Historische Siedlungsentwicklung Der an der Mündung des Leimersbaches gelegene Ort war schon in der Jungsteinzeit bewohnt. 1958/59 wurden Teile eines Erdwerks als Rest einer bandkeramischen Siedlung ergraben. Der Name (1060 Haderheim, 1128 Hadterheim, 1130/1141 Hatterheim) weist den -heim-Ort als fränkische Gründung aus. Als Erstnennung gilt eine Urkunde des Erzbischofs Friedrich von Mainz aus der Mitte des 10. Jahrhunderts (vor 954), worin er die Eltviller Kirche mit dem Zehnten zu Hattenheim dem St. Petersstift übereignet. Um die Mitte des 11. Jahrhunderts besitzt Hattenheim als Filiale der Eltviller Pfarrei eine Kapelle mit eigenem Tauf- und Begräbnisrecht. Eine eigene Pfarrei wurde vor 1232 errichtet.
Ob Hattenheim zunächst zur Oestricher oder Eltviller Urmark gehörte, ist nicht eindeutig festzustellen. Ein freiadliger Burgsitz der 1118 erwähnten Herren von Hattenheim scheint der Ausgangpunkt der heutigen Siedlung gewesen zu sein. Eine eigene Gemarkung entstand wahrscheinlich im ausgehenden 12. Jahrhundert. Eine enge Verbindung bestand zu dem in der Hattenheimer Gemarkung gelegenen Kloster Eberbach, die sich u. a. in Besitztausch und gegenseitig zugestandenen Landnutzungsrechten manifestierte.
Zu Beginn des 13. Jahrhunderts besaß Hattenheim ein Gericht, jedoch erst 1488 ein eigenes Gerichtssiegel. Der Hattenheimer Burgsitz fiel im 15. Jahrhundert an die Familie Langwerth von Simmern, die bis ins frühe 18. Jahrhundert dort ansässig blieb und in dieser Zeit das Patronatsrecht über die Pfarrkirche ausübte. 1442 existiert eine Schröterbruderschaft. 1544 wird ein Lehrer erwähnt, es gab also eine örtliche Schule. 1576 wird die gemeine Badestube von den Langwerth von Simmern an die Gemeinde verpachtet.
Einen besonderen Einfluss gewinnt die in Hattenheim seit 1586 begüterte bürgerliche Familie Schumann, die Schultheißen, Ratsherren und Pfarrer stellt und zahlreiche Stiftungen hinterlässt. Mehrere Höfe tragen ihr Wappen. (Winkel mit sechseckigem Stern)
Die Zahl der Herdstellen lag 1525 bei 139. Hohe Verluste brachte der Dreißigjährige Krieg; 1687 sank die Zahl der Haushalte auf 33 und wuchs bis 1781 wieder auf 109. 1821 wurden noch unter 1.000 Einwohner gezählt, 1900 rund 1.300 Einwohner, deren Zahl im frühen 20. Jahrhundert sank und nach dem Zweitem Weltkrieg wieder ansteigend auf 1.800 Mitte der 1960er Jahre und auf 2.289 im Jahr 2013.
Weinbau Viele der Hattenheimer Weinbergslagen werden bereits vor 1211 genannt. So bot vor 1174 die Abtei Eberbach gegen ein Stück ihres Waldes einen Morgen ihrer besten Weinberge zu Hattenheim, der später zum Weinbergbesitz des Hattenheimer Pfarrgutes zählte. 1393 verpachtete Diether Kämmerer vom Worms dem Frühmesser zu Hattenheim den Weinberg Mannwerk. 1464 belehnte Herzog Ludwig von Pfalz-Zweibrücken mit diesem Weinberg sowie der gegenüber gelegenen Rheininsel Langwerther Au (jetzt Mariannenaue) seinen Kanzler Johann Langwerth von Simmern, dessen Familie später den Alleinbesitz der im 19. Jahrhundert Mannberg genannten Lage erlangte.
1965 waren 250 ha Weinberge in Bewirtschaftung gegenüber 150 ha anders genutzter Flächen. Es dominierte der Großgrundbesitz mit Staatsdomäne (mit dem vorher dem Kloster Eberbach gehörigen Steinberg), Freiherr Langwerth von Simmern, Graf von Schönborn (Pfaffenberg, früher Weinberg des Klosters), Prinz von Preußen und Graf Matuschka-Greiffenclau. Damit stehen diese in der Tradition der als Ausmärker oder Forensen bezeichneten auswärtiger Grundbesitzer, die immer einen Großteil der Hattenheimer Weinberge bewirtschafteten.
Als Pionier des Qualitätsweinbaus ist besonders August Wilhelmj (+1910) zu erwähnen. Der aus Langenschwalbach stammende Rechtsanwalt begann seit Mitte des 19. Jahrhunderts zunächst aus Liebhaberei, dann hauptgeschäftlich, mit dem Ankauf bester Weinbergslagen sowie Sammlung und Vermarktung wertvollster Spitzenweine. Er erwarb den Reichardshäuser Hof in Oestrich und ließ ihn zur Großweinkellerei umbauen. 1876 ließ er ein Riesenfass (es soll 64.000 Rheinweinflaschen gefasst haben) eigens für sein Hattenheimer Weingut in der Eberbacher Straße anfertigen. Durch seine weitreichenden Geschäftsverbindungen trug er wesentlich zum internationalen Ruf des Rheingauer Weines bei. Nach seinem Tod erwarb die Staatsdomäne einen Großteil seiner Weinbauflächen.
Historisches Ortsbild Die vielleicht aus einem frühmittelalterlichen Herrensitz hervorgegangene Burg mit ihrem befestigten Bezirk war vermutlich der Ausgangspunkt der mittelalterlichen Siedlung. Diesen Bereich kann man in der westlichen Hälfte, zwischen Hauptstraße, Burggraben (früher Hintere Gasse, Hinterstraße) und (dem innerhalb der Ortslage heute nicht mehr sichtbaren) Leimersbach annehmen. Ein Burghaus wird als „Kappelhof“ schon vor der Erbauung der Kirche erwähnt - ein Indiz dafür, dass die Pfarrkirche aus einer Eigenkapelle der Burg hervorging. Die Turmburg, früher „der Stock“, dann „der Bau“ genannt, war - ähnlich der Rüdesheimer Vorderburg - anfangs nicht nur von einer Mauer, sondern auch von einem Graben umgeben. Zum weiteren Burgbereich gehörte der Greiffenclauer Hof, dessen Gebäude und Keller früher in Verbindung mit dem Haupthof stand.
Die östliche Siedlungshälfte zwischen Eberbacher Straße (früher Behlstraße), Hauptstraße und Kornmarkstraße könnte im Zuge einer noch (spät-)mittelalterlichen Ortserweiterung hinzugekommen sein. Möglicherweise ist in dem Straßenzug westliche Hauptstraße – Eberbacher Straße die ältere und zentrale Verkehrsachse zu sehen, da die heutige Erbacher Landstraße wohl eine jüngere Straßenführung darstellt. Die alte Verbindungsweg Erbach-Hattenheim verlief höher bzw. nördlicher. Zumindest deutet die nicht durchgängig lineare, sondern aus additiven, geschwungenen Abschnitten bestehende Wegestruktur mit platzartigen Erweiterungen an den Schnittstellen, wie sie speziell die Hauptstraße aufweist, auf eine etappenweise Entwicklung hin. Hingegen fehlt ein zentraler, ausgeprägter Platz.
Über die frühere Ortsbefestigung außerhalb der noch bestehenden Burghofmauer kann wenig ausgesagt werden. Eine Mauer scheint vorhanden gewesen zu sein, da um 1631 eine „Pforte“ erwähnt wird. Historische Darstellungen zeigen die Ortsansicht von Süden durch niedrige Mauern begrenzt, wie sie in allen Rheinorten zum Schutz gegen Hochwasser vorkamen.
In einer weiteren Phase entstand zum Rhein hin die vorgelagerte Gartenzone. Die Bahn im Norden und die ausgebaute Bundesstraße B 42 im Süden, die den früher näher am Wasser gelegenene Ort vom Ufer abtrennte, stellen heute die Begrenzungen der alten Siedlung dar.
Jüngere Baugebiete entwickelten sich, ausgehend von der Waldbachstraße, im Leimersbachtal weit nach Norden; eine neue bandartige Erweiterung zieht sich unterhalb des Mannberges nach Osten.
(Landesamt für Denkmalpflege Hessen, 2013/2020)
Literatur
Söder, Dagmar / Landesamt für Denkmalpflege Hessen (LfDH) (Hrsg.) (2013)
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Kulturdenkmäler in Hessen: Rheingau-Taunus-Kreis I. (Altkreis Rheingau). Wiesbaden.
Der hier präsentierte Inhalt ist urheberrechtlich geschützt. Die angezeigten Medien unterliegen möglicherweise zusätzlichen urheberrechtlichen Bedingungen, die an diesen ausgewiesen sind.
Möchten Sie dieses Objekt in der Kuladig-App öffnen?
Wir verwenden Cookies
Dies sind zum einen technisch notwendige Cookies,
um die Funktionsfähigkeit der Seiten sicherzustellen. Diesen können Sie nicht widersprechen, wenn
Sie die Seite nutzen möchten. Darüber hinaus verwenden wir Cookies für eine Webanalyse, um die
Nutzbarkeit unserer Seiten zu optimieren, sofern Sie einverstanden sind. Mit Anklicken des Buttons
erklären Sie Ihr Einverständnis. Weitere Informationen finden Sie auf unserer Datenschutzseite.