Kraftwerk Alt-Lippendorf

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Denkmalpflege
Gemeinde(n): Neukieritzsch
Kreis(e): Leipzig
Bundesland: Sachsen
Koordinate WGS84 51° 10′ 34,28″ N: 12° 22′ 31,1″ O 51,17619°N: 12,37531°O
Koordinate UTM 33.316.538,35 m: 5.672.692,93 m
Koordinate Gauss/Krüger 4.526.351,06 m: 5.671.311,92 m
  • Altkraftwerk Lippendorf, Schrägluftbild von Süden mit den Altbauten im Vordergrund des Kraftwerks Lippendorf

    Altkraftwerk Lippendorf, Schrägluftbild von Süden mit den Altbauten im Vordergrund des Kraftwerks Lippendorf

    Fotograf/Urheber:
    Ronald Heynowski
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Südlich unmittelbar an das Gelände des Kraftwerks Lippendorf angrenzend befindet sich das Areal des Vorgängerkraftwerks. Von den früheren Bauten der zweiten Kraftwerksgeneration am Standort Böhlen-Lippendorf sind nur noch wenige Funktionsgebäude erhalten, wovon das Verwaltungsgebäude mit angeschlossenem Hallenbau, ein Garagengebäude und zwei Werkhallen in Nutzung sind. Reste des Grabenbunkers und das Hauptpumpenhaus mit Reinigungsbecken und Nebengebäuden sind dem Verfall Preis gegeben und vermitteln noch einen Eindruck der Größe der Anlage und Verteilung der Kraftwerksbestandteile.
Die ab Mitte der 1920er Jahre entstandenen Bauten und technischen Einrichtungen des ersten Kraftwerks in Böhlen, das als Industriekraftwerk für die angeschlossenen Veredelungsanlagen diente, hatten nach über 30 Jahren Laufzeit und Reparaturmaßnahmen der Zerstörungen durch den Zweiten Weltkrieg ihre vorgesehene Nutzungsdauer schon längst überschritten. Der Modernisierungs- und Investitionsstau, verbunden mit einem gesteigerten Energiebedarf und Unabhängigkeitsbestreben von der UdSSR hatte bereits Ende der 1950er Jahre zu Überlegungen zum Bau eines neuen Kraftwerks geführt. Die Anfang der 1960er Jahre geführte Standortdiskussion um ein geplantes Großkraftwerk mit einem Flächenbedarf von über 600.000 qm führte vor dem Hintergrund nicht in dem Maße verfügbarer Flächen und zu erwartender Überschreitung lufthygienischer Grenzwerte zu einer Kompromisslösung: Statt eines 1.200-MW-Kraftwerks einigte man sich 1963 auf ein 800-MW-Kraftwerk sowjetischer Bauart in Thierbach und ein Kraftwerk mit 600 MW aus DDR-Produktion in Lippendorf. Die Wahl des Standortes nahe der Anlage in Böhlen hatte den Vorteil, dass die vorhandene Infrastruktur und Versorgungseinrichtungen weitergenutzt werden konnten. Anstelle eines reinen Industriekraftwerks wurde ein kombiniertes Großkraftwerk geplant, mit einem Kondensationskraftwerk mit 400 MW Leistung für die Landesstromversorgung und einem 200-MW-Industriekraftwerk im Gegendruckbetrieb zur Versorgung des Kombinats Böhlen mit Elektroenergie und Dampf.
Für den Bau des neuen Kraftwerks südlich des Böhlener Industriekomplexes wurden ab 1964 das Dorf Stahnsdorf und Teile von Lippendorf abgebrochen und die Einwohner nach Borna umgesiedelt. 1965 begann die Baufeldfreimachung mit der Verlegung wasserwirtschaftlicher Anlagen des Kombinats und elektrischer Versorgungstrassen des nahen Ferrolegierungswerkes bevor am 18. April 1966 die Grundsteinlegung erfolgte. Ein eigens errichtetes Wohnlager mit Holzbaracken diente den zahlreichen Bauarbeitern als Unterkunft. Die ersten Bauarbeiten starteten 1966 am Verwaltungsgebäude, mit der Fundamentierung des 113 Meter hohen Kühlturm 1 und des 300 Meter hohen Schornsteins - zur Bauzeit der höchste Massivbau der DDR. Zwischen Dezember 1968 und April 1972 gingen schrittweise die Blöcke 1 bis 4 sowie Dampferzeuger und Turbinen ans Netz. Technische Störungen in der Anfangsphase machten umfangreiche Stabilisierungsmaßnahmen notwendig, die bereits 1973 zur Stilllegung und Schadensbeseitigung führten. Probleme traten in allen Betriebsbereichen von den Dampfkesseln über die Elektrofilter bis hin zu den Saugzugventilatoren auf, so dass ein hoher Verschleiß und eine enorme Umweltverschmutzung zu beklagen waren. Positiv wirkte sich die Einführung eines Prozessrechnersystems auf eine wärmewirtschaftliche und effiziente Anlagensteuerung aus, die in den 1980er Jahren noch einmal erneuert wurde.
Nach der politischen Wende kam es zu umfangreiche Umstrukturierungsmaßnahmen auch im Energiesektor. Ein Weiterbetrieb der volkseigenen Braunkohlenkraftwerke fand 1993 mit Zusammenschluss der Kraftwerke Lippendorf und Thierbach unter der VEAG als Rechtsnachfolgerin der ehemaligen Kombinate statt. Aufgrund der hohen Investitionskosten unter anderem für die Nachrüstung einer Rauchgasentschwefelungsanlage bei Gestattung des Weiterbetriebs bis 1999/2000 führten zur Entscheidung, das Kraftwerk stillzulegen. Der Kampf um den Erhalt des Energiestandortes Lippendorf erbrachte schließlich den Beschluss zum Bau eines neuen Kraftwerks, das im Sommer 2000 in Betrieb ging. Bis dahin war der Weiterbetrieb des Altkraftwerks gesichert. Die durch den Rückgang karbochemischer Erzeuger am Ort freiwerdende Heizdampfkapazitäten konnten als Fernwärme für die Stadt Leipzig geführt werden. Ab 1997 begann schrittweise die Stilllegung des Kraftwerks, das 1.300 Beschäftigten einen Arbeitsplatz bot. Abgesehen vom Potential der brachliegenden Fläche des Altkraftwerks für den vorgesehenen Bau der vierten Kraftwerksgeneration ist den noch erhaltenen Bauten und Anlagen eine technische, industrie- und ortsgeschichtliche Bedeutung zuzuschreiben

(Nils Schinker, Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, 2024)

Datierung:
  • Erbauung 1965–1972 (Kraftwerk)

Quellen/Literaturangaben:
  • Christliches Umweltseminar Rötha e. V./Kulturbüro Espenhain (Hgg.): Braunkohle-Energie-Chemie. 80 Jahre Industrieentwicklung am Standort Böhlen-Lippendorf; Südraum Journal 15. Leipzig 2004.
  • VEAG Vereinigte Energiewerke AG/Kraftwerk Lippendorf-Thierbach (Hgg.): Kraftwerk Lippendorf 1969 bis 2000 Produktion von Elektroenergie und Wärme; Borna 2000.
  • Wagenbreth, Otfried: Die Braunkohlenindustrie in Mitteldeutschland. Geologie, Geschichte, Sachzeugen; Beucha/Markkleeberg 2011, S. 137-140.

Bauherr / Auftraggeber:
  • Bauherr: VEB Kombinat Böhlen
  • Entwurf: Energieprojektierung Berlin (Generalprojektant), Projektierung Kondensationskraftwerk: VVB Braunkohle, Projektierung Industriekraftwerk: VVB Mineralöle

BKM-Nummer: 30100225

Kraftwerk Alt-Lippendorf

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Ort
Lippendorf
Fachsicht(en)
Denkmalpflege
Erfassungsmaßstab
Keine Angabe
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„Kraftwerk Alt-Lippendorf”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/BKM-30100225 (Abgerufen: 28. März 2025)
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