Geistingen war im 19. Jahrhundert der jüdische Siedlungsschwerpunkt im heutigen Stadtgebiet von Hennef. In Blankenberg sind 1831 vier und 1871 sieben jüdische Einwohner belegt. Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden die zwei Spezialsynagogengemeinden Geistingen und Uckerath (1887 in Geistingen inkorporiert). 1932 waren Hennef, Warth, Allner und Rott (31 Personen) angeschlossen.
Gemeindegröße um 1815: –, um 1880: 75 (1885), 1932: 30 / 50 (1933), 2006: – (vorstehende Angaben alle nach Reuter 2007).
Bethaus / Synagoge
1862 konnte eine zwischen der Bergstraße und der Sövener Straße neu erbaute Synagoge eingeweiht werden, vorher gab es nur einen angemieteten Saal. 1912 wurde die Synagoge renoviert und am 10. November 1938, also einen Tag nach der Pogromnacht, zerstört und bis auf die Grundmauern niedergebrannt.
Gedenkstätte
Die Ruine der Synagoge blieb teilweise erhalten und ist heute in eine Gedenkstätte integriert, die von der Bergstraße aus erreichbar ist. Eine großformatige Tafel illustriert mit Bildern und einem chronologischen Text die Geschichte der Synagoge und der jüdischen Gemeinde. Die Gedenkstätte ist beschildert und öffentlich zugänglich, sie macht einen sehr gepflegten Eindruck (Begehung 10. März 2013).
Zur Sövener Straße hin befindet sich der 1979 errichtete Gedenkstein mit der Inschrift:
Hier wurde am 10. Nov. 1938 durch nationalsozialistische Gewalttäter
die Synagoge der jüdischen Gemeinde Geistingen zerstört
die Synagoge der jüdischen Gemeinde Geistingen zerstört
Ferner befinden sich hier zwei metallene Tafeln, die die Namen und das Sterbealter von 76 Opfern der NS-Zeit in Erinnerung halten und überschrieben sind mit:
Ermordet 1936-1945
Der Text auf der Tafel lautet:
Jüdische Gemeinde Geistingen
14. Jhd. Jüdische Gemeinde in Blankenberg, der Hauptstadt des Landes Blankenberg.
1349 Pogrom, Vernichtung der Gemeinde in Blankenberg, später Rückkehr der Juden.
1791 3 jüdische Familien in Geistingen.
1828 74 Juden in der Bürgermeisterei Hennef, 4536 Katholiken, 14 Evangelische.
1860 Anlage des jüdischen Friedhofs.
1862 Errichtung der Synagoge an der Sövener Straße in Geistingen, Haus Nr. 7.
1911/12 89 Bürger jüdischen Glaubens in der Bürgermeisterei Hennef in den Orten Geistingen, Hennef, Rott, Warth und Weldergoven.
31. Jan. 1933 „Machtergreifung“ durch die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP), Beginn der Judenverfolgung.
9. Nov. 1939 „Reichspogromnacht“, Plünderung und Zerstörung jüdischen Eigentums, Brandschatzung der Synagogen in Deutschland.
10. Nov. 1938 Zerstörung der Geistinger Synagoge durch ein SS-Kommando aus Siegburg.
10. Nov. 1938 Festnahme von 12 jüdischen Männern und Einlieferung in das Konzentrationslager Dachau; nach Verhör und Folterung zwischen November 1938 und August 1939 Rückkehr
Juni 1941 „Umsiedlung“ von 14 meist älteren Männern und Frauen in das ehemalige Arbeitsdienstlager Much; Zusammenlegung der übrigen Juden in sogenannten „Judenhäusern“.
Sept. 1941 „Kennzeichnung“ durch den sog. „Judenstern“, einen handtellergroßen, schwarz ausgezogenen gelben Stern mit der Aufschrift „Jude“; Verbot, die Wohngemeinde ohne schriftliche Erlaubnis zu verlassen.
Juni-Juli 1942 Deportation der 50 in der Gemeinde lebenden Juden in die Vernichtungslager in Osteuropa, unter anderem nach Auschwitz, Mauthausen, Maly Trostinec, Theresienstadt, Litzmannstadt (Lodz).
Januar 1944 Schändung des Friedhofs, Anweisung des Finanzamtes Siegburg zur Veräußerung der Grabsteine.
1945 Rückkehr eines der aus Hennef Deportierten.
17. 10. 1979 Einweihung eines Gedenksteines an der ehemaligen Synagoge in der Sövener Straße.
16. Feb. 1986 Errichtung einer Gedenksäule mit den Namen der Ermordeten auf dem jüdischen Friedhof.
10. Nov. 2000 Übergabe der Erinnerungsstätte am Platz der ehemaligen Synagoge.
(Franz-Josef Knöchel, LVR-Redaktion KuLaDig, 2011/2013)