Die Ursprünge des weltweit bekannten Süßigkeitenherstellers HARIBO GmbH & Co. KG liegen im Bonner Süden. In Kessenich steht die bis heute betriebene erste Produktionsstätte. Sie ist eine von insgesamt 16 Produktionsstandorten in Europa und erstreckt sich auf ein Gelände von über zweieinhalb Hektar zwischen der Bergstraße im Norden und der Hermann-Milde-Straße im Süden. Die Hans-Riegel-Straße und die Karl-Barth-Straße begrenzen das Areal im Westen bzw. Osten.
Die Gründung in der Waschküche Am 13.12.1920 gründet Hans Riegel sen. (1893-1945) die Firma HARIBO (für Hans Riegel Bonn) auf dem Grundstück der Bergstraße 37 im Bonner Ortsteil Kessenich. Zu Anfang wird mit einfachster Ausstattung in einer Waschküche im Hof des 1902 erbauten Wohnhauses produziert. Das notwendige Wissen zur Gründung einer Süßwarenfirma erlernte der gebürtige Friesdorfer als Geschäftspartner der Kessenicher Firma Heinen und zuvor in verschiedenen Werken in Neuss, Osnabrück und Oberhausen. Den Start ins Berufsleben verdankt er einer Ausbildung zum Bonbonkocher und einer anschließenden fünfjährigen Beschäftigung bei Kleutgen & Meier in Bad Godesberg. Nicht nur die Nähe zum heimatlichen Friesdorf und Riegels Ortskenntnis dürften ihn dazu bewogen haben, sich in Kessenich niederzulassen. Auch das große Angebot an Arbeitskräften und eine vielfältige, potentielle Kundschaft gehörten zu den damaligen Standortvorteilen von Kessenich. Die Mischung aus wohlhabenden Bürgern, Universitätsangehörigen, Pensionären, Beamten, städtischen Angestellten und Gewerbetreibenden im Bonner Süden bot einen soliden Absatzmarkt.
Wachstum trotz Wirtschaftskrise Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage in den Zwischenkriegsjahren wächst das junge Unternehmen stetig. In zehn Jahren wächst die Zahl der Mitarbeiter von zwei auf 160 im Jahr 1930 an. 1939 sind es bereits 400. Zunächst als „Tanzbär“ bezeichnet, erfindet Hans Riegel 1922 das erfolgreichste Produkt des Unternehmens, das später als „Goldbär“ weltberühmt wird.
Entsprechend der Expansion wächst auch das Fabrikgelände in Kessenich. Ausgehend von der Waschküche in der Bergstraße entwickelt sich süd- und ostwärts ein umfangreicher Fabrikkomplex:
1921: Zuckerwarenfabrik für fünf Mitarbeiter 1924: Fabrikgebäude mit Wohnung 1925: Holzschuppen und Hofraumüberdachung 1927: Lagergebäude 1929: Dampfkesselanlage und Fabrikerweiterungsbau 1931: zweiter Fabrikerweiterungsbau 1932: zweites Lagergebäude 1933: dritter Fabrikerweiterungsbau 1934: Lager- und Werkstättengebäude 1936: eigene Wasserversorgungsanlage 1938: Lagerschuppen
Bereits zwischen 1930-1933 wird der Hauptbau der heutigen Fabrikanlage fertig gestellt. Alle unbebauten Grundstücke zwischen Hans-Riegel-Straße, Hermann-Milde-Straße und Karl-Barth-Straße werden bis zum Zweiten Weltkrieg dem Gelände angeschlossen (siehe Kartenansicht). Somit kann das heute noch in ähnlicher Form bestehende Gelände als historisch bedeutender Bestandteil Kessenichs gesehen werden.
Zur damaligen Zeit bemerkten die Bewohner regelmäßig die benachbarte Fabrik durch den Ruß und den starken Geruch, den die Fabrik emittierte und im ganzen Dorf verteilte. Auch heute noch ist Kessenich für einen ab und zu auftretenden Lackritzgeruch bekannt.
Vom Krieg ins Wirtschaftswunder Im Zuge des Zweiten Weltkriegs bricht die Produktion ein, die Fabrikgebäude bleiben aber weitestgehend erhalten. Zwischenzeitlich werden sie daher von den Alliierten genutzt. Hans Riegel stirbt kurz vor Kriegsende und seine Frau Gertrud muss die Geschäfte übernehmen. Als ihre Söhne Paul Riegel und Hans Riegel jr. 1946 aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehren, gibt sie die Unternehmensführung an die beiden ab. Bereits 1947 beginnt die Expansion an der Bergstraße erneut:
1947: Hallendach vor und über der Verladerampe 1948: Freistehende Dampfkesselanlage 1950: Erweiterung des Fabrikgebäudes 1954: Spritz- und Lackierhalle 1955: Umbau eines Fabrikgebäudes 1957: Erweiterung Betriebsschlosserei 1958: weiteres Fabrikgebäude 1968: sechs Silos und Anbau eines dreigeschossigen Wohnhauses 1971: weiteres Fabrikgebäude mit zwei Tiefgaragen 1978: Umbau einer Lagerhalle 1983: Hochdruck-Dampfkesselanlage
Bis in die 1970er Jahre werden außerdem mehrere benachbarte Gebäude in der Bergstraße erworben. Auch die Mitarbeiterzahlen beginnen nach dem Krieg wieder zu wachsen. Der extreme Niedergang während der Kriegsjahre von 400 auf 30 Mitarbeiter in 1946, wird in der Wirtschaftswunderzeit wieder ausgeglichen und überboten. Bis 1948 verdoppelt sich die Zahl der Mitarbeiter auf 60, 1950 sind es bereits 1.000. Mitte der 80er Jahre zählt das Unternehmen 1.250 Mitarbeiter. Viele von ihnen wohnen in von Hans Riegel neu erworbenen oder erbauten Wohnhäusern im näheren Umfeld des Fabrikgeländes. Neben den Fabrikationsgebäuden befindet sich auch ein firmeneigener Kindergarten an der Karl-Barth-Straße. 1953 wird eine Badmintonhalle an der Hermann-Milde-Straße errichtet. Die Halle sollte die einzige reine Badmintonhalle Deutschlands sein und beheimatete den „1. deutschen Badminton-Club Bonn“. Bis in die 1970er Jahre diente die „Hans-Riegel-Halle“ als Austragungsort für nationale und internationale Turniere und Wettkämpfe. Seit Ende der 1980er Jahre wurde die Halle kommerziell betrieben und stand der Öffentlichkeit zur Verfügung. Aufgrund festgestellter erheblicher Schäden am Dach begann im November 2014 der Abbruch der Halle (de.wikipedia.org).
Das Wachstum von HARIBO schließt auch den Aufkauf von anderen Süßwarenherstellern im In- und Ausland mit ein. 1958 wird die nur unweit vom Kessenicher Produktionsgelände gelegene Firma Kleutgen & Meier – Ausbildungsstätte und erster Arbeitgeber von Hans Riegel sen. – von HARIBO übernommen. Auf dem Gelände befindet sich mittlerweile der HARIBO-Fabrikverkauf. Außerdem ist dort der Bau eines HARIBO-Museums geplant.
Ungewisse Zukunft des Standorts Die zu Gründungszeiten günstige Lage des Fabrikgeländes ist heute mit vielen Nachteilen verbunden. Ringsum das Areal befinden sich Wohnhäuser, weswegen eine weitere Ausdehnung der Fabrikationsanlagen ausgeschlossen ist. Während vor dem Zweiten Weltkrieg die Auslieferung der Produkte per Fahrrad und später per Auto erfolgte, kann der heutige LKW-Verkehr einen Störfaktor für die Anwohner darstellen. Der Transport selbst gestaltet sich wegen der hindernisreichen und relativ engen umliegenden Straßen als verhältnismäßig schwierig. Dementsprechend ist in den letzten Jahren immer wieder von Umzugsplänen zu hören. Derzeit setzt sich HARIBO in erster Linie für den Bau eines neuen Logistikzentrums in der Region ein. Zunächst soll die Produktion in Kessenich bestehen bleiben, allerdings ist ein vollständiger oder teilweiser Umzug nicht ausgeschlossen (Stand Sommer 2012). 2013 erwarb Haribo ein 27 Hektar großes Grundstück in der rheinland-pfälzischen Gemeinde Grafschaft (Landkreis Ahrweiler), wo zunächst ein Logistikzentrum entstand. Hierhin soll mittelfristig auch zumindest ein Teil der Produktion verlegt werden.
Nachtrag Im Mai 2019 wurde der Firmensitz von Kessenich in die Gemeinde Grafschaft (Landkreis Ahrweiler, Rheinland-Pfalz) verlegt.
(Clemens Küpper, Geographisches Institut der Universität Bonn, 2012 / freundliche Hinweise der HARIBO GmbH & Co. KG, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, 2012)
Internet www.haribo.com: Geschichte (abgerufen 12.04.2019) www.rheinische-geschichte.lvr.de: Hans Riegel (abgerufen 09.08.2012 & 12.04.2019) de.wikipedia.org: Haribo-Center (abgerufen 13.10.2017) www.ksta.de: Platz für ein HARIBO-Museum (Kölner Stadt-Anzeiger vom 11.11.2011, abgerufen 09.08.2012 u. 12.04.2019) www.general-anzeiger-bonn.de: Haribo sucht nach Großfläche für seine Logistik (General-Anzeiger vom 09.02.2012, abgerufen 09.08.2012 u. 12.04.2019, Inhalt nicht mehr verfügbar 18.08.2021) www.general-anzeiger-bonn.de: Appetit aufs Goldbären Museum (General-Anzeiger vom 10.11.2011, abgerufen 09.08.2012 u. 12.04.2019, Inhalt nicht mehr verfügbar 18.08.2021) www.kessenich-ist-kult.de: Hans Riegel (abgerufen 09.08.2012, Inhalt nicht mehr verfügbar 12.04.2019) www.badminton-center-haribo.de: Geschichte (abgerufen 09.08.2012, Inhalt nicht mehr verfügbar 13.10.2017)
Als Fruchtgummi noch intensiv nach Frucht schmeckte. Aus der Gründungs- und Entwicklungsgeschichte der Firma Haribo in Bonn. In: Denkmalpflege im Rheinland 3/2014, S. 119-122. Essen.
Cremer, Michael (2011)
Die Geschichte einer erfolgreichen, international eingeführten deutschen Produktmarke, unter besonderer Berücksichtigung des Marketings, der Kommunikation in TV-, Funk- und Printmedien in Deutschland von 1920–2010. Am Beispiel der Marke HARIBO im Allgemeinen und der Produktmarke HARIBO-„Goldbären“ und der Symbolfigur GOLDBÄR im Besonderen. Weimar.
Grosse de Cosnac, Bettina (2003)
Die Riegels: die Geschichte der Kultmarke HARIBO und ihrer Gründerfamilie. Bergisch Gladbach.
HARIBO GmbH & Co. KG (Hrsg.) (o.J.)
Die bunte Welt von HARIBO. o. O.
Partzsch, Dieter (1995)
Wanderung durch Kessenich: heimatkundliche und baugestalterische Dokumentation eines Bonner Ortsteiles. S. 607, Bonn.
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