Im Hohen Mittelalter bestand Stade aus mehreren Siedlungskernen, dem Kaufmannswik mit Hafen und Burg und St. Cosmae-Kirche, dem Bischofsviertel und der Klostersiedlung St. Georg. Diese Orte fasste Heinrich der Löwe (um 1129/30 oder 1133/35 – 1195; Heinrich III. Herzog von Sachsen 1142-1180) 1180 zusammen, verlieh die Stadtrechte und umgab die neue Stadt mit Wall und Graben.
Im 13. Jahrhundert wurde der Bereich nördlich der Schwinge großflächig aufgeschüttet und besiedelt. Im Osten des neuen Areals errichtet man eine Kapelle, später die Nicolai-Kirche. Dieser neue Siedlungsbereich und die nördlich anschließende Siedlung Harschenfleth waren noch nicht in die Wall-Graben-Anlage einbezogen.
Im 13. Jahrhundert ersetzte man Wall und Graben durch eine Stadtmauer mit festen Stadttoren, die auch die Bereiche nördlich der Schwinge mit umfasste. Dazu gehörte das Nicolai-Tor bzw. Harschenflether Tor im Nordosten der Stadt. Dieses schützte den Zugang zur Harschenflether Vorstadt und lag unmittelbar nördlich der Schwinge. Es war ein einfaches Stadttor mit Obergeschoss und Spitzdach (Georg Braun und Frans Hogenberg von 1580; heute Bereich neben der Touristeninformation).
Auf der Darstellung von Martin Weigel um 1550 ist das Harschenflether Tor nicht zu erkennen, es verschwand hinter der St. Nicolai-Kirche des 13. Jahrhunderts. Allerdings sind keine keine weiteren Festungswerke zwischen St. Nicolai-Kirche und Harschenflether Vorstadt zu erkennen. Hingegen fällt die große Anzahl von Schiffsmasten auf, die am ehemaligen Hafen von Harschenfleth verzeichnet sind.
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Dieses Bild hatte sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts stark verändert. Auf der Karte von Braun/Hogenberg von 1590 ist eine starke Eckbefestigung vor der St. Nicolai-Kirche zu erkennen. In den Stadtgraben zwischen Kehdinger Tor und Harschenflether Tor waren in der Nordostecke ein Turm und ein langes Gebäude gesetzt worden. Der Turm liegt in der Flucht der Stadtmauer, das angrenzende Gebäude liegt im Graben und ist mit einem Dachreiter bekrönt (Kanonenstellung). In den Langseiten zeigen sich Schießscharten, aus denen heraus die beiden Grabenabschnitte bestrichen (beschossen) werden können. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde die Stadtbefestigung weiter ausgebaut und den neuen militärischen Anforderungen angepasst. Auf der Abbildung von Werdenhagen 1641 ist ein Bollwerk zu erkennen, das vermutlich um das große Gebäude herum errichtet worden ist. Das Rundbollwerk ist durch das Tor mit Durchfahrt zu betreten, dahinter erstreckte sich das längliche, vorgeschobene Gebäude. An das Tor schloss sich beidseitig die Stadtmauer an. Von diesem Bollwerk aus waren sowohl die angrenzenden Grabenabschnitte, die beiden Tore als auch die Rückseite der Harschenflether Vorstadt geschützt.
Die schwedische Zeit 1645 bis 1712
1642 wird die Stadt von schwedischen Truppen unter Hans Christoph Graf von Königsmarck (1605-1663, deutscher Feldmarschall in schwedischen Diensten, Generalgouverneur von Bremen und Verden, Erbauer von Schloss Agathenburg) erobert und 1645 endgültig übernommen. Die Stadt sollte zur Festung ausgebaut werden. Daher fertigt Erik Jonsson Graf von Dahlberg (1625-1703; schwedischer Feldmarschall, Architekt und Festungsbaumeister) einen detaillierten Plan des Bestandes an und schlägt entsprechende Ausbauten und Erweiterungen vor.
Im Plan von 1648 ist bereits die gezackte Nicolaibastion eingetragen. Diese wurde also im Vorgriff der endgültigen Planungen von Dahlberg 1647-1648 angelegt. Man errichtete ein Erdwerk an der Erweiterung der Gräfte vor dem Harschenflether Tor. Dieses Tor führte nun nicht mehr in die Vorstadt, die 1642 bei der schwedischen Eroberung endgültig zerstört worden war. Ebenso ersetzte man den Harschenflether Bären (Wehranlage) durch eine Flanke der neuen Bastion. Dieser hatte bis dahin das Wasser im Festungsgraben und in der Schwinge reguliert.
Planungen der 1670er Jahre und daran anschließende Baumaßnahmen erweiterten vor allem die Außenkanten des Festungsgrabens an der Nicolaibastion. Es wurde eine gezackte Contregarde (Wallanlage) von der Schwinge bis zum neu errichteten Kehdingertorsravelin errichtet. Diese hatte ihre Fortsetzung bis zur Wrangelsbastion (heute noch in den Außenkanten des Burggrabens zu erkennen).
In den folgenden Jahren der schwedischen Herrschaft wurden nur noch erhaltene Maßnahmen an der Nicolaibastion durchgeführt.
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Die Zeit nach 17121712 belagerten dänische Truppen die Stadt und eroberten sie. Damit endete die schwedische Herrschaft über die Stadt. 1715 wurden die säkularisierten Herzogtümer Bremen (somit auch Stade) und Verden Teile des Kurfürstentums Hannover, seit 1814 Königreich Hannover. Stade blieb Landesfestung und Verwaltungssitz.
Der detaillierte Plan von Schwaan 1736 zeigt den Aufbau der Nicolaibastion. Nördlich der St. Nicolai-Kirche erstreckte sich ein größerer Platz, der in den Waffenplatz der Bastion überging. Von hier aus gab es eine Auffahrtrampe auf den gedeckten Gang. Dieser hatte an der Bastionsspitze und an den beiden Flanken erhöhte Kampfplätze zum Schutz von Graben und den benachbarten Toren. Zur Schwinge hin gab es an der unregelmäßigen Flanke einen tiefer liegenden, zusätzlichen Kampfplatz für Kanonen und Gewehrschützen. Die Wälle bestanden aus Erdwerk, bedeckt mit Rasensoden, die immer wieder erneuert werden mussten.
Spätestens nach dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763) verlor die Festung Stade an Bedeutung für das Königreich Hannover. Ein erster Plan für die Entfestung der Stadt wurde 1770 erarbeitet.
Zwar wurden die Festungsanlagen in der Zeit der französischen Besatzung 1803-1813 nochmals in geringem Umfang wieder hergestellt. Aber Mitte des 19. Jahrhunderts vereinigte man die neu entstandenen vorstädtischen Siedlungen und die Altstadt. Die Einschränkungen durch den Festungsbering wurden immer nachteiliger für die Entwicklung der Stadt. Somit richtete sie am 2. August 1852 eine umfassende Eingabe zur „Entfestigung der hiesigen Stadt“ an das hannoversche Kriegsministerium.
Die Entfestung von Stade erfolgte nach 1880. Im Zuge des Neubaus des Neuen Hafens 1880 bis 1881 ebnete man die Nicolaibastion und die anschließende Kurtine bis zum Kehdinger Tor ein. Das Gelände der Nicolaibastion wurde durch Erweiterungen der städtischen Gasanstalt überbaut, die sich noch heute hier befindet. Die Gasanstalt hatte man 1857 bis 1859 auf dem Gelände der abgerissenen St. Nicolai-Kirche erbaut.
Der Festungsgraben zwischen Nicolaibastion und Kehdingertorsravelin war bis 1970/1971 offen. Danach schüttete man den Graben zu und baute zunächst einen Parkplatz. Dieser wurde in den frühen 1990er Jahren durch ein Einkaufscenter mit Parkhaus ersetzt. Der Verlauf des inneren Grabenrandes ist noch schwach am Fußgängerweg südlich des Einkaufscenters zu erahnen.
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(Claus Weber, Stade, 2023)Hinweis
Die Nicolaibastion ist dargestellt in ihrer Ausdehnung Ende des 19. Jahrhunderts, nach der Entfestung: Karte von den Festungswerken und Festungsländereien bei der Stadt Stade. Handzeichnung angefertigt nach den Grundsteuergemarkungskarten von Greihn, M 1:2.000, 1880. NLA ST Karten Neu Nr. 13699 (online unter www.arcinsys.niedersachsen.de, abgerufen 04.01.2024).
Quellen
- Stadtarchiv Stade
- Landesarchiv Niedersachsen, Abteilung Stade