Die Fliehburg Merheim im Osten des heutigen Kölner Stadtteils Merheim liegt als halbinselförmige Erhebung im ehemaligen Feuchtgebiet des Merheimer Bruches. Diese Landzunge ist Siedlungsplatz frühantiker Kulturen gewesen und im Mittelalter befestigter Standort. Heute finden sich auf der schwer zugänglichen Erhöhung keine erkennbaren baulichen Relikte. Lediglich die Reliefform der Halbinsel lässt sich im Gelände ausmachen.
Geschichte der Fliehburg Merheim Im sonst sumpfigen und hochwassergefährdeten Merheimer Bruch liegt eine dauerhaft trockene Insel, die bereits im 3. Jahrtausend vor Christus als Siedlungspunkt gedient hat. Auf diesem Geländesporn der Merheimer Fliehburg finden sich Überreste von Besiedlung. Die etwa vierhundert Meter lange und an der breitesten Stelle knapp einhundert Meter breite Geländeerhöhung war durch ihre Lage für Siedler gut zu verteidigen. Bei Fliehburgen handelt es sich um burgähnliche Verteidigungsanlagen, die der umliegenden Bevölkerung in Gefahrenzeiten als Rückzugsort eine gute Verteidigung ermöglichten. Diese dortigen archäologischen Spuren gehören zeitlich zu den Hügelgräbern entlang des Mauspfads und sind Zeugnis der frühantiken Kulturen im Rheinland (Werkstatt für Ortsgeschichte Köln-Brück e.V. 2004 / Merheimer Geschichtsverein 2004). Im Bereich um die Fliehburg fanden sich einige steinzeitliche Werkzeuge wie beispielsweise ein Feuersteinbeil. Zudem sind mehrere Pfostenlöcher gefunden worden. Diese Fundobjekte und die zugehörigen archäologischen Spuren werden in die Zeit der Michelsberger Kultur (ca. 4.400 bis 3.500 v. Chr.) eingeordnet. Im Jahr 1972 fanden auf dem Gelände umfassende Ausgrabungen statt, bei denen die Spuren der mittelalterlichen Bebauung freigelegt wurden (Heimatverein Köln-Dellbrück e.V. „Ahl Kohgasser“ 1973). Die dabei ausgegrabene dreißig Meter breite und einhundert Meter lange Verteidigungsanlage mit Gräben und Wällen machte die Siedlung für die Forschung erst zu der Festung, von der auch ihr Name herrührt. Eine genauere Datierung der Errichtung der Verteidigungsanlage ist bisher jedoch nicht möglich.
Ehemalige Bebauung Das bereits erwähnte Wall- und das Grabensystem erscheint im Vergleich mit anderen ähnlichen Anlagen recht flach. Die Sohle des Grabens wurde bereits nach 30 bis 40 Zentimeter unter der heutigen Oberfläche erreicht. Dies lässt darauf schließen, dass der Graben nie tiefer als 2,2 bis 2,4 Meter war, was wiederum auf eine Wassertiefe von nur etwa einem guten Meter hindeutet. Im daran anschließenden Wall konnten keine Reste eines Mauerkerns oder einer Holzverschalung gefunden werden, so dass davon auszugehen ist, dass der Wall nur aus Grabenaushub bestand. Die Bauweise lässt auf eine recht dilettantisch bis lustlose Vorgehensweise schließen. Herrnbrodt (1969) geht davon aus, dass es sich hierbei um eine so genannte „Heinrichsburg“ aus dem 10. Jahrhundert handelt. Diese wurden von Kaiser Heinrich I. als Schutz vor den immer wieder einfallenden Ungarn errichtet. Die Bauweise wiederspricht dem Konzept einer Fliehburg jedoch massiv. Möglicherweise muss die Bebauung mit dem nahegelegenen Frohnhof Merheim in Verbindung gebracht werden. Gerade im 9. bis 11. Jahrhundert kommt es häufiger vor, dass kleinere Grundherren in direkter Nähe ihres Herrensitzes eine Befestigungsburg errichten. Da der Frohnhof nur etwa 350 Meter von der Fliehburganlage entfernt liegt, scheint dieser Zusammenhang realistischer (Heimatverein Köln-Dellbrück e.V. „Ahl Kohgasser“ 1973). In den 1930er Jahren wurde ein Teil der Fliehburg als Mülldeponie genutzt. Heute ist das Areal schwer zugänglich, da es sehr stark verwildert ist und ein privater Hunde-Übungsplatz den Zugang erschwert.
Bedeutung der Fliehburg Merheim für die Region Die Funde innerhalb der Fliehburg können als wichtige Zeugnisse der frühen Besiedlungsphase der rechtsrheinischen Niederterrasse herangezogen werden. Neben der Fliehburg gibt es entlang des Mauspfads einige Fundstellen und Grabhügel aus der Laténezeit, die in Zusammenhang mit diesem Wohnplatz der vorrömischen Zeit gebracht werden können. Es liegt nahe, dass eine Erschließung und Bewirtschaftung der umliegenden Landschaft von der Siedlung an der Fliehburg vollzogen wurde, so dass der Mensch vom Rhein kommend über Merheim weiter nach Osten bis zur Mittelterrassenstufe vordrang (Heimatverein Köln-Dellbrück e.V. „Ahl Kohgasser“ 1973 / Merheimer Geschichtsverein 2004). Diese Insel der ersten Kulturen im frühantiken Rheinland ist verantwortlich für die erste Phase der Landnahme und Umgestaltung durch die menschliche Wirtschaftsweise, wie beispielsweise die Rodung der natürlichen Vegetation.
(Fabian Lagodny, Universität Bonn, 2013)
Ökologischer Wert der Fliehburg Die Bezeichnung Merheimer Bruch gibt bereits Hinweise auf die Beschaffenheit des Geländes: Der sumpfige Boden ist schlammig und nass, Wasser ist das dominierende Element. Diese für die Besiedlung und die Landwirtschaft ungünstigen Standorteigenschaften sind für viele Tier- und Pflanzenarten überlebensnotwendig. Zahlreiche, andernorts bedrohte Arten, haben in dem Gebiet um die Fliehburg herum einen wertvollen Rückzugsplatz gefunden. Es ist von besonderer regionaler Bedeutung und wurde als geschützter Landschaftsbestandteil ausgewiesen. Grund dafür ist in erster Linie sein Strukturreichtum: der Flehbach, Feuchtwiesen, Kopfweiden, Ufergehölze, Hochstaudensäume, die artenreichen Böschungen sowie der ackerbaulich genutzte höher gelegene Teil der Fliehburg bergen eine Vielzahl an Kleinbiotopen.
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