Kurfürstlicher Speisesaal in der Bonner Residenz

Alte Aula, heutiger Festsaal der Rheinischen-Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Landeskunde
Gemeinde(n): Bonn
Kreis(e): Bonn
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 50° 44′ 2,7″ N: 7° 06′ 11,36″ O 50,73408°N: 7,10315°O
Koordinate UTM 32.366.144,59 m: 5.621.970,30 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.577.923,34 m: 5.622.645,37 m
  • Wandentwurf für den Speisesaal der Bonner Residenz (1715-1723)

    Wandentwurf für den Speisesaal der Bonner Residenz (1715-1723)

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    LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, Grafiksammlung.
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  • Akademischer Vortrag in der alten Aula der Universität Bonn mit ihren vier Fresken, welche die Fakultäten Theologie, Philosophie, Jurisprudenz und Medizin darstellten (1839)

    Akademischer Vortrag in der alten Aula der Universität Bonn mit ihren vier Fresken, welche die Fakultäten Theologie, Philosophie, Jurisprudenz und Medizin darstellten (1839)

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  • Stuckaturen (um 1700) im "Kleinen Tanzsaal", auch "Karyatidensaal" des kurfürstlichen "Sommerappartments" (2018).

    Stuckaturen (um 1700) im "Kleinen Tanzsaal", auch "Karyatidensaal" des kurfürstlichen "Sommerappartments" (2018).

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    Florian Weber
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    Florian Weber
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  • Porträt des Kurfürsten Clemens August von Bayern von George Desmarées um 1746

    Porträt des Kurfürsten Clemens August von Bayern von George Desmarées um 1746

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    LVR-LandesMuseum Bonn
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    George Desmarées
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Rekonstruktionsversuch eines verlorenen Raumes
Wer sich heute im Hauptgebäude der Universität Bonn, der ehemaligen kurfürstlichen Residenz, auf die Suche nach dem Speisesaal des Kurfürsten macht, wird enttäuscht. Dieser Raum hat die Zeiten nicht überdauern können, lässt sich aber aufgrund verschiedener Quellen in seinem Aussehen nachvollziehen:

Was verrät uns die Entwurfszeichnung?
Eine Entwurfzeichnung des Speisesaals der Bonner Residenz aus dem Atelier des Architekten Robert de Cottes ist erhalten geblieben und befindet sich heute im Bildarchiv des LVR-Amts für Denkmalpflege im Rheinland (vgl. Abbildungen in der Mediengalerie). Diese Entwurfszeichnung zeigt die Aufteilung der Wandfläche in zwei übereinander gelagerte horizontale Zonen: Die untere Fläche wird von prächtig gerahmten Spiegeln bestimmt, die von goldenen Leuchtern flankiert werden. Die Spiegel sollten den Raum optisch vergrößern und das Licht der vielen Leuchter reflektieren. Unterbrochen wird die Wandfläche zwischen den Spiegeln durch hohe Rundbogenfenster. Stuckatur-Ornamente zieren die Fläche oberhalb der Fensterbögen. Die Rundbogenfenster der oberen Wandfläche sind genau über die der unteren positioniert. Die Flächen zwischen den Fenstern bieten paarweise angeordneten Trägerfiguren Platz. Die heute noch erhaltenen originalen Stuckaturen des ehemaligen Sommerappartements in der Bibliothek des Romanistischen Seminars der Bonner Universität ähneln den Figuren der Entwurfszeichnung. Da es sich um eine Entwurfszeichnung handelt, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass die Wandgestaltung des Speisesaals wirklich so auch umgesetzt wurde. Was aber lässt sich sicher zum Aussehen des Raumes sagen?

Der Speisesaal
Ludwig Schiedermair beschreibt den Speisesaal im ausgehenden 18. Jahrhundert folgendermaßen:
„In dem durch zwei Geschosse reichenden Speisesaal (...) sind grüne Samtstühle um die lange Tafel gereiht, auf der sich silberne Leuchter, Aufsätze und Eßgeräte befinden.“ (Schiedermair 1978, S. 17)
In Wahrheit maß der Raum nur eineinhalb Geschosse. Durch zwei übereinander positionierte Reihen großer Rundbogenfenster trat viel Tageslicht in den Raum. Eine ebenfalls unerwähnte Eigenheit des Raumes stellt die aufgrund der Raumhöhe ermöglichte umlaufende Galerie dar. Diese Galerie bestand auch noch als der Speisesaal zur Aula umfunktioniert wurde (vgl. die Abbildung vom „akademischen Vortrag in der alten Aula“). Von dieser erhöhten Position aus konnten Besucher die Hoftafeln des Kurfürsten beobachten.

Der Kurfürst speist – und alle gucken
Das Speisen des Hofes in der Öffentlichkeit war zur Zeit des Absolutismus ein ganzeuropäisches Phänomen:
„Im 17. und 18. Jahrhundert gehörte es zu den Höhepunkten jeder Reise in eine Residenzstadt, persönlich einen Blick auf den Regenten und seinen Hof zu erhaschen. (...) Eindrucksvoll war es auch, den Fürsten an der festlich gedeckten Tafel beim Speisen zuzuschauen. Bankette, bei denen Publikum zugelassen war, fanden in der Frühen Neuzeit an allen europäischen Höfen statt, an manchen nur zu besonderen Anlässen, an anderen täglich. (...) Der Menge der Schaulustigen wegen hielt man es an einigen Höfen sogar für nötig, die Tafel mit Balustrade zu umgeben.“ (Völkel 2008, S. 293f)
Im Bonner Speisesaal wurde keine Balustrade benötigt, da es die höher positionierte Galerie gab, die den Raum des Hofes von dem der Zuschauer abgrenzte. Aber wie wurde eine solche Festtafel organisiert? Auf diese Frage gibt die Verortung des Speisesaals innerhalb des Schlossgebäudes Aufschluss (vgl. die Geometrie des Luftbildes), befand er sich im Ostturm und bildete somit den letzten Eckpunkt des alten Schlossgebäudes. Auf der anderen Seite grenzte der Raum unmittelbar an den bis an den Rhein gestreckten Galerieflügel an. Zu diesem gab es eine Verbindung zum Buffetsaal. Dort waren, der Name sagt es bereits, die Speisen angerichtet, die zuvor in der darunterliegenden Küche gekocht worden waren und konnten von dort aus schnell in den Speisesaal serviert werden (Jumpers 2007, 85f.).

Der Speisesaal - alles nur noch Schall und Rauch
Der kurfürstliche Speisesaal fiel, wie so viele der prachtvollen Räume der kurfürstlichen Residenz in Bonn, den Flammen während des großen Feuers im Jahre 1777 zum Opfer. Zwar wurden viele der Schlossräume unter Kurfürst Max Friedrich (1708-1784, Erzbischof und Kurfürst seit 1761) wiederhergestellt, die alte Pracht wurde aufgrund von Sparmaßnahmen jedoch nie wieder erreicht. Im 19. Jahrhundert wurde der Speisesaal zur Aula der Rheinischen-Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn umfunktioniert. Die unteren Fenster wurden zugemauert und die Wände wurden in den frühen 1820er Jahren von Schülern des Peter Cornelius mit vier großen Fresken der vier verschiedenen Fakultäten ausgestattet (Büttner 1999, S. 6f.).
Manches von der Raumstruktur erinnerte jedoch noch an die ursprüngliche Raum-Funktion, so beispielsweise die umlaufende Galerie. Mit den Bombardements des Zweiten Weltkrieges und der mit diesen einhergehenden schweren Beschädigung des ehemaligen Residenzschlosses, verschwanden auch vielfach die ursprünglichen Raumstrukturen.

(Florian Weber, LVR-Redaktion KuLaDig, 2018)

Literatur

Büttner, Frank (1999)
Peter Cornelius. Fresken und Freskenprojekte; Band 2. Stuttgart.
Hartmann, Eric (2007)
Die Baugeschichte von 1723-77. In: Satzinger, Georg (Hrsg.): Das kurfürstliche Schloß in Bonn. Residenz der Kölner Erzbischöfe. Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, S. 11-18. München u. Berlin.
Jumpers, Marc (2007)
Die Raumnutzung und Ausstattung vom Tode Kurfüst Joseph Clemens' 1723 bis zum grossen Brand 1777 - Versuch einer Rekonstruktion. In: Satzinger, Georg (Hrsg.): Das kurfürstliche Schloß in Bonn. Residenz der Kölner Erzbischöfe. Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, S. 83-97. München u. Berlin.
Schiedermair, Ludwig (1978)
Der junge Beethoven. Hildesheim.
Völkel, Michaela (2008)
Könige als Kuriositäten. Monarchen und ihre Effigies als Objekte der Schaulust 1660-1860. In: Hahn, Stephanie u. Sprenger, Michael H. (Hrsg.): Herrschaft - Architektur - Raum. Festschrift für Ulrich Schütte zum 60. Geburtstag, S. 293-313. Berlin.

Kurfürstlicher Speisesaal in der Bonner Residenz

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
An der Schlosskirche
Ort
53111 Bonn - Zentrum
Fachsicht(en)
Landeskunde
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Auswertung historischer Fotos, Literaturauswertung
Historischer Zeitraum
Beginn 1700 bis 1730, Ende nach 1777

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„Kurfürstlicher Speisesaal in der Bonner Residenz”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-290055 (Abgerufen: 24. April 2024)
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