Weiertor in Zülpich

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Fachsicht(en): Archäologie
Gemeinde(n): Zülpich
Kreis(e): Euskirchen
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 50° 41′ 30,68″ N: 6° 38′ 41,88″ O 50,69186°N: 6,64497°O
Koordinate UTM 32.333.665,22 m: 5.618.204,68 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.545.618,03 m: 5.617.565,70 m
Die mittelalterliche Stadtbefestigung von Zülpich geht auf das 13. Jahrhundert zurück und ist fast auf ganzer Länge erhalten. Das Weiertor hat im Zweiten Weltkrieg große Schäden erlitten. Nach Teilrekonstruktionen 1974 wurde im vergangenen Jahr auch der Hauptturm dieser Doppeltoranlage wiederaufgebaut. Hier residieren nun die Hovener Jungkarnevalisten und öffnen das Tor für die Gäste der Archäologietour.

Siedlungsentwicklung Zülpichs vor dem Bau der mittelalterlichen Stadtmauer
Im 1. Jahrhundert nach Christus entstand im Bereich der heutigen Zülpicher Kernstadt eine römische Ansiedlung, der 69/70 nach Christus erstmals erwähnte vicus Tolbiacum. Begünstigt durch die Lage am Kreuzungspunkt mehrerer römischer Fernstraßen, die vom Rhein an die Mosel und weiter nach Zentralgallien führten (Agrippa-Straße), erlebte die kleinstadtähnliche Siedlung am Nordostrand der Eifel v. a. während des 2. und 3. Jahrhunderts ihre wirtschaftliche Blütezeit. Ihr Zentrum mit öffentlicher Thermenanlage und weiteren repräsentativen Gebäuden lag auf dem Mühlenberg, dem höchsten Punkt des Zülpicher Stadtgebiets. Dieses Areal wurde im 4. Jahrhundert durch einen Befestigungsring geschützt, der bis zu seiner Zerstörung durch die Normannen im Jahre 881 nach Christus fortbestand. Im frühen Mittelalter residierten in den Mauern dieses castrum fränkische Könige und Hausmeier, der Ort erfüllte somit die Funktion als Königspfalz. Die zugehörige Pfarrkirche St. Peter wird 848 nach Christus erstmals genannt. Als Grundherr ist für das Jahr 1124 das Erzbistum Köln überliefert.
Nördlich des castrum auf dem Mühlenberg entwickelte sich am heutigen Käsmarkt eine Marktsiedlung mit eigenem Gericht, die sog. Palenz. Mit der 1147 bezeugten und im 19. Jahrhundert abgerissenen Kirche St. Marien verfügte die Palenz zudem über eine eigene Pfarrkirche. Wohl im 10. Jahrhundert war dieser Bereich an die Grundherrschaft der Pfalzgrafen zu Lothringen gefallen, seit 1209 war er im Besitz des Herzogtums Jülich und erst im 17. Jahrhundert fiel er dem Erzbistum Köln zu.
An der heutigen Römerallee und Dreikönigenstraße befand sich die Siedlung Mersburden mit der 1190 erstmals genannten Pfarrkirche St. Martin. Diese Siedlung gehörte zunächst den Pfalzgrafen und fiel 1246 durch Erbschaft an das Erzbistum Köln. Im Zuge des Stadtmauerbaus wurde die Siedlung aufgegeben, die Bewohner siedelten in den Stadtbereich um und die niedergelegte Kirche St. Martin wurde nahe der heutigen Kreuzung von Martinstraße und Normannengasse neu errichtet.

Das Weiertor und die mittelalterliche Stadtbefestigung
Die beiden Grundherren auf Zülpicher Territorium, das Erzbistum Köln und das Herzogtum Jülich, führten ab dem 13. Jahrhundert erbitterte Auseinandersetzungen um die Vorherrschaft in Zülpich. Im Zuge dieser Auseinandersetzungen wurde nach 1279 auf Geheiß des Kölner Erzbischofs Siegfried von Westerburg (1275–1297) eine Stadtbefestigung mit Bruchsteinmauern und vier Toren angelegt. Der annähernd runde Mauerring umfasst ein Areal von 26 Hektar. Zur Erhöhung der Verteidigungsfähigkeit errichtete man die Mauer auf einem aufgeschütteten Wall bzw. an natürlichen Geländekanten. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts ließ der Kölner Erzbischof Friedrich III. von Saarwerden (1370–1414) die Stadtmauer in Backstein ausbauen. Die vier Stadttore wurden vergrößert und die Burg auf dem Mühlenberg wurde nun in die Umwehrung integriert.

Das Weiertor ist das westliche Stadttor von Zülpich. Es liegt am tiefsten Punkt des Stadtgebietes und musste daher besonders gut gesichert werden. Wenngleich das Tor im Zweiten Weltkrieg nahezu vollständig zerstört wurde, lässt sich seine Geschichte anhand archäologischer, bauhistorischer und schriftlicher Quellen gut nachvollziehen.
Heute präsentiert sich das Weiertor als Doppeltoranlage bestehend aus einem rechteckigen Haupttor, einem vorgelegten Zwinger und einem von zwei Rundtürmen flankierten Vortor. Bei archäologischen Untersuchungen 2023 konnte das Fundament des Haupttores an zwei Stellen freigelegt werden. Es besteht aus Grauwackebruchsteinen, die mit einem hellen, festen Kalkmörtel verbunden sind. Anhand der gefundenen Keramik ist die Errichtung des Haupttores an das Ende des 13. Jahrhunderts und damit in die Zeit des ersten Stadtmauerbaus unter Erzbischof Siegfried von Westerburg zu datieren. Im Zuge des Ausbaus der Stadtmauer unter Erzbischof Friedrich III. von Saarwerden Ende des 14. Jahrhunderts wurde dem Haupttor stadtseitig eine Fassade aus Backsteinen vorgeblendet. Die Anlage des Grabens vor dem Tor ist urkundlich für das Jahr 1393 überliefert. Anfang des 15. Jahrhunderts wurden der Zwinger und das Vortor mit Wachstube feldseitig an das bestehende Haupttor angebaut. Die Zwingermauern sind durch tiefe, spitzbogige Nischen mit Schießscharten gegliedert. Innerhalb des Zwingers konnte bei archäologischen Untersuchungen 2013 in ca. 0,55 Meter Tiefe eine Pflasterung des 18./19. Jahrhunderts freigelegt werden; 2023 stieß man auf der Bausohle in 1 Meter Tiefe sogar auf die erste Straßenbefestigung aus Flusskieseln und Grauwackesteinen, die im 14. Jahrhundert angelegt wurde.
Aus deutlich jüngerer Zeit, dem Ende des 19. Jahrhunderts, stammt das östlich des Haupttores aufgedeckte Fundament aus Grauwackesteinen und Ziegeln. Es gehört zu der damals stadtseitig an das Weiertor angebauten Polizeiwache und bezeugt eine neue Funktion des mittelalterlichen Stadttores: Um 1900 war hier das Zülpicher Gefängnis.

Bei der Bombardierung der Stadt am 24. Dezember 1944 war das Weiertor schwer getroffen geworden, lediglich der nördliche Rundturm des Vortores blieb stehen. Bereits 1950 wurde der zerstörte Turm des Haupttores bis zur stadtseitigen Oberkante des Spitzbogenportals wieder aufgemauert; 1974 folgte der Neubau des südlichen Rundturms des Vortores. Um den Wiederaufbau des Haupttores auf seine ursprüngliche Höhe von knapp 18 Meter in den Jahren 2022–2024 haben sich v. a. die Hovener Jungkarnevalisten 1963 e. V. verdient gemacht, die das Weiertor seitdem als Gardequartier nutzen.

(LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland, 2025)

Hinweise
Das Weyertor in Zülpich ist Teil des Baudenkmals „Stadtbefestigung m. Grabenzone u. 4 Stadttoren“ (Stadt Zülpich, Baudenkmal Nr. 5; LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, Obj.-Nr. 24054) und Teil des Bodendenkmals „Mittelalterlicher Stadtkern Zülpich“ (Stadt Zülpich, Bodendenkmal Nr. X (VZ 1 - 207); LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland, Nr. EU 100.)
Das Weyertor ist Ziel der ArchaeoRegion Nordeifel (Nr. 20) und Station der Archäologietour Nordeifel 2025.

Literatur

Dick, Hans-Gerd / Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz e.V. (Hrsg.) (2014)
Zülpich. (Rheinische Kunststätten, Heft 552.) Köln.
Herzog, Harald; Nussbaum, Norbert (1988)
Denkmäler im Rheinland. 9.5 Stadt Zülpich. (Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland.) S. 300–304, Köln, Bonn.
Jansen, M. (2020)
Die Zülpicher Stadtbefestigung. In: B. Wißmann, Neue Beiträge zur Geschichte Zülpichs. Von der Römerzeit bis zum Ende des Kurstaats. Geschichte im Kreis Euskirchen 34, S. 53-85. Euskirchen.

Weiertor in Zülpich

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Weiertor, Karl-Josef-Ernst-Platz
Ort
53909 Zülpich
Gesetzlich geschütztes Kulturdenkmal
Ortsfestes Bodendenkmal gem. § 3 DSchG NW
Fachsicht(en)
Archäologie
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Auswertung historischer Karten, Auswertung historischer Fotos, Literaturauswertung, Archäologische Grabung
Historischer Zeitraum
Beginn 1279

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„Weiertor in Zülpich”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-356593 (Abgerufen: 25. September 2025)
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