Das Gelände des Chemowerks Mückenberg wurde als Reparationsleistung demontiert und im Anschluss als Ort für die Großkokerei ausgewählt, da es hier im engeren Umkreis Brikettfabriken sowie bergbauerfahrene Arbeitskräfte gab. Außerdem wies die Kohle aus den umliegenden Tagebauen einen geringen Asche- und Schwefelgehalt auf, was die Verkokung begünstigte.
Nach nur acht Monaten Bauzeit konnte der erste Koksofen am 14.06.1952 provisorisch den Betrieb aufnehmen. Die benötigten Briketts lieferte die Brikettfabrik Nr. 66. 1953 waren acht Ofeneinheiten mit jeweils 32 Öfen, sechs Kokskühlern und zwei Kondensatoren errichtet und betriebsbereit. Zusätzlich gab es Anlagen zur Gewinnung von Nebenprodukten wie Teer, Öl und Stadtgas.
Voraussetzung für die Verkokung waren Feinstkornbriketts, die in nur wenigen Brikettfabriken hergestellt werden konnten. Hierfür wurde eigens die Brikettfabrik Nr. 64 auf dem Werksgelände des demontierten BUBIAG-Kraftwerks IV erbaut, die neben der Brikettfabrik Nr. 66 weitere Briketts lieferte.
Bevor die Feinstkornbriketts aus den benachbarten Brikettfabriken über Bandstraßen transportiert werden konnten, wurden sie per LKW zu den Tiefbunkern gebracht. Von hier aus ging es über weitere Bandanlagen zu den Ofeneinheiten. Die Ofenstraßen Nord und Süd bestanden aus je zwölf Ofeneinheiten zu je vier Öfen. Zu den Bestandteilen eines Ofens gehörten ein Bunker und sechs Kokskammern zu 0,35 m x 3,00 m x 8,00 m.
Die Briketts wurden in einem vorgelagerten Vortrockner auf ungefähr 100 Grad C erwärmt, bevor die Verkokung dann bei 1.000 bis 1.100 Grad C stattfand, wobei die Briketts jeweils 50 bis 53 Prozent ihres Volumens einbüßten, ihr Heizwert sich aber wesentlich vergrößerte. Aus 350 t Briketts wurden pro Tag 140 t Koks gewonnen. Nach Öffnen der Kokskammerverschlüsse fiel der sogenannte Kokskuchen in einen schienengebundenen Kokskübelwagen, der direkt im Anschluss zur Trockenkühl-Anlage fuhr, damit der Koks nicht weiter brannte. Die Kühlung auf 100 bis 200 Grad C fand zur Bewahrung der Stückigkeit und Abriebfestigkeit mittels Gas statt. Nach der Abkühlung folgte die Aufbereitung und Aussiebung nach ganzen oder gebrochenen Stücken. Zur Erhöhung der Festigkeit wurde der Koks in eine Sulfidlauge getaucht und dann zu den Verladegleisen transportiert – der behandelte, großstückige Koks ebenso wie die unbehandelten, kleineren Koksstücke. Eine Seilrangieranlage erleichterte und verkürzte die Rangierarbeiten.
Beim umgangssprachlichen backen des Koks entstanden Gase, aus denen Nebenprodukte gewonnen werden konnten. Dazu waren verschiedene Anlagen hintereinandergeschaltet, die jeweils mit den Abfallstoffen aus der vorausgehenden Anlage arbeiteten.
Zuerst durchlief das Gas eine der sechs Kondensationsanlagen, in der Teer abgeschieden wurde. Der Teer wurde gesammelt und veräußert. Übrig blieb ein Gas-Wasser-Gemisch, das in der Leichtölgewinnungsanlage um 100 Grad C auf 40 Grad C gekühlt wurde. Bei einem Destillationsverfahren fielen Leicht- und Mittelöle aus, die in separaten Tanks, von denen 20 zur Aufbewahrung von Öl und anderen Flüssigprodukten vorgehalten wurden, aufgefangen wurden. Neben den Ölen entstanden Phenol und phenolhaltige Starkwasser. Das abgeschiedene Phenol wurde zum Teil in Tanks gesammelt und zum Teil dem Leichtöl wieder zugesetzt. Da bei der Kondensation nicht das gesamte Phenol abgeschieden wurde, bildete die Filterung des Starkwassers eine Station. Hierzu hatte man die Turmtropfkörper, heute als Biotürme bekannt (Objektnr. 32002148), konzipiert. In drei Schritten wurde des Starkwasser gefiltert. Bei den ersten beiden Durchläufen rieselte es durch mit Bakterien versetzte Hochofenschlacke, bevor es dann in einem dritten Durchlauf ins Belebtschlammbecken gelangte und, über die Neuteiche und ein Grabensystem gereinigt, der Schwarzen Elster zugeführt wurde.
Nach der Kondensation des Gases folgte die Gasbenzinierung, aus der ebenfalls Leichtöl gewonnen werden konnte. Der nächste Schritt der Gasgemisch-Verarbeitung war die Trockenentschwefelung. Zu diesem Zweck waren 1967 vier Entschwefelungstürme mit einem Durchmesser von 11,80 m in Betrieb genommen worden. Das Gas wurde in den 18,20 m hohen Türmen durch insgesamt 30 Lagen einer speziellen Entschwefelungsmasse geleitet, um den Schwefelgehalt zu senken. Das gereinigte Rohgas musste zuletzt noch in zwei Stufen verdichtet werden. Ein Teil des verdichteten Gases verbrannte über die Gasfackel, deren Spitze heute im Park der Bergbaurelikte (Objektnr. 32001958) zu besichtigen ist. Bei Störungen wurde das gesamte Gas verbrannt. Bei Problemen mit der Befeuerung der Koksöfen konnte das Gas auch hier zum Einsatz kommen.
Von 1960 bis 1962 fanden Bauarbeiten für die letzte Gasverarbeitungsstation, die Rectisolanlage, statt. In dieser Anlage wurden in mehreren Schritten, abhängig von den herrschenden Temperaturen, folgende Stoffe ausgeschieden: Alkohole, Alkane, Ammoniak, Benzinkohlenwasserstoffe, Blausäure, Kohlendioxid, Schwefelwasserstoff und leichtflüchtige, organische Schwefelverbindungen. Das verbleibende Rectisolgas konnte verkauft werden, es wurde zum großen Teil als Stadtgas genutzt, wofür es in eine Gasübergabestation zur Verteilung transportiert wurde.
Arbeitsplätze gab es nicht nur in der Produktion, sondern auch in den Abteilungen Hauptlabor, Instandhaltung, Feuerwehr, Verwaltung und Anschlussbahn. Im Hauptlabor fanden die Qualitätsprüfungen der Produkte statt. Instandhaltungsarbeiten wurden zum Teil von Fremdfirmen unterstützt. Sie erfolgten vor Ort oder in einer der fünf Werkstätten auf dem Betriebsgelände. Der Transport und die Verladung von Flüssigprodukten, Filterasche, Briketts und Koks waren neben den Rangierarbeiten die Aufgaben der Mitarbeiter:innen der Anschlussbahn. Hierzu waren insgesamt 17,70 km Gleisnetz und 78 Weichen auf dem Gelände der Großkokerei verlegt.
Nach der politischen Wende wurde die Kokerei aus wirtschaftlichen und ökologischen Gründen stillgelegt. Der letzte Koks wurde am 26.09.1991 gebacken; die Stilllegung der einzelnen Anlagen erfolgte schrittweise, ebenso der Rückbau, der bereits im Juli 1991 begann. Einige Nebenanlagen, wie die Entphenolung bzw. die Turmtropfkörper, mussten die Verarbeitung der Produkte abrissbegleitend noch einige Zeit fortführen, sodass sich der Rückbau bis 2002 hinzog. 1999 begannen die Arbeiten zur Sanierung des durch die Produktion kontaminierten Bodens, unter anderem mit der Errichtung eines Bodenumlagerungsbauwerks und somit der Abtrennung des Bodens. Die Sanierung der Neuteiche und des Grundwassers war ebenfalls wesentlicher Bestandteil der Nacharbeiten; ihr gingen gründliche Analysen voraus. Die Oberflächensanierung konnte 2011 abgeschlossen werden, die Neuteiche (Objektnr. 32002624) gingen saniert in den Besitz des Naturschutzbundes über, während die Turmtropfkörper die Grundwassersanierung bis 2002 unterstützten. Als ehemaliges Projekt der Internationalen Bauausstellung (IBA) Fürst-Pückler-Land sind sie heute die einzigen sichtbaren Zeitzeugen der Kokerei. Die Grundwassersanierung besteht seit der Stilllegung der Filterung aus einem aktiven Teil, einer MPPE-Anlage, und einem passiven Teil. Bei ersterem werden unter Zugabe von Extraktionsmitteln Schadstoffe aus dem Grundwasser gelöst. Der passive Teil besteht aus der kontrollierten Abströmung des Grundwassers durch einen Aktivkohlefilter und gleichzeitiger Abschottung von umliegenden Gebieten an allen Stellen ohne Filter. Verschiedene Messstellen ermöglichen ein Monitoring von Maßnahmen und Wasserqualität.
Die ehemalige Großkokerei ist ein bedeutendes Zeugnis für die Eigenversorgung der DDR mit Rohstoffen und für den dazu notwendigen Erfindungsdrang. Eine Verkokung von Braunkohle war weltweit einmalig, da zumeist die für die Verkokung besser geeignete Steinkohle selbst gewonnen bzw. importiert werden konnte.
Datierung:
- Erbauung: 1951
- Betriebsbeginn: 1952
- Betriebsbeginn: 1958/59
- Stilllegung: 30.10.1991
Quellen/Literaturangaben:
- Frank N. Nagel: Türme-Schornsteine Industie-Mühlen Land-Art; Bedeutung und Bewertung von Landmarken in der Kulturlandschaft S.37ff M. Baxmann: Castel del Monte oder Symbole einer devastierten Industrie-die Biotürme Lauchhamer, Hamburg 2006
- Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft:Plessa/Lauchhammer/Schwarzheide, Senftenberg 2016
- https://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/infosysteme/beast/verfahren?id=105
- LMBV mbH VS 3 Planung Mitte: Kurzbericht für das Jahr 2021 zum Realisierungsstand des Abschlussbetriebsplans.Kokerei Lauchhammer - 1995 bis Ende der Sanierung, Senftenberg 2022
BKM-Nummer: 32002123
(Erfassungsprojekt Lausitz, BLDAM 2023)