Die Queichlinien in Bellheim und Umgebung - eine Feldbefestigung aus dem 18. Jahrhundert

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Fachsicht(en): Landeskunde
  • Kolorierter Kartenausschnitt mit den eingezeichneten Queichlinien in Offenbach und Bellheim (1759)

    Kolorierter Kartenausschnitt mit den eingezeichneten Queichlinien in Offenbach und Bellheim (1759)

    Copyright-Hinweis:
    Stadtarchiv Landau
    Fotograf/Urheber:
    Hermann-Josef; unbekannt / Stadtarchiv Landau
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  • Kolorierter Kartenausschnitt von Bellheim mit den eingezeichneten Queichlinien (1759)

    Kolorierter Kartenausschnitt von Bellheim mit den eingezeichneten Queichlinien (1759)

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Während des Pfälzischen (1688 - 1697) und Spanischen Erbfolgekrieges (1701 -1714) errichteten Franzosen in der Rheinebene linienförmige Feldbefestigungen. Teile dieser sogenannten Queichlinien haben sich in der Verbandsgemeinde Bellheim und Umgebung erhalten.

Befestigungslinien im 17. und 18. Jahrhundert
Die Queichlinien
Auswirkungen für die Bevölkerung
Spätes 18. Jahrhundert
Zur Zeit Napoleons


Befestigungslinien im 17. und 18. Jahrhundert
Stellungskriege wie im 20. Jahrhundert, mit Frontlängen von zum Teil hunderten und tausenden Kilometern, in denen sich riesige Armeen in Schützengräben lange Zeit relativ unbeweglich gegenüberlagen, waren zur Entstehungszeit der Feldbefestigung in der Mitte des 18. Jahrhunderts vollkommen unbekannt und konnten mit den damaligen Mitteln auch nicht geführt werden. Die Kriegsparteien versammelten je nach ihren Kräften Armeen, die nach Möglichkeit die jeweiligen Gegner in offener Feldschlacht bezwingen beziehungsweise gegnerische Festungen belagern und einnehmen sollten. Große Armeen dieser Zeit bestanden aus 30.000 bis 40.000 kampffähigen Soldaten, davon etwa ein Viertel Kavallerie. Ein gutes Beispiel ist die sogenannte „Pragmatische Armee“ im Österreichischen Erbfolgekrieg (1740-1748), in der die Verbündeten Großbritannien, Österreich und Hannover etwa 35.000 Soldaten, davon 8.000 Reiter in die Schlacht bei Dettingen am 27. Juni 1743 führen konnten. Die Gegner, eine französische Armee unter Marschall Noailles, Verbündete des deutschen Kaisers Karl VII., gleichzeitig bayerischer Kurfürst und Schwager Maria Theresias, konnten eine etwas größere Zahl ins Feld führen. Dennoch unterlag Noailles, mit weitreichenden Konsequenzen. Fühlte sich eine Seite einer Schlacht nicht gewachsen, so versuchte man, sich auf feste Plätze zurückzuziehen, die nur durch langwierige Belagerungen einzunehmen waren. Die Beweglichkeit der Armeen im Barockzeitalter war stark eingeschränkt, bei einer durchschnittlichen Tagesleistung von 20 Kilometern waren Überraschungsangriffe auf Festungen oder befestigte Plätze beinahe ausgeschlossen. Starke Festungen wie Mannheim, Philippsburg oder Landau sollten den jeweils eigenen Armeen Deckung geben, und wenn diese nicht standhalten konnten, im Belagerungsfalle möglichst lange die gegnerischen Truppen davon abhalten, in das Hinterland einzufallen.

Als Ergänzung zu den aufwendigen Hauptfestungen wurden in der Rheinebene seit dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648), in größerem Umfang im pfälzischen (1688-1697) und spanischen (1701-1714) Erbfolgekrieg, linienförmige Feldbefestigungen errichtet. Diese befestigten Linien waren grundsätzlich in Erdbauweise errichtet. Sie bestanden aus Wall (Brustwehr) und Graben, in die an geeigneten Stellen dreieckige, quadratische oder sternförmige Schanzen eingefügt oder vorgelagert waren. Sofern Wald vorhanden war, wurden Verhaue vor den Linien mit einbezogen. Wo immer möglich, wurden Gewässer oder sumpfige Bereiche genutzt, wodurch vor allem die Beweglichkeit der Artillerie stark eingeschränkt wurde. Die Linien sollten fremde Truppen daran hindern, die Rheinebene längs des Rheins zu durchziehen (Stollhofener Linien südlich Rastatt, Ettlinger Linien, Lauter-, Queich- und Speyerbachlinien), den Rhein zu überschreiten (Linien entlang des rechten Rheinufers von Ettlingen bis zum Main von 1713/14) oder die Rheinebene Richtung Neckarbecken/Heilbronn zu verlassen (Eppinger Linien).
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Die Queichlinien
In den Jahren 1688 bis 1691 war die Festung Landau von Frankreich mit großem Aufwand neu errichtet worden. Ihre Hauptaufgabe war den Zugang zum Elsass gegen Angriffe von Norden zu verschließen, wie von Marschall Vauban, dem Festungsbaumeister Ludwig XIV. in einer Denkschrift von 1687 klar dargelegt wurde. Da eine Festung mit selbstverständlich beschränkter Ausdehnung aber ohne Weiteres umgangen werden konnte, wurden später mehrere befestigte Linien entlang größerer Bäche angelegt. Es handelte sich dabei um die Moder-, Lauter-, Queich- und Speyerbachlinien. Die Queichlinien reichten dabei von Annweiler über Landau bis zum Rhein, zunächst bei Germersheim, letztendlich bei Hördt. Zwischen Annweiler und Landau gab es keine durchgehende Befestigung, sondern lediglich einzelne Schanzen. Ab Albersweiler diente der für den Festungsbau angelegte Kanal bis Landau als Graben der Linien. Von der Queich wurde durch einen kleinen gemauerten Kanal auf der Höhe der heutigen Stadtbibliothek (Schleuse 121) in Landau Wasser für die Queichlinien abgeleitet, das aber lediglich der Wasserversorgung das Grabens bis Queichheim diente. Ab der Queichheimer und der Mörlheimer Mühle (heute Paulusstift) konnte die Queich ab 1744/45 aufgestaut und vollständig in ein Grabensystem geleitet werden, dass zum großen Teil aus bestehenden kleinen Wasserläufen wie Birnbach, Brühlgraben und Spiegelbach bestand. Lücken zwischen den natürlichen Wasserläufen wurden mit künstlichen Gräben geschlossen.

In Abständen von wenigen hundert Metern wurden Dämme gebaut, um großflächige Überschwemmungen der ausgedehnten Wiesenflächen zu erreichen. Auf der Feindseite der Dämme, also im Norden, wurden Dreiecksschanzen zum Schutz der Dämme errichtet, teilweise mit Schenkellängen von über 100 Metern. In der Gemarkung Bellheim, wo schon große Höhenunterschiede im Übergangsbereich des Spiegelbachs zur Rheinniederung vorhanden sind, wurden zwei Dämme mit Stauhöhen von sechs und neun Metern errichtet, von denen noch Reste erhalten sind. Der größere der beiden Dämme, direkt am Hochufer des Rheins beim Eintritt des Spiegelbachs in die Rheinniederung gelegen, war etwa 110 Meter lang, am Fuß etwa 50 Meter, an der Krone noch 10 Meter breit. Die Krone erhob sich 10 Meter über dem Talgrund. Da die Dämme der Queichlinien aber nur mit Reisigbündeln (Faschinen) und in der Umgebung gefällten Bäumen verstärkt waren, konnten die beiden hohen Dämme dem Wasserdruck nicht lange standhalten und brachen schon spätestens nach zwei Jahren (vermutlich 1747/48). Da der größer dieser beiden Dämme und seine Schanze im Wald lagen, blieb die Schanze als einzige weitgehend erhalten, alle anderen wurden nach der endgültigen Auflassung der Linien eingeebnet. Ein im Stadtarchiv Landau und dem Militärarchiv in Vincennes (SHD) erhaltener Atlas aus dem Jahr 1774 bezeichnet nur den Abschnitt von der Festung Landau bis zum Rhein als Queichlinien: „Die Queichlinien wurden 1743 begonnen, am Rand des Sumpfes von Landau bis zu der unpassierbaren Niederung zwischen Bellheim und Hördt.“ Frühere Datierungen der Queichlinien, die teilweise einen Bau bereits parallel zur Festung Landau oder während des Spanischen Erbfolgekriegs annahmen, sind angesichts der guten Quellenlage obsolet.
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Auswirkungen für die Bevölkerung
Während des Österreichischen Erbfolgekriegs wurde nach den Anfängen im September 1743 bis 1748 mehr oder weniger ständig an den einzelnen Werken gebaut, mit Schwerpunkten in den Jahren 1745/46. Der Bau der Linien brachte enorme Belastungen und Schäden für die Bevölkerung mit sich. Da der zwischen Landau und Bellheim fast durchgehende Wall und Graben auch nahe an den Dörfern gebaut wurde, waren dort die Hausgärten betroffen, die laut zeitgenössischen Karten in großer Zahl vorhandenen Obstbäume wurden gefällt. Die drei damals in Bellheim vorhandenen Mühlen wurden „bis unter das Dach“ unter Wasser gesetzt und konnten mindestens bis 1753 nicht genutzt und mussten dann vollständig erneuert werden. Ein Müller wechselte den Standort und gründete 1756 die Bellheimer Obermühle. Wiesenflächen in der Größenordnung von mehreren Hundert Hektar zwischen Landau und der Rheinniederung wurden jahrelang unter Wasser gesetzt, so dass Pferde und Vieh nicht mehr ernährt werden konnten.

Zum Bau der Linien wurde nicht nur die ortsansässige Bevölkerung der Kurpfalz im Frondienst, sondern Arbeiter aus dem Elsass und Lothringen bis hin zur Franche Comté rekrutiert. Da die Verpflegung dabei nicht oder schlecht organisiert war, mussten sich die auswärtigen Arbeiter von den Äckern und Gärten der Dörfer an den Linien ernähren. Der Befehl zum Bau der Linien ging dabei eindeutig vom jeweiligen Oberkommandierenden der französischen Armee in der Region, Marschall Noailles und den Herzögen Coigny und Conti, aus. Planer waren französische Militäringenieure wie Cormontaigne und Baudoin sowie Ingenieure der Festung Landau. Die Kurpfalz, deren Dörfer und Gemarkungen im Oberamt Germersheim fast ausschließlich betroffen waren, war allerdings im Österreichischen Erbfolgekrieg mit Frankreich verbündet und unterstützte daher den für die Bevölkerung so schädlichen Linienbau. Für die Dörfer gab es lediglich Versprechungen von Steuererleichterungen und Stundungen. Die Kurpfalz erhielt französische Subsidien (Unterstützungszahlungen) in wechselnden Höhen: Diese betrugen 1746 bis 1752 jährlich 20.000 Gulden, ab 1752 für drei Jahre je 30.000 Gulden. Nach dem Friedensschluss 1748 wurden die Gräben, Dämme, Wälle und Redouten aber nicht geschleift und der Bevölkerung ihr Eigentum zurückgegeben. Es zeigte sich immer mehr eine politische Dimension der Queichlinien. Die seit langem bestehenden Versuche, das kurpfälzische Territorium südlich der Queich unter französische Herrschaft zu bringen, machten es aus französischer Sicht sinnvoll, die Linien weiterhin zu unterhalten und damit einen Grund zu haben, den Bereich zwischen der französischen Festung Landau und dem Rhein bei Germersheim dauerhaft zu kontrollieren. Eine vertragliche Grundlage für die Unterhaltung der Queichlinien wurde mit dem Schwetzinger Vertrag zwischen Frankreich und Kurpfalz 1766 erreicht. Wenige Monate vorher hatte sich Frankreich in Verträgen mit dem Herzog von Zweibrücken, dem wahrscheinlichen Erben des pfälzischen Kurfürsten Karl Theodor, die kurpfälzischen und zweibrückischen Ämter südlich der Queich zusichern lassen. Diese gute Zusammenarbeit mir Zweibrücken ließ sich Frankreich jährlich 40.000 Gulden für Herzog Christian IV. und 20.000 Gulden für dessen Bruder Friedrich kosten.
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Spätes 18. Jahrhundert
In den folgenden Jahrzehnten bis zu den Revolutionskriegen wurden die Queichlinien unter der Leitung der Ingenieure der Festung Landau unterhalten und ausgebaut. Vor allem die ursprünglichen in Holz errichteten Schließen und Brücken wurden entweder vollständig in Stein ausgeführt oder wenigstens in Stein fundamentiert. Im Stadtarchiv Landau haben sich dazu umfangreiche Unterlagen erhalten. Aus Geldmangel zogen sich aber viele Projekte über viele Jahre, so dass beispielsweise eine Reihe von hölzernen Brücken sehr baufällig wurden und erst erneuert wurden, nachdem sie zusammengebrochen waren. Mit dem Beginn der Revolutionskriege am Rhein 1792 stellte sich heraus, dass die Linien nicht auf der Höhe der Zeit waren. Zumindest wurde der gesamte Bereich vollständig unter Wasser gesetzt. Aber in den folgenden Jahren wurden die Linien, wieder unter unfreiwilliger Hilfe der Bevölkerung, weiter ausgebaut. Die Umwallungen von Offenbach, Ottersheim und Bellheim wurden mit neuen Redouten verstärkt, die der anderen Dörfer Mörlheim, Knittelsheim und Hördt, mindestens repariert. Zwischen Ottersheim und Knittelsheim wurde eine neue Redoute, zwischen Knittelsheim und Bellheim ein neuer Damm mit vorgelagerter Schanze errichtet, die Brücke über den Spiegelbach (heute Trasse der B9) neu befestigt, am nördlichen Ortseingang von Hördt eine große Redoute erbaut, deren Graben noch heute die Umrisse der eingeebneten Anlage zeigt.

Zur Zeit Napoleons
Nachdem das gesamte linke Rheinufer Teil der Französischen Republik und damit später des napoleonischen Kaiserreichs geworden war, hatten die Queichlinien ihre militärische Bedeutung verloren, wurden aber weiter unterhalten. Im Jahre 1810 gab es wohl Pläne, den größten Teil der Linien einzuebnen, was aber spätesten 1812 nach dem katastrophal verlaufenden Russlandfeldzug Napoleons wieder obsolet war. Nach der Abdankung Napoleons 1814 wurde im ersten Pariser Frieden die neue Grenze zwischen dem Königreich Frankreich an den Queichlinien, nicht an der Queich ausgerichtet. So blieben Mörlheim, Knittelsheim und Bellheim zunächst französisch, hatten aber ihre nördlichen Gemarkungsteile mit den Wiesen und dem Wald nun im künftig deutschen Territorium. Umgekehrt war es bei den andern Liniendörfern Offenbach und Ottersheim, deren Ortslagen auf der deutschen Seite der Grenze lagen, die Äcker aber auf der französischen. Die Grenze wurde von einer französisch-österreichisch-bayerischen Grenzkommission vermessen, aber mitten in den Arbeiten kehrte Napoleon aus Elba zurück, um erst in Waterloo seine endgültige Niederlage zu erfahren. In der Folge wurde die Grenze zwischen Frankreich und den deutschen Staaten an die Lauter verlegt, so dass Bellheim, Knittelsheim und Mörlheim, wie die anderen Ortschaften bis zur Lauter, aus dem Departement Bas Rhin in den Herrschaftsbereich kamen, der 1816 Bayern zugeschlagen wurde. Es ist immerhin denkbar, dass ohne die Rückkehr Napoleons Landau und die südlich der Queichlinien gelegenen Teile der Südpfalz heute zur Französischen Republik gehören würden. Es dauerte dann noch 10 Jahre, bis 1826 die Linien bis auf geringe Reste geschleift waren, so dass die Literatur bis in die 1990er Jahre konstatierte, dass keine oberirdischen Spuren der Linien mehr vorhanden waren. Mit der Schanze und dem Rest des Staudamms im Bellheimer Wald, dem Rest des Staudamms östlich der Kläranlage Bellheim, der rekonstruierten Schanze und dem Rest des Grabens an der Mittelmühle, den Geländestufen entlang des Brühlgrabens, zweier Schließen und einem Dammrest auf dem Gelände des Paulusstifts sowie die vermauerte Öffnung des Ableitungskanals vor der Schleuse 121 in Landau sind jedoch noch eine Reihe von Resten der Anlage vorhanden, die einen gewissen Eindruck der Anlage geben können.
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(Herman-Josef Schwab, Verbandsgemeinde Bellheim, 2022)



Literatur

Schwab, Hermann-Josef (1999)
Die Queichlinien in Bellheim und Umgebung. In: Hans-Joachim Heinz (Red.): Bewegte Zeiten. Bellheimer Ortsgeschichte(n) zwischen Freiheitsbaum und Wirtschaftswunder, S. 145-203. Bellheim.

Die Queichlinien in Bellheim und Umgebung - eine Feldbefestigung aus dem 18. Jahrhundert

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Herman-Josef Schwab, „Die Queichlinien in Bellheim und Umgebung - eine Feldbefestigung aus dem 18. Jahrhundert”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/SWB-345731 (Abgerufen: 2. Mai 2024)
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