Jüdische Gemeinde Neuss
„Erste schriftliche Hinweise darauf, dass Juden in Neuss gelebt haben, stammen aus dem Jahre 1197. ... Vor 1300 lebten die Neusser Juden in der Nähe des späteren Hessentors am 'Judensteg', später im Glockhammer, wo sich im 15. Jahrhundert auch ihre Synagoge befand.
Dass die mittelalterliche jüdische Gemeinde in Neuss nicht ganz unbedeutend gewesen sein muss, wird daraus ersichtlich, dass in zahlreichen deutschen Städten Juden aus Neuss erwähnt wurden. Mitte des 15. Jahrhunderts wurden die Juden aus Neuss vertrieben ...“ (jüdische-gemeinden.de)
Erst in napoleonischer Zeit konnten sich Juden (wieder) kontinuierlich in Neuss niederlassen:
„Erst 1808, unter französischer Herrschaft, durften sich Juden wieder innerhalb der Mauern von Neuss niederlassen.“ (www.karl-heinz-burghartz.de)
Seit 1858 bestand die Synagogengemeinde Neuss mit den Filialgemeinden Zons/Dormagen, Nettesheim, Rommerskirchen und Glehn. 1932 waren Glehn, Nettesheim und Rommerskirchen angeschlossen (Reuter 2007). Gottesdienste wurden zum damaligen Zeitpunkt noch nach orthodox-religiösem Ritus abgehalten; erst Ende des 19. Jahrhunderts gewannen liberale Strömungen in der Gemeinde an Einfluss (jüdische-gemeinden.de).
Synagoge
Um 1815/16 wurde die erste Betstube der Neuzeit im Hause eines Gemeindemitgliedes in der Neustraße eingerichtet. Der Bau einer eigenen Synagoge zog sich wegen finanzieller Schwierigkeiten bis in die Mitte der 1860er-Jahre hin.
Am 29. März 1867 konnte schließlich ein repräsentativer Synagogenneubau eröffnet werden. An den dreitägigen Einweihungsfeierlichkeiten nahmen viele Honoratioren der Stadt teil. Die im orientalischen Stile erbaute Synagoge entstand nach Plänen des preußischen Baurates Friedrich Wilhelm Weise (1801-1874). An den Baukosten hatte sich die Stadt Neuss mit 2.000 Talern beteiligt (jüdische-gemeinden.de und Reuter 2007).
Bei Rohrbacher (1986, S. 106) findet sich die folgende Beschreibung des Baus:
„Die zinnengeschmückte Fassade, in rötlichem und hellem Sandstein gehalten, wurde von zwei Zwiebeltürmchen überragt. Ein großes Rundfenster beherrschte den Mittelteil; zu beiden Seiten dieses Rundfensters befanden sich schmale, hohe Fenster ... Über dem großen Rundfenster war ein Davidstern zu sehen; Davidsterne aus vergoldetem Metall zierten auch die Spitzen aller Zwiebelhauben. Über dem Portal waren eine hebräische Inschrift und Nachbildungen der Gesetzestafeln angebracht ...“
Kurz nach der Synagogenweihe richtete die Gemeinde im Gebäude gegenüber des Gotteshauses eine eigene Elementarschule ein; 15 Jahre später erbaute man dann ein eigenes Schulhaus, das bis 1913 existierte (jüdische-gemeinden.de).
Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden wie überall im NS-Staat auch in Neuss die jüdischen Einwohner immer weiter entrechtet und ausgegrenzt. Zwischen den Novemberpogromen im Jahr 1938 und dem Kriegsbeginn im September 1939 verließen mehr als 60 Juden ihre Stadt und emigrierten. Die in Neuss verbliebenen, meist älteren Juden wurden im Frühherbst 1939 in „Judenhäuser“ einquartiert und damit von der übrigen Bevölkerung weitgehend isoliert.
Zwischen Ende Oktober und Dezember 1941 erfolgte die Deportation der meisten von ihnen in die vom NS-Staat besetzten Gebiete in Osteuropa. Die zunächst noch in Neuss verbliebenen zehn Juden wurden dann Mitte 1942 deportiert und die Stadt in der amtlichen Statistik als „judenfrei“ vermeldet.
Insgesamt wurden mehr als 200 ehemalige Angehörige der Synagogengemeinde Neuss Opfer des Holocaust.
Die Synagoge wurde während der Novemberpogrome von 1938 in der Nacht vom 9. auf den 10. November niedergebrannt und schließlich 1941 völlig zerstört (Groten u.a. 2006). Viele der Neusser Juden stammten seinerzeit aus Hülchrath und hatten geglaubt, in Neuss sicherer zu sein.
Gedenken
Am einstigen Standort der zerstörten Synagoge in der Promenadenstraße erinnert der Name eines Pfädchen „An der Synagoge“ gleich neben der Niederlassung der Sparkasse an das einstige Gotteshaus.
Hier befand sich seit 1953 eine an der Außenmauer eines Hochbunkers aus dem Zweiten Weltkrieg angebrachte Gedenktafel, die an die jüdischen NS-Opfer von Neuss erinnerte. Diese Tafel wurde 1989 durch eine andere ersetzt.
Seit 1995 erinnert schließlich im gegenüberliegenden Grünstreifen ein steinernes Mahnmal an die einstige Synagoge und an die ausgelöschte israelitische Gemeinde. Die rund 30 Tonnen schwere Gedenkstätte aus Stein wurde von dem Bildhauer und Künstler Ulrich Rückriem (*1938) geschaffen. Eine Inschrift führt dazu aus:
Hier gegenüber stand die 1867 eingeweihte Synagoge der Jüdischen Gemeinde von Neuss.
Am 9. November 1938 wurde sie von SA-Leuten, unter denen auch Bürger dieser Stadt waren, geschändet und niedergebrannt.
Das Vergessenwollen verlängert das Exil, und das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung.
Daneben finden sich im Neusser Stadtgebiet seit 2005 insgesamt mehr als 150 sogenannter „Stolpersteine“ verlegt (Stand 2025), die an Opfer des Nationalsozialismus erinnern, die in Düsseldorf lebten und wirkten. Dieses Projekt wird wissenschaftlich und organisatorisch vom Förderkreis der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf für die Opfer nationalsozialistischer Gewaltherrschaft betreut, einem Kulturinstitut der Landeshauptstadt Düsseldorf.
Neue Synagoge Neuss
Vor allem über die Zuwanderung von Kontingentflüchtlingen aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion wuchs die Anzahl der Menschen jüdischen Glaubens in der Region seit um 1990 auf ca. 600. Bereits „seit einigen Jahren“ (so Reuter 2007) existierten daher Pläne, eine neue Synagoge für die in Neuss lebenden Juden zu errichten.
Zum 19. September 2021 wurde schließlich eine neue Synagoge am Weißenberger Weg (Leostraße 69) eröffnet und eingeweiht, die administrativ zur jüdischen Gemeinde Düsseldorf gehört. Seitdem wird hier im „Alexander-Bederov-Zentrum“ ein kulturelles und religiöses Angebot vorgehalten. Die Kulturstätte ist nach Alexander Bederov (1935-2012) benannt, der sich als Vorstandsmitglied der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Neuss unermüdlich für die Gründung einer jüdischen Gemeinde in Neuss eingesetzt hatte.
(Franz-Josef Knöchel, Digitales Kulturerbe LVR, 2025)
Internet
www.jüdische-gemeinden.de: Neuss (abgerufen 11.02.2025)
www.karl-heinz-burghartz.de: Das Neusser Judentum (abgerufen 11.02.2025)
jgdus.de: Jüdische Gemeinde Düsseldorf, Neuss (abgerufen 11.02.2025)
gedenkstättedüsseldorf.de: Förderkreis der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf e.V. (abgerufen 11.02.2025)
de.wikipedia.org: Alte Synagoge Neuss (abgerufen 11.02.2025)
de.wikipedia.org: Neue Synagoge Neuss (abgerufen 11.02.2025)