Der als Lord Byron bekannte englische Dichter der Romantik – vollständig George Gordon Noel Byron, 6th Baron Byron (1788-1824) – hat den Drachenfels nie bestiegen, sondern diesen lediglich vom anderen Rheinufer aus betrachtet, ihm aber dennoch ein Gedicht gewidmet. Die Wirkung dieses Werks hat die Burgruine auf dem Drachenfels jedoch weithin bekannt gemacht und sicherlich auch zur Rettung des Felsens beigetragen.
Die Ruine als Symbol einer inzestuösen Liebe? „My sister! my sweet sister! if a name / Dearer and purer were, it should be thine.“ Diese Worte George Gordon Byrons, gedruckt in seinem Werk: „Epistel to Augusta“ (um 1816, hier zitiert nach www.poetryfoundation.org, vgl. auch Gottschall 1870), geben einen Hauch davon wider, was der junge Lord für seine sechs Jahre ältere Halbschwester Augusta verspürt haben musste. Den Vater, den sich der Dichter mit seiner Halbschwester teilte, hatte er nie kennengelernt und es entsprach der Zeit, dass vaterlos aufwachsende Halbwaise – auch solche, die wie er dem Adel angehörten – ein Leben in tiefer Armut fristen mussten. Mit zehn Jahren beerbte er einen Großonkel, was ihn fast über Nacht zum Lord Byron of Rochdale und zum Besitzer des damals bereits in Teilen verfallenen Herrensitzes Newstead Abbey in der englischen Grafschaft Nottinghamshire machte. Byron war, trotz eines von Geburt an deformierten Fußes, seiner Schönheit wegen bei Damen beliebt und Herren gefürchtet. Der blondgelockte junge Mann war von schlankem Wuchs, mit einem klassisch geschnittenen Gesicht und einem Charakterkinn gesegnet. Darüber hinaus besaß er große melancholische Augen und einen vollen Mund. Sicherlich können auch die Mischung eines ungestüm aufbrausenden Wesens und einem tiefen Hang zum Romantischen, das in seinen Schriften seinen Ausdruck findet, als Grund für seine Beliebtheit innerhalb der zeitgenössischen britischen High Society angesehen werden.
Skandalträchtige Liebschaften, zum Beispiel mit der Schriftstellerin Lady Caroline Lamb (1785-1826), welche ihn als „mad, bad and dangerous to know“ beschrieb, machten ihn nur umso mehr zum Protagonisten des gesellschaftlichen Klatsches wie auch seine Lust am Abenteuer (Douglass 2004, S. 104). So durchschwamm er den Hellespont und nahm am griechischen Unabhängigkeitskrieg teil, was ihn letztlich auch das Leben kostete. Zweifelsfrei konnte bislang nicht belegt werden, dass der junge Lord mit seiner Halbschwester ein Verhältnis, ja sogar eine gemeinsame Tochter hatte: Elizabeth Medora Leigh (1814-1849).
Viele eigene Aussagen in seinen Briefen und Schriften, aber auch der Umstand, dass die Geschwisterliebe ein prägnantes Thema seiner Werke darstellte (etwa in der Tragödie „Manfred“ von 1817), geben diesem hartnäckigen Gerücht jedoch einen fruchtbaren Nährboden (www.spiegel.de und Gottschall 1870). Geradezu dezent offenbart der Dichter dem Leser seine Gefühle in seinem Gedicht zum Drachenfels:
Weit droht ins offne Rheingefild / der turmgekrönte Drachenstein; Die breite Brust der Wasser schwillt / an Ufern hin, bekränzt vom Wein, Und Hügeln, reich an Blüt' und Frucht / und Au'n, wo Traub' und Korn gedeihn, Und Städten, die an jeder Bucht / schimmern im hellen Sonnenschein: Ein Zauberbild! – Doch fänd' ich hier / zwiefache Lust, wärst du bei mir!
Und manche holde Bäuerin / mit Frühlingsblumen in der Hand Geht lächelnd durch das Eden hin; / hoch oben blickt vom Felsenrand Durch grünes Laub das Räubernest, / und manches Riff mit schroffer Wand Und kühnen Bogens stolzer Rest / schaut weit hinaus ins Vaterland; Nur eines fehlt dem schönen Rhein: – / dein Händedruck, - ich bin allein!
Die Lilien, welche ich empfing, / send' ich zum Gruße dir ins Haus: Wenn auch ihr Duft und Schmelz verging, / verschmähe nicht den welken Strauß! Ich hielt ihn hoch, ich weiß es ja, / wann deine Augen bald ihn sehn, Dann ist mir deine Seele nah': / Gesenkten Hauptes wird er stehn Und sprechen: Von dem Tal des Rheins / schickt diesen Gruß sein Herz an dein's.
Der stolze Strom erbraust und fließt, / der schönen Sagen Zaubergrund; In tausend Windungen erschließt / sich neue Schönheit, reich und bunt; Wer wünschte nicht mit Herz und Mund / ein Leben lang zu rasten hier? Kein Raum wär' auf dem Erdenrund / so teuer der Natur und mir, Wenn deine lieben Augen nur / noch holder machten Strom und Flur.
(Originaltitel „The castled crag of Drachenfels“ aus dem Jahr 1816, Übersetzung „Der turmgekrönte Drachenfels“ von August Mommsen 1885, zitiert nach www.siebengebirgsmuseum.de)
Ein Gedicht und seine Auswirkungen Auch dieses Gedicht vom Drachenfels wurde und wird heute noch häufig als Beweis dafür angeführt, dass Lord Byron ein inzestuöses Verhältnis mit seiner Halbschwester gehabt habe, fällt das von Sehnsucht kündende Gedicht doch genau in die Zeit, in der dem Dichter die Liason mit Augusta bescheinigt wurde (eine interessante zeitgenössische Auswertung und Zusammenfassung dieser Gerüchte liefert Gottschall 1870, S. 21ff.). Bemerkenswert ist jedoch der Umstand, dass Byron selbst den Drachenfels nie bestiegen hat, diesen wahrscheinlich lediglich von der anderen Rheinseite aus betrachtete und für seine Station in Bonn/Mehlem auch nur wenig Zeit investierte, bevor er nach Koblenz weiterreiste (www.general-anzeiger-bonn.de vom 11.05.2016). Viel wichtiger als die persönliche Bindung Byrons zum Ort ist jedoch die Wirkung seines Gedichtes auf die Zeitgenossen. In vielen Reiseführern wurden die Zeilen abgedruckt und bescherten Königswinter und dem Drachenfels einen wahren Zustrom von Millionen romantisch gesinnten Touristen aus Großbritannien, wie etwa den Maler William Turner (1775-1851), der neben dem Drachenfels auch das Hochkreuz im Norden von Bad Godesberg in Aquarell festhielt. Selbst die englische Queen Victoria (1819-1901, seit 1837 Königin des Vereinigten Königreichs) besuchte 1845 das Rheinland (www.rheinische-geschichte.lvr.de). Diese frühe Form des (Massen-)Tourismus und seine positiven Auswirkungen auf die lokalen Gasthäuser, Weinstuben und Hotels, führten zu einem Umdenken und hatten letzlich auch ihren Anteil an der Rettung des sagenumwobenen Ortes. So lieferten sich die Befürworter für die Erhaltung des Drachenfelses bereits in den 1820er Jahren regelrechte Schlachten mit den Arbeitern des Steinbruchs am Drachenfels, so dass der preußische König, Friedrich Wilhelm III. (1770-1840, regierte ab 1797) höchstpersönlich einschritt und den Drachenfels im Jahre 1828/29 aufkaufte und unter Schutz stellte. Dieser Schutz galt jedoch nicht für das übrige Gebirge, das weiterhin dem munteren Steinabbau unterlag. Erst im Jahre 1930 wurde jegliche Form der Gewinnung von Bodenschätzen im gesamten Siebengebirge untersagt (Straubinger 2009, S. 235ff., Tümmers 1999, 280 und de.wikipedia.org, Siebengebirge).
Internet www.general-anzeiger-bonn.de: Zu Gast im Rheinland: Als die Briten „Father Rhine“ entdeckten (General-Anzeiger vom 17.07.2012, abgerufen 25.06.2019) www.general-anzeiger-bonn.de: Ballade über den Drachenfels: Eine ganz besondere Liebeserklärung (General-Anzeiger vom 11.05.2016, abgerufen 25.06.2019) www.siebengebirgsmuseum.de: Das Siebengebirge in der Dichtung: Lyrische Kostproben (abgerufen 25.06.2019) www.spiegel.de: Lord Byron. Ende in Versen (abgerufen 04.07.2019) www.poetryfoundation.org: Epistle to Augusta by Lord Byron (abgerufen 02.07.2019) www.rheinische-geschichte.lvr.de: Queen Victorias Rheinreise anno 1845 im Spiegel der internationalen Presse (abgerufen 02.07.2019) de.wikipedia.org: Siebengebirge (abgerufen 25.06.2019) de.wikipedia.org: George Gordon Byron (abgerufen 02.07.2019)
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Empfohlene Zitierweise
„Der Drachenfels als Motiv in Lord Byrons Gedicht „The castled crag of Drachenfels“”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-290498 (Abgerufen: 9. Oktober 2024)
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