Bereits Ende des 19. Jahrhunderts erbaut, gehört das Anatomische Institut in Poppelsdorf an der Nussallee zu einem der ältesten Institutsgebäuden der Universität Bonn.
Vorherige Anatomieinstitute in Bonn Die Lehre der Anatomie an der Universität Bonn hat eine lange Tradition. Das erste anatomische Institut befand sich seit Gründung der Universität (1818) im Hauptgebäude unter dem Namen „Anatomisches Theater“. Aus Platzgründen konnte schon wenige Jahre später, im Jahr 1826, ein Neubau der Anatomie bezogen werden. Dieser wurde nach Plänen des Universitätsbaumeisters Friedrich Waesemann, die jedoch von Friedrich Schinkel überarbeitet wurden, errichtet. Heute befindet sich in dem Gebäude das Akademische Kunstmuseum. Bereits beim Bau war der Standort an der südlichen Seite des Hofgartens sehr umstritten und bald bestätigten sich hygienische Bedenken. Nachdem in den 1860er Jahren ein großer Aufschwung der medizinischen Fakultät stattfand, traten auch räumliche Probleme hinzu und man entschied sich wiederrum zu einem Neubau.
Geographische Lage Das heutige Gebäude wurde nach Plänen von Universitätsarchitekt August Dieckhoff in den Jahren 1868 bis 1872 errichtet. Als Vorbild für den Grundriss diente dem Architekten das unmittelbar vorher erbaute Anatomiegebäude in Berlin. Bewusst entschied man sich für die Lage in der Nussallee (häufig auch: ‚Nußallee‘). Hier war sowohl die direkte Nähe zum Poppelsdorfer Schloss, als auch zu weiteren naturwissenschaftlichen Instituten, wie dem Chemischen Institut und der Landwirtschaftlichen Akademie gegeben. Man wollte eine Ballung der Naturwissenschaften an der Nussallee erreichen und trotzdem die benötigte Ruhe wahren. Johannes Sobotta, Institutsdirektor von 1919 bis 1935, befand: „Schöner und ruhiger liegt kein anderes anatomisches Institut in Deutschland als das Bonner“. Obwohl sich die Lage in den 1960er Jahren zunehmend als hinderlich darstellte, da die anderen medizinischen Einrichtungen auf dem Venusberg konzentriert waren, hält man an dem Standort bis heute fest. Noch immer steht es in einer Reihe naturwissenschaftlicher Gebäude in der Nussallee. Dabei hat es als eines der ersten Gebäude dort maßgeblich den umliegenden Raum geprägt und beeinflusst. Dies zeigt sich unter anderem in der Tatsache, dass die hinter dem Gebäude an die Nussallee anschließende Straße nach dem bekannten Anatomen Johannes Sobotta benannt wurde.
Gebäude Das imposante Gebäude ist ein zweigeschossiger Vierflügelbau aus Backstein. Besonders auffällig ist der zweieinhalbgeschossige Vorbau. Im unteren Teil befindet sich darin eine oktogonale Eingangshalle mit kreisförmig angeordneten Säulen, die in einem Sterngewölbe enden. Verbunden durch ein geräumiges offenes Treppenhaus befindet sich im oberen Teil der antike Hörsaal. Dieser hat eine Raumhöhe von 12 Metern und wird durch fünf große Fenster mit Licht durchflutet. Von ansteigenden Sitzreihen konnten die Studenten der Vorlesung sowie den Demonstrationen folgen. Heute befinden sich nicht mehr die ursprünglichen Sitze darin. Sie wurden ersetzt durch hölzerne Bankreihen, die jedoch trotzdem noch schwindelerregend steil in die Höhe gehen. Gemeinsam mit dem schlichten und eher modern wirkenden Kronleuchter bilden sie einen Kontrast zum aufwendig gestalteten Rest des Saales. Im Treppenhaus an der Wand befindet sich ein circa zwei Quadratmeter großes Halbrelief. Es zeigt den Anatomen Andreas Vesalius (1514-1564) wie er den Arm einer Leiche seziert. Mit dem Bildnis des Begründers der neuzeitlichen Anatomie und des morphologischen Denkens in der Medizin wird jeder Besucher des Gebäudes unmittelbar nach Eintritt mit der Funktion des Hauses konfrontiert. Das Gebäude lässt sich in den Stil der italienischen Frührenaissance einordnen, dies bestätigt besonders die aufwendige Außenfassade, die stark an einen italienischen Palast erinnert. Die majestätische Bauweise sollte den repräsentativen Charakter sowohl der Universität als auch der Naturwissenschaften und speziell der Anatomie im 19. Jahrhundert darstellen.
Umbauten In der langen Geschichte des Gebäudes der Anatomie hat es zahlreiche Umbauten gegeben. Aufgrund von Platzmangel wurden 1915 zwei Anbauten realisiert, von denen heute nur noch einer erhalten ist, der nun den Durchgang zum Neubau darstellt. Dies lässt sich auf den Grundrissplänen (unter Einsichtnahme durch die freundliche Bereitstellung des Anatomischen Instituts) ablesen. Der zweite Anbau wurde während dem Zweiten Weltkrieg zerstört und daraufhin komplett abgebaut. Weiterhin ersetzte man während des Wiederaufbaus das vormals steinerne Geländer des großen Treppenaufgangs durch ein einfaches Metallgitter. Die größte Veränderung im Inneren war jedoch das Überstreichen der ursprünglich aufwendigen farbigen Bemalung mit einem schlichten Weiß. Durch steigende Studentenzahlen verschlechterten sich auch die hygienischen Bedingungen und es musste während der 1980er Jahre eine Entscheidung über die weitere Nutzung des Gebäudes getroffen werden. Um an der aktuellen Forschung zu bleiben wurden hochtechnisierte bauliche Veränderungen nötig, die jedoch mit dem Gebäude als Denkmal nicht vereinbar waren. Also entschied man sich zu einem zusätzlichen Anbau. Dieser sollte zwei gut ausgestattete Hörsäle, sowie moderne Säle der Mikroskopie und Makroskopie fassen. Nachdem der Anbau 1992 fertiggestellt wurde, begann man vier Jahre später mit den Renovierungsarbeiten des alten Gebäudes. Diese dauern bis heute an, sind jedoch größtenteils abgeschlossen. Im Altbau soll sich hauptsächlich die Forschung und Verwaltung einrichten, während die Lehre im Neubau stattfindet. Die Grundinstandsetzung des Altbaus beinhaltete unter anderem eine aufwändige Sanierung der Fassade, Austausch der Holzfenster, Rekonstruktion des Treppengeländers aus Stein, sowie die Restaurierung der Bemalung im Inneren. Dazu wurden aus historischen Fotografien und stratigrafischen Untersuchungen wieder die ursprünglichen Farbkombinationen gewählt, die heute eine besondere Atmosphäre im Inneren schaffen.
Persönlichkeiten Es gab zahlreiche, einflussreiche Persönlichkeiten, die an dem Institut studierten oder lehrten. Oben bereits erwähnter Johannes Sobotta ist besonders bekannt für seinen Anatomieatlas. Weiterhin seien an dieser Stelle Franz Leydig und Philipp Stöhr genannt. In der Eingangshalle sind zwei Steinbüsten ausgestellt. Die eine zeigt Sobotta und die andere Adolf von La Valette St. George. Dieser war von 1875 bis 1906 Institutsdirektor. Die Büste erhielt er als Geschenk von seinen Studenten zum goldenen Promotionsjubiläum. Obwohl er was die Lehre und Leitung des Instituts anging bei seinen Kollegen umstritten war, erfreute er sich bei seinen Studenten hoher Beliebtheit. Aus einem nicht näher bestimmbaren Zeitungsartikel vom 8. Juni 1905 (im Universitätsarchiv Bonn) geht hervor, dass besonders seine rheinische Frohnatur dazu beigetragen hat.
Fazit Bedingt durch seine Funktion findet sich in diesem bereits Ende des 19. Jahrhunderts gebauten Gebäude die buchstäbliche Leiche im Keller. Dies sollte jedoch niemanden abschrecken, sondern im Gegenteil dazu ermuntern, es sich einmal genauer aus der Nähe anzuschauen.
Baudenkmal Das Objekt „Anatomisches Institut“ in der Nussallee 10 ist ein eingetragenes Denkmal (Denkmalliste Bonn, Stand 01. August 2006, Nr. A 164).
(Annika Jeschke, Geographisches Institut der Universität Bonn, 2012)
Literatur
Bezold, Friedrich von (1933)
Geschichte der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn am Rhein. S. 56-71, Bonn.
Brües, Eva (1968)
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Ferlic, Peter (1987)
Räumlich-bauliche Entwicklungsgeschichte der Universität Bonn 1818-1987. Bonn.
Knopp, Gisbert (2011)
Die 1868 errichtete "Neue" Anatomie der Universität Bonn. "Schöner und ruhiger liegt kein anderes anatomisches Institut in Deutschland als das Bonner". In: INSITU Zeitschrift für Architekturgeschichte 3, Heft 2, S. 251-270. Worms.
Schott, Heinz (2000)
Universitätskliniken und Medizinische Fakultät Bonn 1950-2000. S. 100-101, Bonn.
Stadt Bonn, Amt 61-02, Untere Denkmalbehörde (Hrsg.) (2006)
Liste der gem. § 3 DSchG NW in die Denkmalliste eingetragenen Baudenkmäler, Bodendenkmäler, beweglichen Denkmäler und Denkmalbereiche der Stadt Bonn (Stand: 01.08.2006). S. 42, Bonn.
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