Die Kölner Traditionsfirma für Putz- und Pflegemittelprodukte der Marke Sidol wurde 1903 von den Kaufleuten Otto Siegel und Eugen Wolff in der Kölner Eifelstraße gegründet und verlagerte seine Produktion 1910 zunächst nach Nippes und nur kurz darauf nach Braunsfeld.
Braunsfeld und Sidol Das Unternehmen für Reinigungs- und Pflegemittel wurde 1903 von den Kaufleuten Otto Siegel und Eugen Wolff in der Kölner Eifelstraße (heutiger Stadtteil Neustadt-Süd) gegründet und verlagerte seine Produktion 1910 zunächst nach Nippes und schließlich nur kurz darauf im Jahr 1911 auf ein großes Freigelände mit Gleisanschluss in die Eupener Straße in Braunsfeld. Das 1888 mit damals lediglich rund 650 Einwohnern in die Stadt Köln eingemeindete Braunsfeld geht auf eine erste Ziegelei von Ferdinand Braun im Jahre 1862 zurück (HBHistSt NRW 2006). Die Arbeiterschaft des Kölner Unternehmers wohnte und lebte seinerzeit „im Braun’s Feld“ – daher der Name des um 1900 durch frühe Industrie und Wohnsiedlungen aufstrebenden Orts und heutigen Stadtteils Braunsfeld.
Das in diesen Jahren prosperierende Unternehmen Chemische Werke Siegel & Co. ließ für die Erweiterung seiner Produktion in Form der nun notwendigen industriellen Massenfertigung 1926/1927 einen Neubau durch den Architekten Otto Müller-Jena (1875-1958, eigentlich Otto Heinrich Friedrich August Müller) errichten. Müller-Jena erstellte mit dem Industrieensemble in Eisenbeton „ein einmaliges Baudenkmal der klassischen Moderne“ im „modernsten internationalen Stil … . Die Anlage ist das erste Stück Bauhaus-Architektur seiner Art in Köln und eines von ganz wenigen im Rheinland.“ (barbara-schock-werner.de) „Die nach dem Prinzip eines konsequenten Funktionalismus in Eisen, Beton und Glas errichteten Bauten sind Ausdruck der technischen Leistungskraft, des Modernisierungsschubs und der ästhetischen Leitbilder der 1920er Jahre.“ (Turck 2004) Die Bauaufgabe für den Neubau umfasste technische Anlagen wie Maschinenhaus, Braunkohlenbunker und -öfen, Heizkessel, Laboratorien, Tankanlagen, Rohrleitungssysteme und Kanäle, Mischkessel, eine Wachsschmelze, Gießmaschinen sowie Auskühlungsanlagen für die in Dosen aus einer eigenen Blechwarenfabrik abgefüllten Substanzen. Bereits in den Jahren 1921-1924 waren – ebenfalls durch Otto Müller-Jena – Einfamilienhaus-Wohnsiedlungen an der Malmedyer Straße und der Eupener Straße entstanden (Turck 2004, S. 3-5). Am Sidol-Werk wurden 1936 parallel zur Eupener Straße gelegene Verwaltungsbauten ergänzt und 1949 nochmals zwei Pförtnerhäuser in Rundbauweise. Bis in die 1960er Jahr wuchs Sidol zu einem „Konzern mit mehr als 4.000 Mitarbeitern, weltweiten Absatzmärkten und marktbeherrschender Position für Reinigungserzeugnisse.“ (ebd.) Nur kurz nach dem 1969 erfolgten Zusammenschluss der Chemischen Werke Siegel & Co. mit den Thompson-Werken in Düsseldorf zur Thompson-Siegel GmbH wurde dieses Unternehmen 1971 durch den Konsumgüterproduzenten Henkel GmbH mit Hauptsitz in Düsseldorf-Holthausen übernommen (seit 1975 Henkel AG & Co. KgaA). Dorthin wurde in den 1980er Jahren dann auch die Kölner Produktion verlagert. Bis heute werden Sidol-Produkte von Henkel als „für jeden Problembereich passender Reiniger … für einen rundum sauberen und gepflegten Haushalt“ vertrieben (henkel.de, 2018).
Architektur Der Architekt Otto Müller-Jena plante für die Fabrikbauten im Industrievorort Braunsfeld/Müngersdorf nicht die im Rheinland beliebten Backstein-Massivbauten, sondern kubische Gebäude aus Beton, Stahl und Glas im Bauhaus- Stil. Die Architektur seines Fabrikensembles spiegelt die Flexibilisierung und Technisierung der durch Fließbandarbeit bestimmten Massenproduktion wieder: Großräumige Hallen mit tragenden Stützen und Unterzügen statt Innenwänden ermöglichen die aufgrund technischer Innovationen immer wieder erforderliche Um-Organisation der fließenden Produktionsabläufe. Das blockartige Kesselhaus und die flacheren Bauten für Kraftmaschinen im Westen des Werksgeländes sind mittlerweile abgerissen worden, doch das winkelförmige Fabrikationsgebäude mit dem markanten Wasserturm und einem hohen Schornstein ist erhalten. Seine glatten, weißen Putzflächen und die bündig in die Fassade eingesetzten Eisensprossenfenster betonen die Flächigkeit des Baukörpers. Die durch das flache Dach und die Fensterbänder betonten, horizontalen Linien kontrastiert der Turm, den leicht vorspringende Pfeiler und das deutlich abgesetzte Wasserreservoir an der Spitze vertikal gliedern. Das Verwaltungsgebäude nördlich der Einfahrt an der Eupener Straße errichtete der Kölner Valentin Pollack nach dem Zweiten Weltkrieg: Die zeittypische Bauform mit zurückspringendem Staffelgeschoss, vorkragendem Flachdach und horizontal ausgerichteten Fenstern verbindet den Bau mit dem Fabrikgebäude und deutet auf die Wurzeln der Fünfziger-Jahre-Architektur im funktionalistischen Stil der Zwischenkriegszeit hin. Auch die beiden runden Pförtner-Pavillons an der Einfahrt entstanden in dieser Phase.
Nach dem Sidol-Ende in Köln Seit dem Verkauf des Unternehmens und der Einstellung der Produktion in Köln gab es über 30 Jahre hin verschiedene Zwischennutzungen des früheren Sidol-Geländes, darunter eine Zirkus-Kneipe Bel-Air, verschiedene Kleingewerbebetriebe und von 1991 bis 1999 ein künstlerisches Ausstellungsprojekt Autoren Galerie Kostka. Dieses Kunstprojekt mit raumgreifenden Bild- Klang- und Lichtinstallationen wurde mit mehreren nationalen und internationalen Architekturpreisen ausgezeichnet. Zuletzt plante ein Investor eine Neubebauung des Geländes, um dort Wohnungen zu errichten. Der geplante Abriss des Baudenkmals wurde bereits 2009 genehmigt. Dieses Vorhaben war jedoch hinsichtlich des bestehenden Denkmalschutzes keineswegs unumstritten, schreibt doch der Bebauungsplan von 2009 das Fabrikgebäude als zu erhaltendes Element im Herzen einer Wohnbebauung fest (barbara-schock-werner.de und ksta.de). Der als das Wahrzeichen der Firma geltende alte Sidol-Wasserturm ist inzwischen als baulicher Bestandteil in einen westlich der Eupener Straße entstehenden modernen Wohn- und Gewerbekomplex eingebunden (Begehung am 13.06.2018).
Der Wasserturm Ein Wasserturm ist ein Wasserhochbehälter in Form eines Turmes und dient zur Speicherung von Wasser, das mit konstantem Wasserdruck benötigt wird. Im Sidol-Werk stellte das Hochreservoir den Druckausgleich des benötigten Kühlwassers für die Produktion wachs-, terpentin- und benzinhaltiger Stoffe sicher. Der Wasserspeicher wurde auf einem turmartigen Unterbau errichtet. Die Turmgeschosse waren über ein im Verband mit dem Hauptgebäude der Fabrik anknüpfendes Treppenhaus erreichbar (Turck 2004). Der ehemalige Behälterraum umfasst 5 x 6 x 6 Meter und enthält das eigentliche, vom Turm deutlich abgesetzte Wasserreservoir, einen nach oben offenen Raum von 3,0 × 3,7 × 3,8 Metern. Unter der Decke des Außenraumes befinden sich gegenüber zwei Fensterbänder mit jeweils drei Fenstern. „Als städtebaulicher Akzent bildet der alle Gebäude überragende, dynamisch emporstrebende Turmbau, dessen Schaft durch Lisenen und kräftige Eckvorlagen und dessen Bekrönung durch das deutlich abgesetzte Wasserreservoir gegliedert sind, das Wahrzeichen der Firma.“ (ebd.) Heute ist der Turm Teil eines modernen Wohn- und Gewerbekomplexes.
Baudenkmal Das Objekt „Fabrik und Bürohäuser (Sidol-Werke Siegel & Co.)“ ist mit Eintragung vom 20. Januar 1998 Baudenkmal der Stadt Köln (Denkmalliste Köln, laufende Nr. 8264, nach stadt-koeln.de, Denkmalliste).
(Franz-Josef Knöchel, LVR-Redaktion KuLaDig, 2018/2021; Ergänzungen zur Architektur von Walter Buschmann / Matthias Hennies / Alexander Kierdorf, Institut. Industrie-Kultur-Geschichte-Landschaft, 2018)
Internet www.barbara-schock-werner.de: Untergang eines Baudenkmals – Sidol-Werke. Die Sidol-Werke müssen Neubauten weichen: Nachruf auf ein Stück Kölner Industriegeschichte (Text Prof. Dr. Barbara Schock-Werner, 13.06.2014, veröffentlicht im Kölner Stadt-Anzeiger, abgerufen 30.01.2018) www.buergerverein-koeln-muengersdorf.de: Von Sidol zum Park Linné. Ein wirtschaftshistorischer Rückblick (Text Prof. Dr. Klara van Eyll, abgerufen 02.09.2021) www.rheinische-industriekultur.com: Sidol-Werke, Köln, Eupener Str. 57-59 (abgerufen 02.09.2021) www.ksta.de: Sidol-Gelände, Widerstand gegen Abbruchpläne (Kölner Stadt-Anzeiger vom 14.03.2012, abgerufen 30.01.2018) www.henkel.de: SIDOL-Reiniger (abgerufen 30.01.2018, Inhalt nicht mehr verfügbar 02.09.2021, nun Markenname „Bref“) www.stadt-koeln.de: Suche in der Denkmalliste (abgerufen 30.01.2018, Inhalt nicht mehr verfügbar 18.01.2024) www.stadt-koeln.de: Interaktive Denkmalkarte Köln (abgerufen 18.01.2024) de.wikipedia.org: Autoren Galerie Kostka (abgerufen 30.01.2018)
Handbuch der Historischen Stätten Nordrhein-Westfalen. (HbHistSt NRW, Kröners Taschenausgabe, Band 273.) S. 601, Stuttgart (3. völlig neu bearbeitete Auflage).
Kramp, Mario (Hrsg.) (2011)
Made in Cologne: Kölner Marken für die Welt. Begleitband zur Ausstellung im Kölnischen Stadtmuseum vom 11. Juni bis zum 11. September 2011. S. 106 ff., Köln.
Turck, Martin (2004)
Die ehemaligen Sidol-Werke in Köln-Braunsfeld. Von der chemischen Fabrik zum Kunst- und Kulturzentrum? (Rheinische Kunststätten, Heft 482.) Köln.
Wilhelm, Jürgen (Hrsg.) (2008)
Das große Köln-Lexikon. S. 402 u. 465-466, Köln (2. Auflage).
Der hier präsentierte Inhalt ist urheberrechtlich geschützt. Die angezeigten Medien unterliegen möglicherweise zusätzlichen urheberrechtlichen Bedingungen, die an diesen ausgewiesen sind.
Möchten Sie dieses Objekt in der Kuladig-App öffnen?
Wir verwenden Cookies
Dies sind zum einen technisch notwendige Cookies,
um die Funktionsfähigkeit der Seiten sicherzustellen. Diesen können Sie nicht widersprechen, wenn
Sie die Seite nutzen möchten. Darüber hinaus verwenden wir Cookies für eine Webanalyse, um die
Nutzbarkeit unserer Seiten zu optimieren, sofern Sie einverstanden sind. Mit Anklicken des Buttons
erklären Sie Ihr Einverständnis. Weitere Informationen finden Sie auf unserer Datenschutzseite.