegialstiftes mit Propst, Dekan und Vizedekan, fünf Kanonikerstellen sowie mit mehreren Vikaren durch Erzbischof Dieter von Nassau. Die Schirmherrschaft über das Stift besaßen die Schönburger, die so erheblichen Einfluss auf Kirche und Stift besaßen. Der Einfluss der Schönburger kann heute noch an vielen ihrer Wappen in der Martinskirche abgelesen werden. Die Gründung des Stifts war auch den Grund für den Bau der Kirche.
Im 16. Jahrhundert verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation so sehr, dass die Zahl der Kanoniker von fünf auf zwei reduziert werden musste. 1581 starb der letzte Kanoniker. Dennoch besteht das Stift bis zur Säkularisierung durch Napoleon 1802 fort. Unter der Neuordnung Napoleons musste die Kirche aufgegeben werden, was die Versteigerung oder den Abriss bedeutet hätte. Nur durch Einspruch der Bürger konnte die Kirche erhalten werden und erhielt den Kapellenstatus.
Um 1350 wurde mit dem Abriss der für das Stift zu kleinen romanischen Kirche begonnen. Architektonisches Vorbild für die neue gotische und geostete Martinskirche war die Liebfrauenkirche, die einen ähnlichen Grund- und Aufriss hat. Der Bau ging aus unbekannten Gründen sehr langsam voran und zog sich über ca. 150 Jahre. Zuerst wurde das Mittelschiff errichtet. Das nördliche Seitenschiff war erst um das 15. Jahrhundert fertiggestellt. Aufgrund der Liebfrauenkirche als Vorbild wurde die Kirche ebenfalls dreischiffig geplant, doch mit dem Bau des südlichen Seitenschiffes wurde aus finanziellen Gründen erst gar nicht begonnen. Dennoch sind entlang der Seite des südlichen Langhauses die vermauerten Spitzbogenöffnungen eindeutig ein Beleg dafür, dass die Kirche im Ursprung dreischiffig geplant war.
Das Mittelschiff und der gleichbreite Chor bestehen aus jeweils drei bzw. zwei Jochen. Zudem besitzt der Chor einen 5/8 Abschluss. Das Seitenschiff weist sechs Achsen auf. Das westliche Ende des Turms und des Seitenschiffes beginnen auf gleicher Höhe. Die Gesamtlänge der Kirche beträgt 58,75 Meter. Davon entfallen auf das Langhaus mit Chor 46,5 Meter und 12,25 Meter auf den Turm. Das Seitenschiff ist 42,5 Meter lang. Um eine architektonische Unterscheidung und Bedeutung zwischen Mittel- und Seitenschiff zu generieren, wurden differierende Breiten gewählt. Die Breite des Seitenschiffes liegt bei 7,75 Metern, wohingegen das Mittelschiff um 1,25 Meter breiter ist. Auch in der Höhe zeigt sich ein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Schiffen. Das Mittelschiff ist mit 17,5 Meter fast dreimal so hoch wie das 6,5 Meter hohe Seitenschiff.
Im Nordosten schließt sich an das Seitenschiff die Sakristei an, die aus einem Joch und ebenfalls aus einem 5/8 Abschluss besteht. Die heutige Sakristei war früher eine Kapelle, die an das Seitenschiff anstieß. Der Zugang zur Sakristei ist von außen sowie vom Hochaltar möglich.
Die Arbeiten am Turm liefen parallel zur Erbauung des Mittelschiffes im 14. Jahrhundert. Die im Turm zu sehenden Schießscharten weisen auf die Wehrfunktion des 39,5 Meter hohen Turms hin. Der wuchtige und burgartige Turm war im Weseler Krieg von 1390/91 noch nicht fertiggestellt und wurde erst später aufgrund seiner Lage in das Verteidigungssystem der Stadtmauer miteinbezogen. Deshalb sind am Turm keine stilistischen Bauelemente vorzufinden. Dennoch gilt der Turm als imposantestes Beispiel sakraler Wehrtechnik der Gotik im Rheinland. Nicht zu klären ist, ob der Turm aus Geldmangel nur ein Trichterdach erhielt oder ob aus wehrtechnischen Gründen darauf verzichtet wurde. Durch das Trichterdach diente der Turm als Wasserauffangbecken für die wachhabenden Soldaten. Hier ergibt sich architektonisch eine Ähnlichkeit zum Ochsenturm. Im 15. Jahrhundert wurde das achteckige Obergeschoss mit Zinnenkranz und Ecktürmchen gebaut bevor die Bauarbeiten im letzten Viertel des Jahrhunderts eingestellt wurden. Allerdings steht der viergeschossige Turm nicht losgelöst von der Kirche, sondern ist innen auf einer Höhe von zwei Geschossen zum Mittelschiff geöffnet. Der quadratische Grundriss entspricht zwei etwas schmaleren Jochen.
Der Fensterverlauf in einer Flucht vom Langhaus wird im Turm nicht fortgeführt. Bei den Fenstern im Turm handelt es sich um Blendfenster. Die schmalen Blendfenster des Turmes betonen deshalb den Strebepfeiler. Im dritten Geschoss weisen die Blendfenster darüber hinaus auch Rundbögen auf und widersprechen so dem übrigen gotischen Baustil.
Backsteine kommen nur im oberen Geschoss als Baumaterial vor. Als übriges Baumaterial wurde Schieferbruchstein und roter sowie gelber Sandstein für Rippen, Konsolen und Fenster verwendet. Bis auf den Turm ist die Kirche verputzt und weiß gestrichen. Das Maßwerk (flächige Gestaltungen von beispielsweise Fenstern mit geometrischen Mustern) im Hauptportal, welches sich im Westen befindet, besteht aus gelbem Sandstein. Die Gewände (Ausschrägung ins Mauerwerk) im Nord- und Südportal jeweils aus Basalt. Das Kreuzrippengewölbe beginnt auf der Höhe der Fenster im Mittelschiff und wird von locker gestreuten Sternen geziert.
Die farbliche Innengestaltung ist hell, wobei sich sandsteinfarbene Rippen, Pfeiler, Fenstergewände mit weißen Fugen absetzen. Darüber hinaus besitzt die Kirche weitere zahlreiche Sehenswürdigkeiten, wie beispielsweise die Orgel, der Hochaltar, eine Madonna aus dem 15. Jahrhundert, Wandmalereien und das Chorgestühl mit Ausmalung aus der Entstehungszeit.
Die Öffnungszeiten der Kirche sind montags bis sonntags von 10-18 Uhr.
Der hier präsentierte Inhalt ist urheberrechtlich geschützt. Die angezeigten Medien unterliegen möglicherweise zusätzlichen urheberrechtlichen Bedingungen, die an diesen ausgewiesen sind.
Empfohlene Zitierweise
Kira Bublies: „Katholische Pfarrkirche Sankt Martins in Oberwesel”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-255262 (Abgerufen: 9. Dezember 2024)
Möchten Sie dieses Objekt in der Kuladig-App öffnen?
Wir verwenden Cookies
Dies sind zum einen technisch notwendige Cookies,
um die Funktionsfähigkeit der Seiten sicherzustellen. Diesen können Sie nicht widersprechen, wenn
Sie die Seite nutzen möchten. Darüber hinaus verwenden wir Cookies für eine Webanalyse, um die
Nutzbarkeit unserer Seiten zu optimieren, sofern Sie einverstanden sind. Mit Anklicken des Buttons
erklären Sie Ihr Einverständnis. Weitere Informationen finden Sie auf unserer Datenschutzseite.