Historie Kopfweiden sind eines der bedeutendsten Kulturlandschaftselemente des Unteren Niederrheins. Sie dienten seit Alters her auf vielfältige Weise den Menschen. So nutzten sie beispielsweise die Weidenruten als stabilisierendes Grundgerüst in den Lehmwänden ihrer Häuser, stellten Korbwaren aus ihnen her oder sogar Schmerzmittel aus ihrer Rinde. Die Nutzung der Kopfweide war am Niederrhein weit verbreitet und schuf landauf und landab das typische niederrheinische Landschaftsbild. Die Kopfweiden wurden in der Regel entlang von Wassergräben, Bächen und zur Kennzeichnung an Grundstücksgrenzen entlang in Reihen oder als Allen gepflanzt. Auch wurden sie gerne an die Ufer von Teichen, wie Mühlstauen, oder an Kolke und Rheinaltarme im Grünland der Rheinaue gesetzt. Die anspruchslosen Weiden gedeihen an diesen oft sehr feuchten Standorten gut und ausdauernd. Gelegentlich wurden auch Eschen und Pappeln durch gezieltes Schneiden zu Kopfbäumen entwickelt. In den waldarmen Gebieten des Unteren Niederrheins hat das Schneiden der Weiden, auch Schneiteln genannt, eine lange Tradition. Diese Art der Nutzung verschaffte der Bevölkerung einerseits den wichtigen Rohstoff Holz als Nutz-, Bau- und Brandholz, und durch die Kopfausbildung wurde das Nutzungsgrünland wenig eingeschränkt und der frische Austrieb war dem Äsungsbereich des Weideviehs entzogen. Außerdem konnten die Bäume so als Schattenspender auf den Viehweiden (Hutebaum) in den baumlosen Grünlandbereichen der Niederrheinischen Auen dienen. Durch das gestufte System der Nutzung erreichten die Kopfbäume ein hohes Alter mit enormen Stammdurchmessern und entsprechenden ausladenden Köpfen. Diese Weidenköpfe konnten dann in regelmäßigen Abständen ertragreich beerntet werden.
Biotop- und Artenschutz Darüber hinaus haben über Jahrzehnte wenn nicht Jahrhunderte genutzte Kopfbäume eine hohe Bedeutung nicht nur für das Landschaftsbild, sondern auch für den Biotop- und Artenschutz. Vor allem die alten Kopfweiden mit großem Stammumfang und ausladenden Kronen waren und sind bei einer großen Zahl von Insekten, Vögeln und Säugetieren beliebte Rückzugs-, Aufenthalts- und Brutorte. Die höhlenreichen Baumstämme werden vor allem vom Steinkauz (Athene noctua) als Bruthabitat genutzt. Für diese kleine Eulenart bildet der Niederrhein einen Verbreitungsschwerpunkt - über 50% des bundesdeutschen Brutbestandes brütet in Nordrhein-Westfalen. Der Steinkauz ist der Charaktervogel der niederrheinischen Kopfweiden. Außer dem Steinkauz ziehen weitere Vogelarten der Roten Liste wie beispielsweise Hohltaube, Gartenrotschwanz und Feldsperling bevorzugt ihre Jungen in Kopfbaumhöhlen auf.
Aufgabe der traditionellen Nutzung Die alten Kopfweiden können nur erhalten werden, wenn sie regelmäßig durch Schneiteln gepflegt werden, worunter man die Wegnahme der jungen noch biegsamen Weidenruten in einem Zeitabstand von ca. sieben Jahren versteht. In den 60er und 70er Jahre des 20. Jahrhunderts ging die vielfältige Nutzung der Weiden und damit auch ihre Pflege verloren. Werden aber Kopfbäume nicht mehr regelmäßig geschneitelt, droht der Kopf unter der großen Last der nachwachsenden Äste auseinander zu brechen. Brechen mehrere Kopfteile der Weide ab, stirbt meist der gesamte Kopfbaum durch eindringende Feuchtigkeit und Fäulnisbefall ab.
Erhaltung durch Pflege Die Arbeit des Schneitelns wird heute vielerorts und so auch im Kreis Viersen durch Privatpersonen, verschiedenste Naturschutzvereine und ehrenamtliche Gruppierungen durchgeführt. Aber trotz großer Bemühungen um dieses landschaftsprägende Element mit einem hohen Stellenwert für das typische Erscheinungsbild der niederrheinischen Kulturlandschaft und ihrem hohen Naturschutzwert verschwinden Kopfweiden mehr und mehr aus der Landschaft. Dieses geschieht zunächst oft unbemerkt und verbotenerweise. Oft kann in solchen Fällen kein eindeutiger Nachweis über das frühere Vorhandensein dieser Bäume mehr geführt werden. Abhilfe soll hier die Erstellung und Fortschreibung von Kopfweidenkatastern schaffen. Eine derartige Datenbank ist eine dringende Voraussetzung, um einem weiteren Schwund der Kopfweiden entgegen zu wirken, sei es durch unterlassene Pflege oder auch durch das Entfernen ganzer Bäume oder Baumreihen. Im Kataster werden die Bäume parzellen- und einzelbaumscharf erfasst. Außerdem sind Besonderheiten wie ungefähres Alter und vor allem der Pflegebedarf aufgenommen.
(Ansgar Reichmann, Biologische Station Krickenbecker Seen e.V., 2017)
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