Das Radioteleskop Astropeiler auf dem knapp 435 Meter hohen Berg Stockert bei Bad Münstereifel war 1956 das erste deutsche Radioteleskop. Die seit der Entdeckung der ersten außerirdischen Radioquellen 1932 durch den US-amerikanischen Physiker Karl Guthe Jansky (1905-1950) stetig weiter entwickelten „Elektronenfernrohre“ bewirkten einen immensen Fortschritt für die (radio-) astronomische Forschung. Die Radioastronomie wird zur Beobachtung von Radiostrahlung (Funkwellen) aus dem gesamten Kosmos eingesetzt.
Seit 1996 steht die Anlage als Baudenkmal sowie als Technik- und Industriedenkmal unter Denkmalschutz. Als Pionierbauwerk markiert der Astropeiler den Anfang der radioastronomischen Forschung in Deutschland und gilt als wichtiger Zeuge für die Frühform einer heute weltweit verbreiteten Technik.
Standort Schon alleine durch seine die Landschaft beherrschende Lage auf der Höhe hat der Astropeiler eine besondere Bedeutung als kilometerweit sichtbare Orientierungsmarke in diesem Teil der Eifel. Obgleich beide Anlagen etwa 10 Kilometer voneinander entfernt sind, wird der Astropeiler Stockert aufgrund seiner gut sichtbaren Position aus der Ferne gerne mit dem ungleich größeren, aber eher versteckt in Tallage befindlichen Radioteleskop Effelsberg verwechselt. Dieses 1972 in Betrieb genommene Großteleskop kann zugleich auch als Nachfolger des Astropeilers angesehen werden, da viele Erfahrungen mit der Anlage auf dem Stockert in dessen Konstruktion eingeflossen waren.
Der Astropeiler Stockert entstand auf dem vormaligen Gelände einer 1939 durch die paramilitärische NS-Bautruppe Organisation Todt errichteten Bunkerstellung der Luftverteidigungszone West. Diese diente offenbar auch zur Sicherung des Luftlinie rund 4 Kilometer südöstlich entfernten Führerhauptquartiers „Felsennest“ bei Bad Münstereifel-Rodert. Eine Geschützstellung dieser LVZ-Stellung ist vor Ort erhalten, drei Munitionsbunker wurden gesprengt (Groß 2001).
Baugeschichte und Konstruktion Nachdem die Universität Bonn am 19. Juli 1955 ein Baugesuch eingereicht hatte, erfolgte der Beschluss zum Bau des Astropeilers mit der Erteilung des Bauscheins zum 22. November 1955. Die technischen Gesamtplanung für den Bau der Radiosternwarte auf dem Stockert hatte indes bereits 1953 begonnen. Leitend war ein Diplomingenieur Th. Pederzani vom Berliner Funk- und Nachrichtentechnik-Unternehmen Telefunken Gesellschaft für drahtlose Telegraphie m.b.H. (einem Tochterunternehmen der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft AEG, mit der Telefunken 1967 fusionierte). Als technisches Vorbild gilt das von 1954 bis 1956 erbaute niederländische Teleskop in Dwingeloo (Provinz Drenthe), das mit einem Spiegeldurchmesser von 25 Metern seinerzeit das größte Radioteleskop der Welt war.
Der Unterbau des Astropeilers war zunächst als Stahlkonstruktion geplant, wurde dann aber aus statischen Gründen aus Stahlbeton ausgeführt. Der als 16,35 Meter hohe achtstielige Pyramide erbaute Sockel, dem nordwestlich ein kleiner Eingangsbereich angegliedert ist, entstand nach Plänen des Kölner Statikers Dr. Pirlet und des Bauassessors Lohmann vom Universitätsbauamt Bonn. Die dreh- und kippbare Lagerung des Spiegels wird durch das seinerzeit einem Durchmesser von 3,2 Metern weltgrößte Radial-Schrägkugellager mit einem Kippwinkel-Getriebe ermöglicht, das von der Schweinfurter Kugellagerfabrik (SKF GmbH) angefertigt wurde. Die bauliche Verbindung zwischen Unterbau und Parabolspiegel ist in Fachwerkbauweise als genieteter zwölfeckiger Stahlring mit einem Durchmesser von 12,5 Metern konstruiert. Ein System von Gewichten und Gegengewichten hält den nicht direkt auf dem Unterbau gelagerten Spiegel. Bemerkenswert ist, dass der in Stahl- und Leichtmetallbauweise gefertigte Spiegel unter der Mitwirkung von Luftschiff-Konstrukteuren entstand, die bereits seit der Vorkriegszeit und im Zweiten Weltkrieg Radar-Parabolspiegel zur Ortung von Flugzeugen und Schiffen konstruiert hatten.
Betrieb durch die Bundeswehr, Max-Planck-Institut und Universität Bonn Bereits am 17. September 1956 konnte die fertiggestellte Anlage eingeweiht werden. Die radioastronomischen Forschungen wurden ab 1961 durch den Lehrstuhl des Instituts für Radioastronomie der Universität Bonn geleistet und seit 1967 durch das in Bonn-Endenich ansässige Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR). Parallel zur radioastronomischen Forschungsarbeit wurde hier auch Grundlagenforschung für militärische Radartechnik durch Wissenschaftler und Bundeswehr betrieben. Der genaue Zeitrahmen und der Umfang der wohl von der Mitte der 1950er bis Mitte der 1960er Jahre erfolgten militärischen Mit-Nutzung ist nicht bekannt (www.astropeiler.de).
„Die Astronomische Forschung begann 1957 mit der Untersuchung von Linienprofilen des interstellaren Wasserstoffs. Der Astropeiler war damals das teuerste Forschungsprojekt in Deutschland. Das Teleskop war für einige Zeit das größte seiner Art und blieb noch für einige Jahre das genaueste radioastronomische Messinstrument seiner Zeit.“ (ebd.)
Die Aktivitäten in den 1960er Jahren bedingten zunächst rasch Erweiterungen und Ausbauten vor Ort, darunter zwei Wohnhäuser für Betriebspersonal, ein weiteres 10-Meter-Radioteleskop „Sonnenspiegel“ für die Beobachtung der solaren Radiostrahlung (1965) sowie 1966 ein Laborgebäude „Sonnenhaus“, das 1967 noch durch einen Anbau erweitert wurde. Um 1974/75 war der Astropeiler nur noch eingeschränkt in Betrieb und wurde im Oktober 1975 vom Max-Planck-Institut / MPIfR stillgelegt. Nach der Wiederaufnahme des Messbetriebes ab 1978 diente die Anlage dann von 1979 bis 1993 nicht mehr zu Forschungszwecken, sondern zur Ausbildung von Studierenden der Universität Bonn, die den Astropeiler vom MPIfR übernommen hatte und hier über Praktika und Diplomarbeiten dem wissenschaftlichen Nachwuchs Forschungen ermöglichte. Immer wieder wurde das Radioteleskop in diesen Jahren renoviert und verbessert, so erfolgten noch 1983 umfangreiche Arbeiten am Stahlgerüst der Antenne und am Beton des Gebäudes.
Besitzerwechsel, Förderverein und Restaurierungen Nach dem sich die Universität Bonn im Jahr 1995 endgültig vom Stockert zurückgezogen hatte, gründete sich 1995/96 der Förderverein Astropeiler Stockert e.V. mit dem Ziel, das Radioteleskop zu erhalten und möglichst wieder sinnvoll zu nutzen. Wenig später wurde der Peiler im April 1996 als technisches Denkmal ausgewiesen. 1997 wurde der Astropeiler vom damaligen Siegburger Digital-Audio-Unternehmen Creamware übernommen, das hier bis zu seiner Insolvenz 2004 u.a. ein Tonstudio betrieb, während der Verein in diesen Jahren weiterhin mit dem Radioteleskop arbeiten konnte. Zum 12. April 2005 erwarb schließlich die Nordrhein-Westfalen-Stiftung Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege (NRW-Stiftung) den Komplex zu einem nicht genannten Kaufpreis, damit „das aus kulturhistorischer Sicht ungemein interessante Objekt weiterhin in öffentlicher Hand bleibt.“ (www.ksta.de)
Die NRW-Stiftung stellte dem Förderverein, dessen eigene Finanzen den Erwerb nicht ermöglicht hatten, Mittel für die Sanierung und Restaurierung der Anlagen zur Verfügung; „In der zweiten Jahreshälfte 2007 wurden in einer aufwändigen Aktion umfangreiche Restaurierungs- und Rostschutzarbeiten am Peiler vorgenommen. Es folgten Arbeiten an der Technik, insbesondere auch die Erneuerung der Empfangstechnik. Auch das Sonnenhaus wurde komplett saniert.“ (www.astropeiler.de) Hinzukamen 200.000 Euro von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz für die engagierten Vereinsmitglieder für Stahlbau- und Korrosionsschutzarbeiten am Teleskopspiegel, um weiterhin wissenschaftliche und pädagogische Projekte zu ermöglichen. Ziel war es, den Peiler als Funk- und Messeinrichtung erhalten und als radioastronomisches Museum der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (www.monumente-online.de).
Aktuelle Situation Anfang Mai 2010 konnte der Astropeiler wieder eröffnet werden. Neben der wissenschaftlichen Nutzung der durch den Förderverein selbst wieder hergerichteten Spiegel für radioastronomische Beobachtungen, wird das Radioteleskop auch als universitärer und schulischer Lernort genutzt. Ferner bietet der Verein hier regelmäßig Führungen und Vorträge an. Wie auch am Effelsberg sollten bei Besuchen vor Ort Störungen des hochempfindlichen Teleskops durch die Zündelektronik von Kraftfahrzeugen u.ä. vermieden werden, auch das Handy sollte zumindest in den Flugmodus geschaltet werden.
„Die Geschichte der alten Dame ‚Astropeiler‘ ist noch lange nicht zu Ende geschrieben. Heute ist der Astropeiler Stockert das weltweit größte und leistungsfähigste Radioteleskop in der Hand von Amateuren. Es ist neben dem Teleskop in Effelsberg eine der besonderen astronomischen Sehenswürdigkeiten der Eifel.“ (www.astropeiler.de)
Denkmalschutz / Hinweis Das Teleskop steht mit Eintragung vom 24. April 1996 als landeseigenes Baudenkmal sowie als Technik- und Industriedenkmal unter Denkmalschutz (UDB-Nr. 306, LVR-ADR Nr. 25687): „Das Objekt ist ... bedeutend für die Geschichte des Menschen. An seiner Erhaltung und Nutzung besteht aus wissenschaftlichen, besonders architektur-, technik- und wissenschaftsgeschichtlichen sowie städtebaulichen Gründen ein öffentliches Interesse.“
Der Astropeiler Stockert ist als „Landmarke mit großer Fernwirkung“ wertgebendes Merkmal des Kulturlandschaftsbereichs Radioteleskop auf dem Stockert (Regionalplan Köln 287).
Internet www.astropeiler.de: Verein Astropeiler Stockert e.V. (abgerufen 05.11.2020) www.mpifr-bonn.mpg.de: Max-Planck-Institut für Radioastronomie (abgerufen 05.11.2020) structurae.net: Internationale Datenbank und Galerie für Ingenieurbauwerke, Radioteleskop Stockert (abgerufen 25.02.2020) www.rundschau-online.de: „Astropeiler zu verkaufen“ (Kölnische Rundschau vom 10.09.2003, abgerufen 05.11.2020) www.ksta.de: „Stockert ist verkauft“ (Kölner Stadt-Anzeiger vom 22.04.2005, abgerufen 05.11.2020) www.monumente-online.de: „Der Astropeiler Stockert in der Eifel ist saniert – Echo vom Mond“ (Monumente, Magazin für Denkmalkultur in Deutschland, 2/2008, abgerufen 05.11.2020) www.nrw-stiftung.de: NRW-Stiftung (abgerufen 05.11.2020) de.wikipedia.org: Astropeiler Stockert (abgerufen 05.11.2020 de.wikipedia.org: Dwingeloo-Radioteleskop (abgerufen 05.11.2020)
Bunkerstellungen der Luftverteidigungszone West im Rheinland und Hitlers Hauptquartier in Bad Münstereifel-Rodert. Eine Bestandsaufnahme. (Aufsätze zu Geschichte + Technik 6.) S. 182-184, Leinburg.
Landschaftsverband Rheinland (Hrsg.) (2016)
Fachbeitrag Kulturlandschaft zum Regionalplan Köln. Erhaltende Kulturlandschaftsentwicklung. S. 217, Köln.
Der hier präsentierte Inhalt steht unter der freien Lizenz CC BY 4.0 (Namensnennung). Die angezeigten Medien unterliegen möglicherweise zusätzlichen urheberrechtlichen Bedingungen, die an diesen ausgewiesen sind.
Möchten Sie dieses Objekt in der Kuladig-App öffnen?
Wir verwenden Cookies
Dies sind zum einen technisch notwendige Cookies,
um die Funktionsfähigkeit der Seiten sicherzustellen. Diesen können Sie nicht widersprechen, wenn
Sie die Seite nutzen möchten. Darüber hinaus verwenden wir Cookies für eine Webanalyse, um die
Nutzbarkeit unserer Seiten zu optimieren, sofern Sie einverstanden sind. Mit Anklicken des Buttons
erklären Sie Ihr Einverständnis. Weitere Informationen finden Sie auf unserer Datenschutzseite.