Neues Rathaus in Jülich

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Denkmalpflege
Gemeinde(n): Jülich
Kreis(e): Düren
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 50° 55′ 16,43″ N: 6° 21′ 45,13″ O 50,92123°N: 6,36253°O
Koordinate UTM 32.314.630,34 m: 5.644.378,45 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.525.535,99 m: 5.642.946,10 m
  • Jülich, Neues Rathaus, Große Rurstr. 17

    Jülich, Neues Rathaus, Große Rurstr. 17

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    LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, Silvia Margrit Wolf
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    Silvia Margrit Wolf
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  • Neues Rathaus Jülich (2007)

    Neues Rathaus Jülich (2007)

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    Elke Janßen-Schnabel
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  • Neues Rathaus Jülich, Teilansicht (2007)

    Neues Rathaus Jülich, Teilansicht (2007)

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    Janßen-Schnabel, Elke / LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland
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    Elke Janßen-Schnabel
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Lage
Das Neue Rathaus liegt am südlichen Rand des historischen Stadtkerns von Jülich an der Einmündung der Kartäuserstraße in die Große Rurstraße, leicht erhöht zum gegenüber liegenden / benachbarten Schwanenteich. Im stadtbaugeschichtlichen Kontext steht das Neue Rathaus am der Stadt zugewandten Rand der breiten ehemaligen frühneuzeitlichen Stadtbefestigung. Diese Zone ist südlich im Anschluss an das Objekt heute als eine vom Ellbach begleitete Promenaden- und Parkanlage gestaltet. Aus der besonderen Lage des Grundstücks erklärt sich die Höhendifferenz von etwa einem halben Geschoss die zwischen Straßen- und Hofseite.

Geschichte
Der Luftangriff vom 16. November 1944 hatte den Vorgängerbau, das alte Kreisständehaus am Schwanenteich, zerstört. An der selben Stelle entstand 1952/53 als Wettbewerbsergebnis nach dem Entwurf des Aachener Hochschulprofessors Hans Mehrtens (1892-1976) in zwei Bauabschnitten ein neues Verwaltungsgebäude des Kreises Jülich. 1952 war auch die Neugestaltung des Schwanenteiches abgeschlossen. 1953 lagen die Pläne für den zweiten Bauabschnitt mit Kataster- und Bauamt an der Kartäuserstraße vor.

Beschreibung
Auf dem nach Süden abfallenden Eckgrundstück erhebt sich das Objekt über einem dreistufigen Sockel als zweigeschossiger Ziegelbau mit flach geneigtem mit dunklen Hohlfalzziegeln gedeckten Walmdach. Das erhöhte Erdgeschoss und der rückwärtige Geländeversprung ermöglichen eine Dreigeschossigkeit der Rückfront und damit den ebenerdigen Zugang des Sockelgeschosses vom Promenadenpark über den Hof. In der strukturierten Oberfläche der Außenwände aus dunkelroten besandeten Backsteinen sind die Fenster und die Eingangsbereiche durch graue Blausteingewände abgesetzt.
Der Baukörper setzt sich aus zwei den Bauabschnitten entsprechenden Bauteilen zusammen: aus einem zur Großen Rurstraße weisenden Kopfbau über fast quadratischem Grundriss mit zwei in den jeweils rechten Eckachsen zur Großen Rurstraße und zur Kartäuserstraße leicht vorspringenden Flügeln und aus einem lang gestreckten einhüftigen Flügel (zweiter Bauabschnitt) in der Flucht der Kartäuserstraße mit 18 Bürofensterachsen in der Ansicht insgesamt und am Ende risalitartig vorspringendem Nebeneingang. Der Flügel ist zum Park hin abgewinkelt und schließt somit den rückwärtigen Hof ab. Hier sind hofseitig Garagen eingerichtet. Die Fenster sind rundum hochrechteckig, gleichmäßig gereiht und weisen eine Kreuzteilung mit vier Flügeln auf. Zur Großen Rurstraße ist der Bau mit Doppelfenstern ausgestattet.
Volumen und die formale Ausprägung betonen die Architektur zur Großen Rurstraße. Eine Gestaltung erfolgt im Eingangsbereich an der Hauptfassade durch die um drei Stufen erhöhte Arkadenreihe mit Stützen und Gebälk aus Blaustein, durch die zu einem Blausteinraster aufgelöste Fensterfront des Saales im ersten Obergeschoss an der Westseite und durch die vorgezogene Achse des Nebeneingangs an der Kartäuserstraße. Die bodentiefen Obergeschossöffnungen zur Großen Rurstraße weisen schlichte Brüstungsstabgitter mit Messingknöpfen auf. Über dem Nebeneingang ist im Oberlicht der Löwe des Jülicher Wappens eingraviert.

Der Bau wird von der Großen Rurstraße über den hinter der Arkadenreihe zurückliegenden Haupteingang mit einer doppelflügeligen gerasterten Holztür mit kleinen quadratischen Glasscheiben erschlossen. Hinter dem Windfang mit Treppenaufgang liegt das zentrale Foyer. Im gleichmäßigen Abstand stehende Rechteckstützen fangen über zwei Geschosse die Deckenlasten ab und öffnen den Foyerraum zu einer großzügigen Eingangshalle. Sie wird durch eine gerasterte Glasdecke mit darüber liegendem flach geneigtem Glasdach hell belichtet. Im Erdgeschoss sind neben Pförtnerloge Büroräume angeordnet. Ein breiter mittiger Treppenlauf führt ins erste Obergeschoss auf einen umlaufenden Gang. Hier liegen der große und der kleine Sitzungssaal, die Räume ehemals des Landrats und des Oberkreisdirektors, heute des Bürgermeisters und ursprünglich 40 Dienstzimmer. Im Sockelgeschoss zum Hof hin war eine Hausmeisterwohnung eingerichtet. In dem einhüftigen Flügel an der Kartäuserstraße reihen sich Büroräume, in der südlichen Ecke befindet sich ein Treppenhaus.

Die Ausstattung ist insgesamt von schlichter, gediegener Qualität. Die Eingangshalle einschließlich Treppenaufgang und Umgang ist mit Solnhofener Platten ausgelegt; Treppen- und Brüstungsgeländer bestehen aus senkrechten weiss gefassten Stäben, gestalterisch betont durch kleine Kugeln, Knäufe und glänzende Handläufe aus Messing. Lediglich die Sitzungssäle erhielten eine etwas reichere Ausgestaltung. Ähnlich wie am Außenbau und in der Eingangshalle wird hier das Rechteckmuster in wechselnde Materialien wiederholt: im zweifarbigen Parkettfußboden (helles Holz mit dunklem Gittermuster) und in der kassetierten Decke. Die weitere wandfeste Ausstattung ist ebenfalls original: die dunkle Wandvertäfelung in Brüstungshöhe, die dunklen Holztüren mit Messinggriffen, die Wand- und Deckenleuchten, im kleinen Sitzungssaal der Parkettfußboden und die Leuchten.

Begründung des Denkmalwertes
Am 16. November 1944 wurde die Stadt bei einem Luftangriff nahezu vollkommen zerstört. An die unmittelbar nach Kriegsende begonnenen Aufräum- und Sicherungsmaßnahmen schloss ab 1949 bis etwa 1956 der Wiederaufbau der Stadt. Zur Funktionstüchtigkeit der Stadt zählten neben den Wohnhäusern Bauten mit öffentlichen Funktionen: Die beiden Kirchen, Rathaus, Schulen, Krankenhaus, Bahnhof, Polizei, Feuerwehr und auch das Kreishaus, denn Jülich war bis zur Umsetzung der kommunalen Gebietsreform 1972 Kreisstadt. Als Rathaus übernimmt der Bau bis heute eine zentrale Funktion in der Stadt.
Der Baukörper ist in traditioneller Bauweise und Formensprache Zeugnis des frühen Wiederaufbaus. Er zeigt sich in seiner baulichen Ausprägung als Verwaltungsbau zweckbestimmt zurückhaltend, jedoch mit deutlicher Betonung des Eingangsbereiches und des großen Sitzungssaales in einer wirkungsvoll zeittypischen Schlichtheit in regional gebundenen Formen und in regionalen Materialien. Die Architektur ist auf die Nutzung mit zurückhaltendem repräsentativen Anspruch abgestimmt und bis ins Detail durchdacht.
Der Architekt Hans Mehrtens (1892- 1976) hatte an der Technischen Hochschule in Stuttgart studiert, bei Paul Bonatz und bei Adolf Abel gearbeitet. Er war 1925-1935 Stadtbaurat in Köln und wurde 1935 als ordentlicher Professor an den Lehrstuhl für Entwerfen von Hoch- und Industriebauten der RWTH Aachen berufen. Er baute Industriegebäude, Verwaltungsbauten, Lehr- und Forschungsinstitute, Sport- und Verkehrsbauten, Stadthallen, Wohn- und Geschäftshäuser.
Seine Entwürfe zeichnen sich insgesamt nicht nur durch landschaftliche sondern auch durch städtebauliche Bindungen und Bezüge aus. Beispiele in der Reihe seiner Werke sind: der Flughafen Köln-Butzweiler von 1935; das Sportstadion, die so genannte„Edelstahl-Kampfbahn“, für die Deutsche Edelstahlwerke AG in Krefeld 1937-1938; die Rheinstrand-Siedlung in Karlsruhe und die Kleinsiedlung Ehringhausen bei Remscheid, beide vor 1945 errichtet. Nach 1945 baute Mehrtens überwiegend in der Umgebung von Aachen. Zu dieser Schaffensperiode zählen das Chemische Institut und das Studentendorf der RWTH Aachen am Königshügel, die Stadthallen in Düren und in Erkelenz und das Kreishaus (das Neue Rathaus) in Jülich.

Das Objekt dokumentiert am Rand des frühneuzeitlichen Stadtgrundrisses im Zusammenhang mit der unmittelbaren Umgebung am Schwanenteich ein Stück Stadtbaugeschichte des frühen Wiederaufbaus. Es ist als öffentliches Gebäude ein baulicher Fixpunkt am Rand des Stadtkerns: unmittelbar an der Hauptdurchgangsstraße und am Ende der Promenade. Es ist städtebaulich mit der umliegenden Bebauung sowohl zur Stadt als auch zum Schwanenteich abgestimmt und setzt innerhalb des Stadtgefüges einen städtebaulichen Akzent, ist Orientierungs- und Identifikationspunkt und Blickfang insbesondere aus der Großen Rurstraße von Norden und von der Bahnhofstraße über den Schwanenteich hinweg. Als Backsteinbau in traditioneller und regional gebundener Bauweise ist der Bau ein wichtiges Zeugnis der Architekturgeschichte des Wiederaufbaus von Jülich.

(Elke Janßen-Schnabel, LVR-Amt für Dernkmalpflege im Rheinland, 2019)

Internet
deu.archinform.net: Prof. Hans Mehrtens, Architekt (abgerufen 15.01.2020)

Literatur

Janßen-Schnabel, Elke (2010)
Das "Neue Rathaus" in Jülich. (LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, Heft 4.) S. 179-181. o. O.
Kieser, Marco (1998)
Heimatschutzarchitektur im Wiederaufbau des Rheinlandes. (Beiträge zur Heimatpflege im Rheinland, 4 (zugleich Dissertation Köln 1994).) Köln.
Kreis Jülich (Hrsg.) (1953)
Heimatkalender des Kreises Jülich. S. 23-24, Jülich.

Neues Rathaus in Jülich

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Große Rurstraße 17
Ort
52428 Jülich
Gesetzlich geschütztes Kulturdenkmal
Ortsfestes Denkmal gem. § 3 DSchG NW
Fachsicht(en)
Denkmalpflege
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Übernahme aus externer Fachdatenbank
Historischer Zeitraum
Beginn 1950 bis 1954

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„Neues Rathaus in Jülich”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/BODEON-78937-11062019-293763 (Abgerufen: 27. Juli 2024)
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