Vom Rathaus zum Kunstmuseum, so wandelte sich die Nutzung dieses Gebäudes in Gräfrath und zeugt noch heute vom Aufstieg Gräfraths im Zuge der Industrialisierung.
Im Zuge der Rheinischen Städteordnung, die als Beginn der modernen kommunalen Selbstverwaltung in der damaligen preußischen Rheinprovinz gilt, erhielt Gräfrath 1856 Stadtrechte. Die Industrialisierung hielt auch in Gräfrath einzug, als sich hier einige größere Fabriken niederließen, unter anderem auch Dr. Hillers, eine Süßwarenfabrik, die in den 1970er Jahren von Haribo übernommen wurde. Dies führte zu einem Anstieg der Einwohnerzahl und zeitgleich zu einem wirtschaftlichen Aufschwung, sodass auch die Investitionen in die städtische Verwaltung stiegen. 1929 markiert allerdings das Ende der eigenständigen Stadt Gräfrath, als diese zusammen mit Solingen, Wald, Höhscheid und Ohlings zur Großstadt Solingen zusammengelegt wurden.
Aufgrund der wachsenden Verwaltungsstrukturen Gräfraths wurde ab 1902, als Bernhard Bartlau (1863-1927) Bürgermeister wurde, über den Bau eines neuen Rathauses nachgedacht. Die Pläne konkretisierten sich wenige Jahre später, als 1906 über den Standort des neuen Rathauses entschieden wurde. Der exponierte Standort wurde dabei bewusst gewählt, um eine Verbindung zwischen den Außenbezirken, die im Laufe des 19. Jahrhunderts hinzugekommen waren, und zum historischen Ortskern herzustellen. Als Architekt wurde der in der Region schon bekannte Architekt Arno Eugen Fritsche (1858-1939) engagiert, der zuvor die evangelische Lutherkirche in Solingen mit entwarf. Die Grundsteinlegung erfolgte am 12. August 1907 und weniger als ein Jahr später im Oktober 1908 konnte das Rathaus eingeweiht werden.
Das Rathaus bestand ursprünglich aus zwei Gebäudeflügeln, die in einem stumpfen Winkel zueinanderstehen. Durch seine abwechselnden Giebel, Erker, Vor- und Rücksprünge sowie seinen Uhrenturm erhält es zudem einen burgähnlichen Charakter und knüpft damit an den sogenannten bergischen Stil an. Zugleich kann man an dem Bauwerk den bergischen Dreiklang, anhand des verwendeten Schiefers, der weißen Fensterrahmen und grünen Sprungläden erkennen, sowie die dezente Einbringung von Jugendstilelementen. Nur wenige Jahre später, 1914, erfolgte eine erste Erweiterung an der Südostseite; in dem 1920er Jahren wurde dieser Erweiterungsbau bereits aufgestockt. Nach der Gründung der Großstadt Solingen 1929 wurde das Gebäude weiterhin von der Stadtverwaltung genutzt. Allerdings ging auch der Zweite Weltkrieg nicht spurlos an dem Gebäude vorbei. Große Teile des Hauptflügels mit dem Ratssaal wurden zerstört und der Dachstuhl brannte aus.
Nach verschiedenen Zwischennutzungen, unter anderem als Standort der Zentralfachschule der Deutschen Süßwarenindustrie, wurde das immer noch beschädigte Gebäude 1953 wiederaufgebaut. Den Entwurf hierfür lieferte ein Solinger Architekturbüro, welches in seinen Umbauplänen die Nutzung als Museum mitberücksichtigte. So konnte am 7. August 1954 das Deutsche Klingenmuseum Solingen in das Gebäude einziehen. 1990 zog das Klingenmuseum in die umgebauten Räumlichkeiten des Augustiner-Chlorfrauenstift in Gräfrath, wodurch das Gebäude für einige Zeit von Solinger Künstlerbund als Atelier und Ausstellungsraum genutzt wurde. Die Nutzungsumwandlung in ein Museum für Moderne Kunst und den damit verbundenen Umbauarbeiten und Instandhaltungsmaßnahmen wurden vom Stifter des späteren Museums 1992 ins Spiel gebracht, die dafür ein Kölner Architekturbüro beauftragten. In diesem Zusammenhang wurde unter anderem die Fassade erneuert und es entstand auch ein Neubau des Südostflügels. Nach diesen Maßnahmen konnte das Museum am 26. Oktober 1996 als Museum Baden eröffnet werden. Die Namensänderung in Kunstmuseum Solingen erfolgte 2011.
Seit seiner Gründung 2015 nutzt ebenfalls das Zentrum für verfolgte Künste die Räumlichkeiten des ehemaligen Rathauses. Der Landschaftsverband Rheinland und die Stadt Solingen eröffneten hier in Zusammenarbeit und der Idee der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft für Literaturpflege und zeitgemäße Erinnerungskultur folgend, ein dauerhaftes Zentrum, dass sich mit verfolgten Kunstlern und ihren Werken auseinandersetzt. Im Jahr 2020, 75 Jahre nach dem Ende des Holocaust und des Zweiten Weltkriegs sowie der Gründung der Vereinten Nationen am 24. Oktober 1945, wurde das Museum Zentrum für verfolgte Künste Teil der interaktiven Online-Ausstellung der Vereinten Nationen „7 Places - Sieben Orte in Deutschland“, die mit Hilfe eines Zeitstrahls die Erinnerung an den Holocaust, die Shoah, ebenso lebendig hält wie den laufenden Diskurs über die Erinnerungskultur (www.7places.org).
Baudenkmal Das Objekt „Kunstmuseum Solingen/Museum Baden, Georg-Meistermann-Platz - auch Wuppertaler Str.“ in Solingen-Gräfrath ist ein eingetragenes Baudenkmal (Denkmalliste für Solingen 2018, S. 8).
(Robert Gansen, Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz e.V., 2019/2021)
Internet kunstmuseum-solingen.de: Museumsgeschichte (abgerufen 08.01.2020) solingen.de: Denkmalliste der Stadt Solingen, Stand 01.08.2018 (PDF-Dokument, 135 kB, abgerufen 08.01.2020) deu.archinform.net: Arno Eugen Fritsche (abgerufen 15.01.2020) verfolgte-kuenste.com: Von der Idee zur Verwirklichung (abgerufen 21.01.2020) www.7places.org: Online-Ausstellung „7 Places - Sieben Orte in Deutschland“ (abgerufen 17.08.2021) de.wikipedia.org: Rathaus Gräfrath (abgerufen 08.01.2020) de.wikipedia.org: Kunstmuseum Solingen (abgerufen 08.01.2020)
Der hier präsentierte Inhalt ist urheberrechtlich geschützt. Die angezeigten Medien unterliegen möglicherweise zusätzlichen urheberrechtlichen Bedingungen, die an diesen ausgewiesen sind.
Möchten Sie dieses Objekt in der Kuladig-App öffnen?
Wir verwenden Cookies
Dies sind zum einen technisch notwendige Cookies,
um die Funktionsfähigkeit der Seiten sicherzustellen. Diesen können Sie nicht widersprechen, wenn
Sie die Seite nutzen möchten. Darüber hinaus verwenden wir Cookies für eine Webanalyse, um die
Nutzbarkeit unserer Seiten zu optimieren, sofern Sie einverstanden sind. Mit Anklicken des Buttons
erklären Sie Ihr Einverständnis. Weitere Informationen finden Sie auf unserer Datenschutzseite.