Verändert sich die politische Lage auf dramatische Weise, bleiben die alten Stätten der Macht oft als sonderbare Überbleibsel einer vergangenen Epoche zurück. So erging es auch dem kurfürstlichen Schloss in Bonn, nachdem die Stadt durch das revolutionäre Frankreich besetzt worden war. Für die ehemalige Residenz der Kurfürsten von Köln begann eine unruhige Zeit.
Der Kurfürst flieht Es war der 3. Oktober des Jahres 1794, dass der Kölner Kurfürst Max Franz von Österreich (1756-1801, Erzbischof und Kurfürst von Köln 1784-1801) ein letztes Mal seine Untertanen, die sich auf dem Marktplatz versammelt hatten, von der Treppe des Rathauses segnete und anschließend über den Rhein in den westfälischen Teil seines Herrschaftsgebiet floh. Nur fünf Tage später rückten französische Dragoner in Bonn ein. Die Franzosen sollten für zwei Jahrzehnte bleiben. Die französische Besetzung Bonns stellte für ihre Zeitgenossen einen drastischen Bruch dar, insbesondere nachdem die Stadt im Februar 1801 infolge des Friedens zu Lunéville endgültig an Frankreich zu fallen schien und im Juli des selben Jahres mit Max Franz alle Hoffnungen starben, zum Status quo zurückkehren zu können. Innerhalb weniger Jahre wurde aus der Haupt- und Residenzstadt Kurkölns, einer Stadt, die im Großen und Ganzen vom Hof lebte, eine unbedeutende französische Bezirksstadt. Die Bevölkerung schrumpfte erheblich. Die die blieben, drohten zu verarmen. In einem Reisebericht von 1800 heißt es: „Jetzt ist Bonn ein todter stiller Ort, der nichts mehr hat, was den Fremden noch anziehen könnte, als die Ruinen seines ehemaligen Glanzes.“ Noch im Jahr der Besetzung durch die Franzosen entging das Schloss siebzehn Jahre nach der Katastrophe von 1777 knapp einem weiteren Großbrand. In einem Saal des Schlosses war ein Kochfeuer entzündet worden, das rasch den gesamten Raum erfasste, der aber noch rechtzeitig gelöscht werden konnte.
Französischer Erfindungsreichtum Für die neuen Schlossherren stellte sich nach einiger Zeit die Frage, wie man das leerstehende Schloss nutzen möge. Die Innenausstattung war entweder bei der Flucht des Kurfürsten nach Westfalen evakuiert worden oder aber hatte anschließend als „Andenken“ an den Landesherrn den Weg in die Hände der Bonner gefunden. Nachdem eine Nutzung für repräsentative Aufgaben also obsolet wurde, wurde das verstaatlichte Schloss gemeinnützigen Zwecken zugeführt, was zum Teil jedoch recht behelfsmäßig gewirkt haben muss: Im Galerietrakt wurde ein Lazarett eingerichtet, im Hofgartenflügel ein Lyzeum untergebracht, im Buen-Retiro befand sich ab 1810 eine Zuckerfabrik und die Schlosskirche diente zunächst als Magazin, dann als sogenannter „Tempel der Vernunft“ für nationale und revolutionäre Feiern und ab 1806 wieder als Gotteshaus. Bezeichnend dürfte der Umstand gelten, dass die ehemalige kurfürstliche Residenz bei einem der Besuche Bonns durch Napoleon (1769-1821) mit seiner Gattin Joséphine (1763-184) nur noch als prachtvolle Kulisse diente. Der französische Kaiser selbst zog es vor, die Nacht in einem der Adelshöfe der Stadt zu verbringen.
Die Feier der Volkssouveränität Eine besondere Erwähnung verdient das „Fest der Volkssouveränität“, das die neuen Stadtherren am 23. März 1798 im Hofgarten veranstalteten, der inzwischen in „Nationalgarten“ umbenannt worden war. Anlässlich des Festes war dort ein Hügel aufgeschüttet worden, der als „Altar des Vaterlandes“ diente. Zu diesem bewegte sich zunächst ein festlicher Zug, an dessen Spitze sich „ein als Frauenzimmer verkleideter Bub, Sohn des Schulmeisters Odendahl, die Vernunftsgöttin“ mimend, befand. Anschließend entzündete die „Göttin der Vernunft“ einen Scheiterhaufen neben dem Altar, wofür verschiedene Insignien des Kurfürsten zusammengetragen worden waren. Hierzu hatten die Franzosen auch geplant, die sogenannte Regina pacis aus ihrer Nische in der Fassade des Hofgartenflügels zu reißen. Die überlebensgroße, vergoldete Madonnenfigur des Bildhauers und Bleigießers Wilhelm Rottermondt (1701-1755) zierte seit 1744 als einziger Schmuck die Hofgartenfassade. Bereits beim großen Schlossbrand von 1777 war sie auf wundersame Weise nicht zerstört worden. Beim Versuch sie mithilfe von sechs Pferden aus ihrer Verankerung zu lösen, rissen die Seile, was von der Bonner Bevölkerung als göttliches Zeichen angesehen wurde, woraufhin sie eine Wiederholung der Prozedur mit Vehemenz zu verhindern wussten, sodass die Regina pacis weiterhin als Schutzpatronin über das Schloss wachte. Die verheerenden Bombardements des Zweiten Weltkriegs ließen zwar das Schloss in Schutt und Asche versinken; die Regina pacis überstand auch dieses Inferno unbeschadet.
Das Ende des französischen Intermezzos Am 14. Januar 1814 zogen sich die letzten Franzosen aus Bonn zurück. An eine Rückkehr zum Status quo war angesichts des Untergangs des Alten Reiches nicht mehr zu denken. Und obgleich dieser Abschnitt der Schlossgeschichte nur zu geringen baulichen Veränderungen geführt hatte, so hatte sich doch etwas entschieden verändert. Das Schloss diente nun nicht mehr als prunkvolle Residenz der Kurfürsten sondern wurde durch die Bevölkerung selbst genutzt. Als das Rheinland infolge des Wiener Kongresses 1815 an Preußen fiel, stellte sich erneut die Frage, welchem praktischen Zweck die Schlossanlage dienen könne. Mit der Gründung der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität im Jahre 1818 sollte diese Frage rasch beantwortet werden.
Das Objekt „Kurfürstliches Schloss“ in Bonn ist ein eingetragenes Denkmal (Denkmalliste Bonn, Stand 01.01.12, Nr. A 179).
(Jost Dockter, 2016)
Literatur
Ennen, Edith (1989)
Die kurkölnische Haupt- und Residenzstadt in einem Jahrhundert der friedlichen und glanzvollen Entwicklung. In: Höroldt, Dietrich (Hrsg.): Geschichte der Stadt Bonn. Band 3. Bonn als kurkölnische Haupt- und Residenzstadt. 1597-1794, S. 205-349. Bonn.
Bonn unter französischer Herrschaft. 1794-1814. In: Höroldt, Dietrich (Hrsg.): Geschichte der Stadt Bonn. Band 3. Bonn. Von einer französischen Bezirksstadt zur Bundeshauptstadt. 1794-1989, S. 9-71. Bonn.
Mikolajczak, Katja (2007)
Das Schloß während der französischen Besatzung (1794-1814). In: Satzinger, Georg (Hrsg.): Das kurfürstliche Schloß in Bonn. Residenz der Kölner Erzbischöfe. Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, S. 119-120. München u. Berlin.
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