Die Nacht des 15. Januar 1777 sollte sich ganz wortwörtlich tief in das Gedächtnis der Zeitzeugen einbrennen. So wie die Macht der Kurfürsten bald darauf erlöschen sollte, so sollte auch das kurfürstliche Schloss in Bonn nie wieder zu alter Pracht zurückfinden und blieb für eineinhalb Jahrhunderte von der Katastrophe des Jahres 1777 gezeichnet.
Das Feuer von 1777 Wer das Stadtmuseum Bonn besichtigt, der wird dort auf einen besonderen Spiegel stoßen. Das Interessante an ihm ist jedoch nicht seine kunstvolle Ausarbeitung. Vielmehr fällt auf, dass er beschädigt ist, ist eine Seite doch stark angebrannt. Er war Zeuge jener Brandkatastrophe, die seinerzeit europaweit Schlagzeilen machte. Das kurfürstliche Schloss in Bonn, der Haupt- und Residenzstadt Kurkölns, das unter den Kurfürsten Joseph Clemens von Bayern (1671-1723, Erzbischof und Kurfürst von Köln 1688-1723) und Clemens August von Bayern (1700-1761, Erzbischof und Kurfürst von Köln 1723-1761) errichtet und erst kürzlich unter Kurfürst Max Friedrich (1708-1784, Erzbischof und Kurfürst von Köln 1761-1784) mehr oder weniger vollendet worden war, lag in Trümmern. So musste der Kurfürst in der Nacht vom 14. auf den 15. Januar 1777 des Nachts geweckt und in Eile aus dem Schloss gebracht werden, nachdem innerhalb des Gebäudes ein Feuer ausgebrochen war. Die Schnelligkeit in der das Feuer ausbrach, gab später Anlass zu Gerüchten, dass es sich um Brandstiftung gehandelte. Rasch standen große Teile der Schlossanlage in Flammen und die durch die Explosion der Pulverkammer geweckten herbeieilenden Bürger waren bald damit beschäftigt, ihre eigenen Häuser vor dem Feuer zu schützen, als dass sie sich um die Rettung des Schlosses kümmern konnten. Es dauerte schließlich fünf Tage bis der Brand mit Hilfe von Löschzügen aus Köln und benachbarten Dörfer, sowie der Verpflichtung von Bauern aus der Umgebung gelöscht werden konnte. Mindestens 15 Menschen fielen ihm zu Opfer. Während Galerieflügel, Buen-Retiro und Küchenflügel vom Feuer verschont blieben, wurden der Flügel zur Stadt hin, das Prunktreppenhaus am Ehrenhof und große Teile des Hofgartenflügels zerstört. Den schmerzlichsten Verlust dürfte die in Trümmern liegende Schlosskirche dargestellt haben, hatte der überaus prächtige Gottesraum doch das Zentrum der Residenz gebildet.
Wiederaufbau im „Sparmodus“ Angesichts der angespannten Finanzlage wurde bei den Planungen der Wiederinstandsetzung des Schlosses früh deutlich, dass das Schloss nicht in alter Größe wiederaufgebaut werden konnte. Der Kurfürst entschied sich vielmehr dazu, sich auf die noch erhaltene Bausubstanz zu beschränken, sodass das dank seiner starken Gewölbe erhaltene Erdgeschoss des Flügels an der Straße Am Hof nicht abgerissen wurde. Vom Domkapitel in Auftrag gegebene Pläne des Baumeisters Nikolaus Krakamp (1699-1778) hätten zugunsten neuer Prunkräume im Bereich des Arkadenhofs den Abriss der stadtseitigen Flügel vorgesehen. Der Kurfürst konnte sich letztlich aber mit den Plänen seines Hofbaumeisters Johann Heinrich Roth (1729-1780) durchsetzen. Neben dem Erhalt der stadtseitigen Trakte sahen die Pläne vor, dass anstelle des Flügels zum Ehrenhof und des Schlosskirchenflügel zwei Eckpavillons entstanden, die an den Hofgartenflügel anschlossen, der im Wesentlichen unverändert blieb. Die verbliebenen zwei Türme des Schlosses erhielten anstelle der früheren Turmhelme Flachdächer. Eine deutliche Veränderung der räumlichen Konzeption des Schlosses ergab sich durch die stärkere Öffnung der Residenz zur Stadt hin, wurde der innere Arkadenhof doch nun als weiterer Ehrenhof genutzt. So konnte dieser durch ein zusätzliches Portal im inzwischen nur noch eingeschossigen stadtseitigen Flügel betreten werden. Das größte Erbe des Wiederaufbaus des Schlosses ist sicherlich die neue Schlosskirche, die in den am alten Ehrenhof liegenden Eckpavillon eingefügt wurde. Mit ihrer anmutigen aber dennoch schlichten Gestaltung ist sie Spiegelbild der Abkehr des Bonner Hofes von dem überbordenden Prunk der Wittelsbacher.
Der Schlossherr verlässt die Residenz Am 3. Oktober 1780 empfing Kurfürst Max Friedrich im Ehrenhof Max Franz von Österreich (1756-1801, Erzbischof und Kurfürst von Köln 1784-1801) als Koadjutor. Es war das letzte Mal, dass ein Kölner Kurfürst seinen zur Nachfolge ausersehenen Kandidaten in Bonn empfing. Es sollte noch vier Jahre dauern, bis Max Franz, der jüngste Sohn Maria Theresias, nach dem Tod Max Friedrichs sein Amt antrat, wobei er dessen Sparpolitik fortführte. Max Franz hätte sich nicht deutlicher von seinen Amtsvorgängern aus dem Hause Wittelsbach unterscheiden könnte. Der Habsburger hatte keinen Sinn für Prunk und Repräsentation, sondern konnte von seinen Untertanen oft dabei beobachtet werden, wie er in einfacher Kleidung über die kurfürstlichen Alleen zum Baumschulwäldchen spazierte. Er wohnte nicht einmal in der Residenz, sondern zog das sogenannte Mastiaux'sche Haus vor, bei dem es sich um den Vorgängerbau des 1903 neu errichteten Oberbergamtes handelte. So waren es denn auch keine großen Schlossbauten, die er in Auftrag gab, sondern beispielsweise die Redoute in Godesberg oder aber ein Englischer Garten im Melbtal. Insbesondere überließ er die Politik nicht seinen Ministern, sondern fällte eigenständig die wichtigsten Entscheidungen und bemühte sich, gemäß seinem Anspruch der erste Diener seines Staates zu sein, seinen kurkölnischen Untertanen ein guter Landesherr zu sein. Auch nach den epochemachenden Ereignissen des Jahres 1789 gelang es ihm durch umsichtige Politik, dass Kurköln anders als Kurmainz und Kurtrier lange Zeit von Unruhen verschont blieb. In Reiseberichten aus dieser Zeit, wird von Bonn ein Bild einer durch den Hof geprägten reizvollen Stadt gezeichnet, deren Mittelpunkt das Schloss bildet. Die englische Schriftstellerin Ann Radcliffe (1764-1823) schreibt 1794 etwa: „Des Kurfürsten Schloss ist, was die stattliche Größe angeht, besser geeignet, der Schauplatz diplomatischen Zeremoniells zu sein, als die Schlösser manch bedeutenderer Souveräne. Und es eignet sich auch aus dem Grunde viel besser für diplomatische Zwecke, weil es vor einer der eindrucksvollsten Landschaften liegt, für die es ein so würdiger Schmuck ist, wie ihn die Kunst nur schaffen kann...“
Jene „eindrucksvolle Landschaft“ wurde einige Jahre später allerdings Zeuge, wie für Bonn mit der Flucht des Kurfürsten vor französischen Truppen eine Ära der glanzvollen Entwicklung endete. Nachdem das Archiv, Bibliothek und sonstige wertvolle Ausstattungsgegenstände der Residenz nach Westfalen evakuiert worden waren, der Adel Bonn verlassen hatte und Recklinghausen zum provisorischer Regierungssitz erklärt wurde, verließ Max Franz am 3. Oktober 1794 seine Residenzstadt, nachdem er von der Treppe des Rathauses die Bonner ein letztes Mal gesegnet hatte. Nur fünf Tage später rückte die französische Kavallerie in Bonn ein. Die Bonner Residenz war nur noch ein großes leerstehendes Überbleibsel einer vergangenen Epoche.
Das Objekt „Kurfürstliches Schloss“ in Bonn ist ein eingetragenes Denkmal (Denkmalliste Bonn, Stand 01.01.12, Nr. A 179).
(Jost Dockter, 2016)
Literatur
Ennen, Edith (1989)
Die kurkölnische Haupt- und Residenzstadt in einem Jahrhundert der friedlichen und glanzvollen Entwicklung. In: Höroldt, Dietrich (Hrsg.): Geschichte der Stadt Bonn. Band 3. Bonn als kurkölnische Haupt- und Residenzstadt. 1597-1794, S. 205-349. Bonn.
Hansmann, Wilfried (1989)
Bau- und Kunstgeschichte. In: Dietrich Horöldt (Hrsg.): Geschichte der Stadt Bonn. Band 3. Bonn als kurkölnische Haupt- und Residenzstadt., S. 351-448. Bonn.
Meyer, Anna Christin; Reif, Cathrin (2007)
Der Brand des Schlosses 1777 und sein Wiederaufbau. In: Satzinger, Georg (Hrsg.): Das kurfürstliche Schloß in Bonn. Residenz der Kölner Erzbischöfe. Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, S. 109-114. München u. Berlin.
Rey, Manfred van (2001)
Der Brand des kurfürstlichen Residenzschlosses am 15. Januar 1777. Unbekannte Briefe zu einer Bonner Katastrophe. In: Bonner Heimat- und Geschichtsverein & Stadtarchiv Bonn (Hrsg.): Bonner Geschichtsblätter 51/52, S. 509-517. Bonn.
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