Die Siedlungskammer Xanten stellt einen Kulturlandschaftsbereich dar, der einen über mehrere Jahrtausende währenden Besiedlungsprozess am unteren Niederrhein repräsentiert. Xanten ist die einzige unbebaute römische Kolonie nördlich der Alpen, das größte heute unbebaute römische Legionslager weltweit und damit die größte Konzentration von unberührter römischer Substanz in Nordrhein-Westfalen. Es ist ein Beispiel für Synkretismus und Assimilation zwischen Einheimischen und Römischen an der römischen Reichsgrenze. Einzigartig in Deutschland ist die römische Stadtwüstung und die an der gleichen Stelle entstandene mittelalterliche Stadt.
Bereits aus der Jungsteinzeit sind Siedlungsspuren, Töpfereiprodukte und Steinwerkzeuge aus Xanten und den umliegenden Orten (z.B. Alpen) bekannt.
Während bronzezeitliche Siedlungen komplett fehlen, sind eisenzeitliche Siedlungsspuren aus der Colonia Ulpia Traiana, aus Alpen-Veen und Kalkar nachgewiesen. Häufiger kommen Gräber mit Geräten, Werkzeugen, Waffen und Schmuck als Beigaben vor. Hierbei handelt es sich fast ausnahmslos um Feuerbestattungen. Viele Gräber lagen ursprünglich unter Erdhügeln, die später jedoch wahrscheinlich im Vorfeld der römischen Siedlungsaktivitäten einplaniert wurden. Weitere eisenzeitliche Bestattungen sind aus dem Bereich unterhalb des Xantener Doms und aus Xanten-Marienbaum bekannt.
Im Jahre 12 v. Chr. waren römische Truppen unter Drusus bis in den Xantener Raum vorgerückt. Auf einer heute Fürstenberg genannten, rund 50 Meter über der Ebene gelegenen Endmoräne aus der vorletzten Eiszeit errichteten sie ein Militärlager, das Legionslager Vetera Castra (12 v. Chr. bis 69/79 n. Chr.). Das Lager wurde im Jahre 70 n. Chr. im Zuge des Bataveraufstandes zerstört. Eine neue Militäranlage entstand anschließend nicht auf dem Fürstenberg, sondern auf einem in östlicher Richtung gelegenen Gebiet in der Nähe des Rheins (Legionslager Vetera Castra II). Um 100 n. Chr. wurde einige Kilometer nordwestlich von Vetera II die Colonia Ulpia Traiana (CUT) gegründet. Das Siedlungsareal lag auf einem erhöhten Landrücken. Es wurde im Nordosten durch einen Rheinarm des zu jener Zeit verzweigten Flusssystems begrenzt. Im Westen befand sich eine sumpfige Bruchlandschaft, ein Überbleibsel des späteiszeitlichen Rheins. Die Stadt hatte sich in ihrer Blütezeit in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts als überregionaler Handelsplatz etabliert. Um 45 n. Chr. wurde der Rheinhafen mit hölzernen Kaianlagen ausgebaut. In seiner Umgebung konnten zahlreiche Handwerksbetriebe sowie eine Legionsziegelei nachgewiesen werden. Für die Errichtung der Gebäude der CUT transportierte man Kalk- und Sandstein, Grauwacke und Schiefer sowie Tuff, Basalt und Trachyt per Schiff über Mosel und Rhein vom Liedberg südöstlich von Neuss, aus dem Siebengebirge und der Eifel heran. Für die öffentlichen Verwaltungsgebäude und Heiligtümer wurde sogar Marmor aus Norditalien, Griechenland und Nordafrika importiert. Es entstand eine 73 Hektar große, befestigte Planstadt mit einem rechtwinkligen Straßensystem und insgesamt 40 Wohn- und Gewerbevierteln. Diese sog. Insulae waren im Südwestteil der Stadt mit 120 x 120 Meter gleich groß, passten sich jedoch im Nordosten dem Flussbett mit dem Hafen an. Neben der Wohnbebauung gab es Handwerksbetriebe, zahlreiche Tempel, ein großes Bad, eine Herberge sowie ein Amphitheater mit rund 10.000 Sitzplätzen. Kurz nach der Gründung der CUT begann man mit der Erbauung der Stadtmauer. Die ersten Abschnitte der 3,4 Kilometer langen Befestigung entstanden im Nordosten. An den Landseiten gab es große Torbauten; an der Rheinseite sind einige kleinere Tore archäologisch nachgewiesen. Der Hafenkai wurde in den 30er Jahren des 2. Jahrhunderts ausgebessert sowie erhöht. Einige Jahre später erbaute man eine 30 Meter lange Landungsbrücke, die im rechten Winkel vom Kai her in das Hafenbecken hineinragte. Nachdem der Rheinarm immer mehr verlandete und schließlich nicht mehr schiffbar war, wurde der Hafen um das Jahr 175 schließlich aufgegeben.
Nach der Zerstörung der CUT durch die Franken im Jahre 276 wurde wenig später auf ihrem ehemaligen Kerngebiet eine verkleinerte Stadtanlage errichtet. Ihre Fläche umfasste nur noch 16 Hektar und sie war durch eine mächtige Mauer mit 48 Türmen sowie zwei vorgelagerten Gräben befestigt. Es handelt sich hier um die sog. Tricensimae, deren Name sich von der schon seit ca. 120 in Vetera II stationierten 30. Legion ableitet. Sie bewohnte die kleine Befestigung, der sie ihren Namen gab, fortan zusammen mit der zivilen Restbevölkerung. Im Jahre 352 im Zuge eines Aufstandes zerstört, wurde die Stadt um 359/60 wieder aufgebaut. Im 5. Jahrhundert endete die römische Herrschaft am Niederrhein und sie wurde endgültig aufgegeben.
Es gab ein gut ausgebautes Fernstraßennetz. So führte die so genannte Limesstraße von Süden nach Norden mitten durch das heutige Xanten. Die römischen Friedhöfe wurden einem alten Gesetz zufolge außerhalb der Ansiedlungen und Städte entlang der Ausfallstraßen angelegt. Durch den Fund mehrerer großer Lastschiffe vor den Toren der Stadt ist die Bedeutung des Rheins als Wasserstraße für die Binnenschifffahrt am Unteren Niederrhein nachgewiesen. Die Wasserversorgung der römischen Militärlager und Ortschaften war durch massiv gebaute, über lange Entfernungen verlegte Leitungen gewährleistet.
Im Frühmittelalter existierte im Bereich des späteren Xantener Domes ein fränkisches Gräberfeld, was nur durch eine in der Nähe existierende fränkische Siedlung erklärbar ist.
Die heutige Stadt Xanten (ab 1228) ist in ihrer Entwicklung engstens mit dem bis in die Karolingerzeit zurückreichenden Kanonikerstift verbunden. Trotz schwerster Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg präsentiert sich die Stadt (älteste mittelalterliche Stadtgründung am linken Niederrhein als Fortführung einer Siedlung am werdenden Stift seit mindestens dem 6. Jahrhundert) mit markanter Silhouette, insbesondere von Osten und Nordosten über das freie Gelände der ehemaligen Wall- und Grabenzone hinweg. Der sich im Stadtbild deutlich abzeichnende ehemalige Immunitätsbereich vermittelt mit Kirche, Stiftsbauten und dem Kranz der Kanonikerhäuser in seltener Anschaulichkeit den Baubestand eines mittelalterlichen Kanonikerstiftes (siehe Viktorstift in Xanten).
Wegen der architektonischen Ausprägung und der kostbaren Ausstattung muss die gotische Stiftskirche (Dom) zu den kulturhistorisch hervorragenden Sakralbauten des Rheinlandes gerechnet werden. Während der bürgerliche Wohnbau bis auf einzelne, aber aussagekräftige spätgotische und barocke Häuser vernichtet wurde, ist das mittelalterliche Straßennetz und der an der Längenausdehnung des Stiftbereiches orientierte und daher großzügig bemessene Marktplatz erhalten geblieben. Dies gilt auch für den von Resten der Stadtmauer umsäumten Stadtgrundriss. Seine längsrechteckige Form ist das Ergebnis einer Siedlungskonzentration infolge einer 1389 durchgeführten fortifikatorischen Maßnahme, von deren weiterer Entwicklung insbesondere die eindrucksvolle Doppeltoranlage des Klever Tores zeugt.
Spezifische Ziele und Leitbilder:
- Bewahrung der archäologischen Substanz als Bodenarchiv;
- Erhalt der historischen Siedlungskerne;
- Erhalt der Moore und der Plaggenesche;
- keine weiteren Siedlungsflächenausweisungen und Ausweisungen von Rohstoffgewinnungsflächen;
- Infrastrukturmaßnahmen nur außerhalb der wertbestimmenden Bereiche (römische Stadt, Lager, Limesstraße, Bestattungen, Wasserleitung, Hafen, Altrheine, Übungslager; Birten mit römischem Lager, Amphitheater, Gräberfeldern; mittelalterliche Stadt; Dom mit Immunität; Sprengstofffabrik des 20. Jahrhunderts in der Hees).
Aus: Landschaftsverband Westfalen-Lippe und Landschaftsverband Rheinland (Hrsg.): Kulturlandschaftlicher Fachbeitrag zur Landesplanung in Nordrhein-Westfalen. Münster, Köln. 2007
Internet
Kulturlandschaften in NRW (Abgerufen: 21.05.2013)
www.rheinische-geschichte.lvr.de: Biographie Marcus Ulpius Traianus (Abgerufen: 18.12.2013)