Dieser Wandel beruht auf verschiedenen zeitgenössischen Parametern, wie der Bevölkerungszunahme, der Veränderung klimatischer Bedingungen und Anpassungen daran, den technischen Fähigkeiten und Entwicklungen (Mobilität und Industrialisierung), den grund- und landesherrschaftlichen Bedingungen, juristischen, wirtschaftlichen und sozialen Voraussetzungen. Es gab allerdings auch kurzfristig bzw. schlagartig auftretende Ereignisse wie Naturkatastrophen, Pandemien (Pest), Kriege, Verfolgungen mit Flüchtlingsströmen und Revolutionen sowie den wachsenden staatlichen Einfluss auf die Gestaltung der Kulturlandschaft. Hinzu kommt seit dem Zweiten Weltkrieg vermehrt die staatliche und europäische Subventionspolitk (Eigenheimzulage, Agrarsubventionierung und technische Innovationen und Intensivierung der Landwirtschaft mit Flurbereinigungen), die sich auf die kulturlandschaftliche Entwicklung und Gestaltung auswirken. Gegensteuernde Instrumente sind der Natur- und Landschaftsschutz. Durch die Umstellung auf regenerative Energien wird eine neue Seite der kulturlandschaftlichen Entwicklung aufgeschlagen.
Die hier betrachtete Veränderung des ehemalige Waldgebietes lässt sich in sechs Zeitzonen gliedern, die heute noch erkennbar und erlebbar sind:
- das Frühmittelalter,
- das Hochmittelalter,
- die Frühneuzeit,
- das 18. Jahrhundert,
- das 19. Jahrhundert,
- das 20. Jahrhundert.
Hierbei geht es weniger um die Entstehung gebauter Substanz, sondern um prägende Strukturen aus der jeweiligen Zeitstellung im heutigen Landschaftsbild, die unterscheidbare Merkmale haben. Diesen zeitumspannenden Rodungen und Kultivierungen liegen Entscheidungen zugründe, die im jeweiligen zeitlichen Kontext zu betrachten sind. Bemerkenswert ist vor allem die Nachhaltigkeit dieser Entscheidungen. Das Entwässerungssystem von Uedemerbruch (1295) funktioniert seit mehr als 720 Jahren. Für das Ackerland gilt dies bereits für mehr als 1.200 Jahre. Hierbei geht nicht um die heutige maschinelle Bewirtschaftung, sondern um die grundsätzliche Entscheidung zugunsten des Ackerbaus auf ehemaligen Waldflächen.
Diese Transformation dieses Landschaftsausschnittes lässt sich in den Zeitzonen nachverfolgen in den Objekteinträgen zum Reichswald und zum Hochwald
Nach den Rodungen und Kulturvierungen, die eine andere Nutzung hervorbrachten, umfasst der ehemalige Ketelwald (heute Reichswald und Hochwald) nur noch einen Bruchteil seiner ursprünglichen Ausdehnung. Mit der Rodung, Kultivierung und dem Bau der Reichswaldsiedlungen Niers- und Reichswalde 1950 hat der Reichswald seinen heutigen Umfang erreicht. Östlich von Uedemerbruch befindet sich heute noch der Hochwald, der bis zum 13. Jahrhundert ein Teil des Reichswaldes war.
(Peter Burggraaff, Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz e.V., 2019)