Die Biotürme gingen in den Jahren 1950 bis 1957 nach und nach in Betrieb. Die Turmtropfkörper dienten in der technologischen Kette des Kokereibetriebs der Beseitigung der Restphenole aus dem kontaminierten, zuvor verdünnten Kokereiabwasser. Sie wurden speziell für das Klärverfahren der Kokerei konzipiert - üblicherweise werden solche Reinigungsverfahren in Becken vorgenommen. Teilweise wurden phenolhaltige Abwässer zu dieser Zeit auch noch auf Feldern verrieselt. Drei Schichten aus Hochofenschlacke mit einer Mächtigkeit von 5 bis 8,5 m bildeten dabei das Filtermaterial; darin enthaltene Bakterien zersetzten die Phenole. Nach der Betriebsstilllegung 1989 dienten die Biotürme bis Ende 2002 der Grundwasserreinigung während der Sanierung des ehemaligen Kokereigeländes durch die LMBV GmbH. Seit dem 22.11.1996 stehen die sechs Turmtropfkörpergruppen sowie das danebenliegende Belebtschlammbecken aufgrund ihrer technik-, industrie- und wirtschaftsgeschichtlichen sowie ihrer städtebaulichen Bedeutung unter Denkmalschutz.
Die 24 Ziegeltürme von 22 m Höhe stehen an der heutigen Finsterwalder Straße, nahe dem Eingang zum Gelände der ehemaligen Großkokerei. Sie sind in sechs Gruppen angeordnet. Innerhalb der einzelnen Türme befinden sich jeweils drei Decken, auf denen die Schlacke zur Filterung der Abwässer lagerte. Auch heute ist die Schlacke auf den beiden unteren Ebenen der Türme noch vorhanden. Das Fundament der ziegelsichtigen Röhren bilden 45 cm hohe, bewehrte Stahlbetonfüße, die zur Belüftung umlaufende Öffnungen besitzen. Jeweils vier konische Ziegeltürme sind durch einen rechteckigen, ziegelsichtigen Baukörper verbunden, in dem sich ein Treppenhaus mit Stahlbetontreppenläufen befindet. Den oberen Abschluss der Treppenhäuser bildet eine Stahlbetondecke. Im Zentrum der Treppenhäuser verläuft jeweils eine stählerne Steigrohrleitung, die zu einer Rohrspinne führt. Über die anschließenden Rohre wurden die zu reinigenden Abwässer in die Türme weitergeleitet. Eine der Turmtropfkörpergruppen wurde zur Begehung mit zwei stählernen, verglasten Aussichtsplattformen ausgestattet, zusätzlich mit einem Aufgang in einem der Türme versehen und besucherfreundlich saniert. Von den Plattformen und dem oberen Abschluss des Turms bietet sich ein Blick auf das ehemalige Kokereigelände und die anderen Türme.
Bei näherer Betrachtung fallen noch zwei weitere Besonderheiten auf. Zum einen stehen zwei Turmtropfkörpergruppen etwas abgerückt von den anderen vier. Der Grund ist ein rückgebautes Pumpenhaus zur Beförderung des Wassers. Es wurde im Zuge des Kokerei-Rückbaus mit abgetragen. Die zweite Besonderheit stellt das ehemalige Belebtschlammbecken dar, in welches das gefilterte Industriewasser geleitet wurde, um dann über die letzte Zwischenstation, die nahe gelegenen Neuteiche, in die Schwarze Elster zu gelangen.
Das Becken aus Stahlbeton hat die Abmessungen 68,65 m x 8,50 m x 5,15 m. Es liegt 4,6 m über der Geländeoberkante und ist von einem Erdwall eingefasst, der durch je eine Treppenanlage an der Nord- und der Westseite betreten werden kann. Das Becken selbst wird durch eine Stahlbetonwand, auf der sich eine Rohrkonstruktion zum Einfüllen des zu reinigenden Wassers befindet, der Länge nach zweigeteilt.
Seit der Stilllegung entstand durch die Ansammlung von Regenwasser ein Gewässer, in dem sich mittlerweile ein Biotop mit Seerosen, Fischen und Fröschen gebildet hat.
Die Aussichtsplattformen wurden während der Sanierung im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) Fürst-Pückler-Land bis 2008 hinzugefügt. Die sanierten Biotürme sollen nach dem Leitbild der IBA, dem Castel del Monte, einem apulischen Staufer-Schloss aus dem 12. Jh., ähnlich, als eines der wenigen noch erhaltenen Monumentalbauwerke der ehemals die Region prägenden Braunkohleindustrie in Lauchhammer eine Landmarke bilden. Als begehbares Energieerbe sind sie Teil der Energie-Route Lausitz.
Datierung:
- Entstehung: 1950-1957
- Denkmalschutz: 1996
- Sanierung: 2006-2008
Quellen/Literaturangaben:
- BBSR. Biotürme Lauchhammer. Castel del Monte der Lausitz, Bonn. URL: https://www.internationale-bauausstellungen.de/geschichte/2000-2010-iba-fuerst-pueckler-land-werkstatt-fuer-neue-landschaften/biotuerme-lauchhammer-castel-del-monte-der-lausitz/ (13.07.2022).
- Traditionsverein Braunkohle Lauchhammer e.V.
- Biotürme Lauchhammer gGmbH
- Jähne&Göpfert Ingenieurbüro GmbH (Hg.). Bauzustandsgutachten Bio-Türme der ehemaligen Kokerei in Lauchhammer, Cottbus, 2004.
- IBA Studierhaus Lausitzer Seenland e.V. (Hg.). Projekt 5: Biotürme Lauchhammer, Castel del Monte der Lausitz, Großräschen, o.J., URL: http://www.iba-see2010.de/de/verstehen/projekte/projekt4.html (18.07.2022).
BKM-Nummer: 32002148
(Erfassungsprojekt Lausitz, BLDAM 2023)