Eine West-Ost Verkehrsverbindung zwischen den Flüssen Maas und Rhein kann am unteren Niederrhein durch die Lage von Gräbern erschlossen werden. Unweit der Mündung der Niers in die Maas dürfte ein Naturpfad auf dem nördlichen Niersufer – die heutigen Gemeindegebiete Kranenburg, Goch und Weeze passierend – Richtung Südwesten verlaufen sein, der dann in nördlicher Richtung abbog und im heutigen Gemeindegebiet Kalkar die Niederterrassenfläche des Rheins erreichte. Hier ist ein etwa 1 km breiter Korridor beiderseits des Naturweges erkennbar, in dem die vorgeschichtliche Besiedlungs- und Verkehrsinfrastruktur mit Handels- und Stapelplätzen, wie ein bereits ergrabener Platz bei Weeze-Baal zeigt, sowie Siedlungen, Bachquerungen und weitere Gräber anzunehmen sind. Bereits für die Altsteinzeit sind Einzelfunde aus dem Raum Kessel bekannt. An der Nordgrenze erstrecken sich entlang dem Dünenrücken mehrere Grabhügelfelder, die vom Neolithikum bis in die Eisenzeit hinein datieren. In einem ausgegrabenen Hügel bei Asperden konnten 26 Gräber (2500 bis 1700 v. Chr.) festgestellt werden. Sie bildet einen Teil einer langen Aufreihung von Grabhügeln und Siedlungen, die sich am Nordufer der Niers entlang zieht und auf eine alte Fernstraße zwischen Rhein und Maas hindeutet. Auch von der Ebene sind vereinzelte eisenzeitliche Gräber bekannt, z.B. östlich von Kessel.
Für das 2. und 3. Jahrhundert sind einige römischen Siedlungsstellen in der Ebene nachgewiesen worden, z.B. in Hamm, Viller, Nergena und Kessel. Das signifikanteste Bodendenkmal an der Niers stellt das spätrömische Kleinkastell (Burgus) von Asperden dar, das zwischen ca. 365 und 405 n. Chr. oberhalb der Ebene die Verkehrsverbindungen zur Straße und zum Wasser kontrollierte. Angeschlossen war auch eine Glasherstellung, eine von nur zwei spätantiken Glasbetrieben, die bislang in Deutschland bekannt geworden sind. Fränkische Funde sind aus Asperden, Hülm und vorwiegend aus Kessel bekannt. Kessel soll im Jahre 980 der Schauplatz für die Geburt des späteren Kaisers Otto III. gewesen sein, als die Kaiserin Theophanu zu ihrer Lieblingspfalz in Nijmegen unterwegs war.
Im Hochmittelalter (9. bis 12. Jahrhundert) entstanden am Rande der Niederterrasse der mäandrierenden Kendel die noch heute die Siedlungsstruktur prägenden Weiler Hülm, Boeckelt und Oberhelsum mit den dazwischen liegenden Einzelgehöften. Der Hülmer Deich stellt eine hochmittelalterliche Siedlungsachse mit Persistenz bis heute dar.
Ackerbau prägte traditionell die deutlich erkennbare Niederterrasse und Grünland die Kendelaue mit Resten von Auenwäldern und -gehölzen. Gaesdonk wurde als Augustiner Chorherrenkloster 1406 gegründet, 1802 säkularisiert und ist seit 1849 die Internatschule Collegium Augustinianum.
Das gesamte Siedlungsgefüge mit den traditionellen Landnutzungsformen der Aue und Niederterrasse ist mit linearen Baum- und Heckenreihen sowie kleinen Auenwäldern von charakteristischer Eigenart. Die deutliche Hofreihung am Rand der Niederterrasse zur Kendel hin ist in dieser Prägnanz ein charakteristisches Merkmal einer gewachsenen Kulturlandschaft. Reste der mittelalterlichen Burganlagen Driesberg und Nergena, die historische Ortschaft und Reste des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Graefenthal, die Aspermühle und der Industriekomplex Viller sind weitere bedeutende Elemente des Niers-Kendel-Gebietes. Als typischer niederrheinischer Landschaftsausschnitt mit hohem historischem, kunsthistorischem und siedlungsgeschichtlichem Wert ist er von überregionaler Bedeutung.
Spezifische Ziele und Leitbilder:
- Bewahrung der archäologischen Substanz;
- extensive Landnutzung;
- Erhalt der Feuchtböden als Bodenarchiv.
Aus: Landschaftsverband Westfalen-Lippe und Landschaftsverband Rheinland (Hrsg.): Kulturlandschaftlicher Fachbeitrag zur Landesplanung in Nordrhein-Westfalen. Münster, Köln. 2007
Internet
Kulturlandschaften in NRW (Abgerufen: 03.04.2018)