Wie Dieter Herbarth schreibt (ders. 1978, S. 45f):
„Man hielt es aus militärstrategischen Gesichtspunkten auf dem Hintergrund der geographischen Gegebenheiten und der außenpolitischen Bedingungen für notwendig, den derzeitig langen Informationsfluss und die dadurch bedingten Entscheidungsverzögerungen zwischen dem Rheinland und der Zentrale in Berlin durch das neue Kommunikationsmittel zu beschleunigen [...], um auf diese Weise eine höchste Effizienz kommender militärischer Aktionen zu erreichen. [...]
Die innen- und verwaltungspolitische Notwendigkeit waren mit der Zuweisung der Westprovinzen Rheinland und Westfalen 1815 an Preußen territoriale Streitigkeiten an der Westgrenze für den Augenblick beigelegt und die außenpolitische Ordnung in Europa einigermaßen gefestigt, so regelten diese Beschlüsse innenpolitisch jedoch gar nichts, selbst wenn man in der Wiener Bundesakte von landständischen Verfassungen für alle Länder des deutschen Bundes sprach. [...] Für Preußen ergaben sich in den folgenden Jahren erhebliche verfassungspolitische Probleme, die einmal in der allgemeinen liberalen Strömung, die weitgehend das politische Leben Europas prägte, zum anderen aber aus der heterogenen Zusammensetzung des neuen preußischen Staates resultierten. [...]
Besondere Probleme bargen dabei die Westprovinzen. Unterschiedliche historische Voraussetzungen [...] und eine daraus für den preußischen Staat resultierende unbequeme selbstbewusste Eigenständigkeit führten [...] nicht nur zu spezifischen verfassungs- und verwaltungspolitischen Forderungen, sondern auch zu soziologisch bedingten Auseinandersetzungen innerhalb der Rheinprovinz selbst. [...] Rheinische Liberale [...], der niederrheinische Adel [...] und der rheinisch-katholische Adel [...] bildeten auf der Basis eines landsmannschaftlichen Gemeinschaftsgefühls eine einheitliche Opposition gegenüber der landschaftsfremden Staatsverwaltung, so daß sich hier [...] in den ersten Jahrzehnten nach 1815 [...] ein [...] der Berliner Zentrale entgegengesetztes Selbstbewußtsein manifestierte. [...] Gerade diese Verfassungsbewegung, die sich im Rheinland und in Westfalen kräftig entfaltete, erhielt starken Auftrieb, als im Sommer 1830 durch die Revolution in Frankreich und Belgien eine neue politische Lage geschaffen wurde. [...] Die westfälischen Provinzialstände verhandelten auf dem 3. Provinziallandtag im Winter 1830/31 als erste gesetzlich berufene politische Korporation über ein Verfassungsbegehren. [...]“
Dennoch dauerte es noch bis 1832, ehe mit dem Bau der Telegrafenlinie begonnen wurde. Man entschied sich für ein System der optischen Kommunikation basierend auf sechs Flügeln (Indikatoren), die paarweise an einem ca. 6,30 Meter hohen Mast angebracht waren. Diese konnten durch Seilzüge in verschiedene Positionen gebracht werden (ebd., S. 51).
Die jeweilige Stellung der Flügel entsprach einem (chiffrierten) Buchstaben, einer Zahl oder einem feststehenden Begriff, die mittels eines Fernrohrs am nächsten Standort beobachtet, notiert und in gleicher Weise weiter gegeben werden konnten. Das Weitergeben von Informationen war streng geregelt und in einem Telegrafistenwörterbuch sowie zwei Instruktionsbüchern festgehalten.
„Es kam vor allem auf kurze Ausdrücke und möglichst wenige Zeichen an. Interpunktionszeichen durften nur mitchiffriert werden, wenn sie zum Verständnis notwendig waren. [...] Ein solches Wörterbuch war auf jeder Telegrafenstation vorhanden [...] und [...] enthielt 2250 Zeichen und [...] auf achtzehn Seiten verschiedene Wörter: Hilfsverben, Orts- und Flußnamen, Personennamen, Namen und Titel, Telegrafenteile, Werkzeuge, Materialien, Monate, Wochentage, Stunden, Zahlen, allgemeine Redesätze und Redesätze für das Telegrafieren. [...]
Bei der Übermittlung von Depeschen war eine genaue Aufgabenteilung vorgeschrieben. Nachdem zunächst den beiden Telegrafisten einer Station die Nachbarstation beobachtet hatte, teilte sich das Übermitteln selbst in das Beobachten und Diktieren und in das Stellen der Zeichen auf. [...] Hatte der Telegrafist das Zeichen gestellt, kontrollierte dieser nun seinerseits das Zeichen der nachfolgenden Station. Der zweite Telegrafist verglich das gestellte Zeichen an der Steuerungsmaschine mit dem Vorgänger und trug es in das Journal ein. [...]
Sehr genau festgelegt war die Reihenfolge der Zeichen beim Telegrafieren einer Depesche. Zusätzlich mußte die Zeit des Abgangs und das Datum angegeben werden. Bei den ankommenden Depeschen hatten die Telegrafisten zu unterscheiden zwischen einer normalen ‚Meldung von Stationen Nr ...‘ und einem ‚Citissime! Es wird gemeldet von Station Nr. ...‘, womit eine vorzugsweise zu befördernde Depesche angekündigt wurde. [...]
Um Überschneidungen möglichst zu vermeiden, war auch der Depeschengang genau geregelt. So sollte den ganzen Tag über zu jeder vollen Stunde eine Meldung von der Endstation nach Berlin abgehen. Lag keine Depesche vor, wurde zumindest das Zeichen ‚Nichts Neues‘ telegrafiert. Hiernach hatten die Zwischenstationen sukzessive die Möglichkeit, Meldungen nach Berlin zu senden. War auf diese Weise die nach Berlin zu übermittelnde Korrespondenz erledigt, folgte die Meldung in umgekehrter Richtung. War danach ebenfalls nichts mehr zu berichten, blieb die Linie bis zur nächsten vollen Stunde in Ruhe.“ (ebd., S. 56)
Nimmt man die heutige Grenzziehung der Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz als Grundlage, so beginnt der rheinländische Teil der Telegrafenlinie Berlin – Koblenz in der Nähe von Radevormwald, überquert zweimal den Rhein bei Köln und verlässt bei Hennef/Sieg das NRW-Rheinland. Auf dieser Strecke von ca. 90 Kilometern befanden sich in preußischer Zeit insgesamt neun Stationen:
- Station 46 – Radevormwald
- Station 47 – Buchholzen auf dem Rattenberg
- Station 48 – Strasserhof
- Station 49 – Schlebusch
- Station 50 – Flittard
- Station 51 – Köln - Sankt Pantaleon
- Station 52 – Niederzündorf
- Station 53 – Spich
- Station 54 – Söven
Hinweis
Die Optischen Telegrafen der Linie Berlin - Koblenz im Rheinland sind wertgebende Merkmale des historischen Kulturlandschaftsbereiches Optisch-mechanischer Telegraph Berlin - Koblenz (Regionalplan Köln 359).
(Karl-Heinz Buchholz, LVR-Fachbereich Regionale Kulturarbeit, 2015)
Internet
de.wikipedia.org: Liste der Stationen des preußischen optischen Telegrafen (abgerufen 16.10.2019)
www.ksta.de: Kölns geheimnisvollste Orte: „Die Telegrafenstation Flittard sendete von Berlin nach Köln“ (Kölner Stadt-Anzeiger vom 04.02.2019, abgerufen 12.08.2020)