1862 gründete Franz Clouth in der Altstadt eine Gummiwarenfabrik, die sich zu einem der bedeutendsten Kölner Unternehmen entwickelte – ähnlich wie die Konkurrenzfirma Kohlstadt. Clouth verkaufte zunächst aus England eingeführte Produkte aus Kautschuk. Nach dem Umzug auf ein größeres Gelände in Nippes 1868 vergrößerte er seine Produktion zunächst mit Haushaltsartikeln wie Milchflaschensaugern, Laborbedarf und Medizinprodukten. Bald kamen mit Gummi überzogene Baumwollstoffe für Regenmäntel, Zelte oder Gummiboote hinzu, schließlich sogar beschichtete Gewebe für Fesselballons und Zeppeline. Ertragreicher war allerdings die Kabelfertigung, die im Werk an der Niehler Straße bald vom Telefon- über das Licht- bis zum Unterwasserkabel reichte. So wurde 1890 die Abteilung Kabelwerke gegründet, die 1898 in die Land- und Seekabelwerke AG umfirmierte. 1905 ging sie in die Hände des mächtigen Konkurrenten Felten & Guilleaume aus Mülheim über, der seit 1904 Hauptaktionär war.
1925 übernahm Felten & Guilleaume die gesamte Firma – man sieht es an der Architektur der neuen Gummifabrik an der Xantener Straße: Ähnlich wie bei der Hauptverwaltung des Konzerns in Mülheim wird die Backsteinfassade mit den großen Fensterflächen von mächtigen, vertikalen Pfeilern geprägt, wobei ein ausgeprägtes horizontales Gesims unter dem Dach die Bewegung auffängt. Am 3. Oktober 1944 wurden die Fabrikanlagen bei einem Luftangriff zerstört. Auf dem Fabrikgelände befand sich zu dieser Zeit auch ein Kriegs- und Zivilgefangenenlager (museenkoeln.de). Der Bau einer neuen Kabelfabrik begannnach den katastrophalen Kriegszerstörungen 1949. Ihre Fassade mit den mit Kunststein eingefassten, schlanken Rechteckfenstern zieht sich an der Niehler Straße entlang. Aussagekräftiger ist an der Hausnummer 102 das Ensemble von Verwaltungsbauten, das 1951–57 um einen Ehrenhof arrangiert wurde wie ein Adelspalais. Die Front des Verwaltungsgebäudes in der Mitte zeigt mit den von Kunststein umrahmten Fenstern und der zentralen Doppeltür noch ästhetische Vorstellungen der NS-Zeit. Die schlichten Seitenflügel aber entsprechen mit ihren Fensterbändern und den kaum sichtbaren Dächern den Bauvorstellungen der 1920er Jahre. Aufgelockert werden sie durch die kräftige Rundung der vorspringenden Treppenhäuser, die das Pförtnerhäuschen in der Mitte des Ensembles wieder aufnimmt.
Nach 1945 wurde direkt südlich des Werks eine Arbeitersiedlung aus neun giebelständigen Einzelhäusern aus Backstein mit steilen Satteldächern errichtet (clouth.org, rheinische-industriekultur.de). 1990 erfolgte die Übernahme der Clouth-Werke durch Continental. Es folgten erste Teilstilllegungen und Neunutzungen von Gebäuden durch Kleingewerbe, Künstler etc. 2003 übernahm die Stadt Köln das Gelände und lobte einen städtebaulichen Wettbewerb aus, mit dem Ziel, ein neues Stadtquartier zu schaffen, das 2018 bereits in großen Teilen baulich realisiert war. Die Denkmalbauten und die Halle 10 blieben dabei erhalten.
Kulturhistorische Bedeutung Die Clouth-Werke waren das stadtbildprägende Industriewerk in Nippes, zugleich bestimmte das Werk als Arbeitsstätte das Arbeitsleben eines Großteils der ansässigen Bevölkerung. Industriehistorisch bedeutend ist die hier vollzogene Fertigung von Produkten aus Natur- und Kunstkautschuk, die eine überregionale Bedeutung erlangte. Der Firma gelangen bedeutende Produktinnovationen in der Gummifabrikation. Die Fabrikgebäude aus den 1950er Jahren sind bedeutende Repräsentanten der Architektur der 1950er Jahre, die nach den erfolgten, umfangreichen Abrissmaßnahmen auf dem Gelände jetzt nur noch die Straßenfront an der Niehler Straße prägen. Erstrebenswert ist deshalb der Erhalt der denkmalgeschützten Bauten auf dem Clouth-Gelände und der Erhalt der zugehörigen Wohnsiedlung.
(Martina Gelhar, LVR-Abteilung Kulturlandschaftspflege 2016/2018; Walter Buschmann / Matthias Hennies / Alexander Kierdorf, Institut. Industrie-Kultur-Geschichte-Landschaft, 2018)
Hinweise Die „Clouth-Werke in Köln-Nippes“ sind wertgebendes Merkmal des historischen Kulturlandschaftsbereichs Clouth-Werke Nippes (Kulturlandschaftsbereich Regionalplan Köln 339). Auf der „Millionenallee“ genannten Mittelachse des Kölner Melatenfriedhofs befindet sich die Grabanlage der Familie Clouth, die 1904 von dem Bildhauer Rudolf Bosselt (1871-1938) gestaltet wurde (www.womeli.de).
Internet clouth.org: In Memoriam: Franz Clouth (1838-1910) und Nachfolger Max Clouth (abgerufen 28.11.2016) museenkoeln.de: NS-Dokumentationszentrum Köln, Lager der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, Kriegsgefangenen und der KZ-Häftlinge in Köln (abgerufen 28.11.2016) www.koeln.de: „Made in Cologne“ stellt Produkte und Unternehmen vor. Was Köln in der Welt bekannt macht (erstellt 27.05.2015, abgerufen 16.05.2022) www.rheinische-industriekultur.de: Köln-Rheinische Gummiwarenfabrik Clouth (abgerufen 28.11.2016) www.womeli.de: Womeli Fotografie, Köln Melaten Friedhof, „Franz Clouth baute sogar ein eigenes Luftschiff!“ (02.06.2021, abgerufen 02.02.2022)
Literatur
Irsfeld, Franz (Hrsg.) (1983)
Nippes gestern und heute. Eine Geschichte des Stadtbezirks und seiner Stadtteile Nippes, Bilderstöckchen, Mauenheim, Weidenpesch, Longerich, Niehl, Riehl. Köln.
Kramp, Mario (Hrsg.) (2011)
Made in Cologne: Kölner Marken für die Welt. Begleitband zur Ausstellung im Kölnischen Stadtmuseum vom 11. Juni bis zum 11. September 2011. S. 56 ff., Köln.
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Empfohlene Zitierweise
Gelhar, Buschmann , Hennies , Kierdorf, 2018: „Clouth-Werke in Nippes”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-261927 (Abgerufen: 12. Dezember 2024)
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