Untergegangene jüdische Friedhöfe in Düsseldorf

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Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege, Landeskunde
Gemeinde(n): Düsseldorf
Kreis(e): Düsseldorf
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 51° 13′ 25,23″ N: 6° 46′ 34,19″ O 51,22367°N: 6,77617°O
Koordinate UTM 32.344.714,24 m: 5.677.048,74 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.554.265,62 m: 5.676.816,69 m
  • Zeichnung von C. W. Bauer aus dem Jahr 1792: Lage des von vor 1705 bis 1884 belegten jüdischen Friedhofs an der Kasernenstraße in Düsseldorf (aus: A. Wedell, Geschichte der jüdischen Gemeinde Düsseldorfs, 1888, S. 245). Der Plan ist nicht genordet, im Bild oben ist Westen.

    Zeichnung von C. W. Bauer aus dem Jahr 1792: Lage des von vor 1705 bis 1884 belegten jüdischen Friedhofs an der Kasernenstraße in Düsseldorf (aus: A. Wedell, Geschichte der jüdischen Gemeinde Düsseldorfs, 1888, S. 245). Der Plan ist nicht genordet, im Bild oben ist Westen.

    Copyright-Hinweis:
    Bauer, C. W. / CC0 1.0
    Fotograf/Urheber:
    C. W. Bauer
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Erst seit Mitte des 17. Jahrhunderts lebten Juden und Jüdinnen kontinuierlich in der heutigen Landeshauptstadt Düsseldorf. Neben den heute noch erhaltenen jüdischen Friedhöfen gehen auch drei heute nicht mehr sicher auszumachende Begräbnisplätze auf die damals hier lebenden Juden zurück.

Erste Erwähnung eines Judenfriedhofs in Düsseldorf
Jüdischer Friedhof Flingern
Jüdischer Friedhof Kasernenstraße
Jüdischer Friedhof Pempelfort
Lage der einstigen Friedhöfe und Objektgeometrien
Internet, Literatur

Erste Erwähnung eines Judenfriedhofs in Düsseldorf
Nach den Wellen der Judenverfolgung infolge der Pest Mitte des 14. Jahrhunderts kam es wohl erst 1382 zu erneuten jüdischen Ansiedlungen in Düsseldorf. Für die Jahre 1418 und 1446 wird dann zumindest ein - offenbar erster - Judenfriedhof erwähnt, wenn auch ohne genauere Angaben zu dessen Lage.
Dieser findet etwa zeitgleich auch Erwähnung im Privilegium de non tolerandis judaeis aus dem Jahr 1438, mit dem Düsseldorf von Herzog Gerhard von Jülich-Berg (um 1416/17-1475) „als die einzige bergische Stadt mit einem jüdischen Friedhof ... das Zugeständnis erhalten [hatte], innerhalb der nächsten zwölf Jahre keine Juden in ihren Mauern dulden zu müssen“ (Ziwes 2002, S. 13 u. 17).

Mit Blick auf die nachfolgend genannten Orte (und heutigen Stadtteile) mit jüdischen Friedhöfen ist anzumerken, dass sich Düsseldorf trotz seines Stadtprivilegs von 1288 zunächst eher zögerlich entwickelte. Erst seit den 1380er-Jahren stieg die Stadt zur bevorzugten Residenz der bergischen Grafen bzw. Herzöge auf, verlor diesen Status allerdings zwischenzeitig wieder (Wensky 2008, S. 10 und Holdt 2008, S. 17-18). Zwischen 1650 und 1700 wuchs die Stadt von lediglich ca. 5.000 auf 8.500 Einwohner und erst zwischen 1750 und 1800 von etwa 9.000 auf 19.500 (Groten u.a. 2006, S. 282-283).
So werden die Ortschaften Flingern und Pempelfort noch für den Ausgang des 18. Jahrhunderts in Wilhelm Fabricius' Erläuterungen zum geschichtlichen Atlas der Rheinprovinz zur Karte Die Rheinprovinz im Jahre 1789, Uebersicht der Staatsgebiete als eigene Honschaften (= die unterste Verwaltungseinheit) zu „Hauptstadt und Amt Düsseldorf“ angeführt (Fabricius 1898, S. 312-313, Nrn. 153 u. 155).
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Jüdischer Friedhof Flingern
Bei dem vorab bereits erwähnten jüdischen Begräbnisplatz handelte es sich möglicherweise bereits um den seit dem 15. Jahrhundert belegten und im Jahr 1716 noch urkundlich erwähnten Friedhof in Flingern (heute Stadtteil Flingern-Süd), der sich vermutlich zwischen der Gerresheimer und Erkrather Straße befand (vgl. zentralarchiv-juden.de, Flingern; hier die östliche Objektgeometrie).

Jüdischer Friedhof Kasernenstraße
Ein weiterer jüdischer Friedhof ist von vor 1705 bis 1884 belegt; dieser befand sich im Bereich der Altstadt nördlich der Kreuzung Kasernenstraße / Benrather Straße. Ein durch C. W. Bauer im Jahre 1792 aufgenommener Situationsplan weist die Lage dieses jüdischen Friedhofs in Höhe der heutigen Kasernenstraße Nr. 14 aus (vgl. Abb., die Zeichnung ist nicht genordet; hier die westlich verortete Geometrie).
Der Rabbiner Dr. Abraham Wedell schreibt dazu: „Der älteste Friedhof der Düsseldorfer Gemeinde war ihr von dem Landesherren auf der jetzigen Kasernenstraße gleich nach ihrer Ansiedlung angewiesen worden. Die beeindruckende Zeichnung stellt den Situationsplan desselben dar.“ (Wedell 1888, S. 245).
Der im Jahr 1780 erfolgten Anweisung der Obrigkeit, diesen Friedhof aufzugeben, da er „applaniert werden müsse“, konnte die Judengemeinde nicht zuletzt auch mit Verweis auf die strengen religiösen Riten, welche die Verlegungen der als unantastbar und ewig geltenden Grabstätten nicht erlauben, bis 1782 abweisen. Gleichwohl erfolgte die Auflage seitens der Hofkammer, einen „ohnschädlichen Ort sofort auszuersehen und an höherer Stelle zu benennen“ (ebd., S. 246 ff.).
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Jüdischer Friedhof Pempelfort
Nach längeren Verhandlungen wurde der jüdischen Gemeinde schließlich im Jahr 1788 ein „am Gräulichen Bongard“ benanntes Gelände als Begräbnisstelle „unentgeltlich angewiesen“. Dieser Friedhof lag im Bereich der nördlichen Düssel an der heutigen Bongardsstraße in Pempelfort (hier die nördliche Geometrie) und wurde von 1788 bis 1877 belegt.
Lediglich ein Teil der Gräber an der Kasernenstraße wurde seinerzeit exhumiert und zum neuen jüdischen Friedhof überführt. Es wurden jedoch nicht alle Grabstätten verlegt, so dass für den Rabbiner Wedell „unbegreiflicherweise“ die verbliebenen Gräber „zum Theil mit Häusern bebaut ... sich jedoch noch jetzt unter der Strasse“ befinden.
Erst am 4. August 1837 führten die bereits zehn Jahre zuvor begonnenen Bemühungen zum Kauf der Fläche zum Erfolg und das Friedhofsareal ging für 2.138 Taler in den Besitz der Judengemeinde über (ebd.).

Betreut wurde der Pempelforter Friedhof von einer seit etwa 1760 in Düsseldorf bestehenden jüdischen Beerdigungsbruderschaft Chewra Kadischa (aramäisch für „heilige Bruderschaft / Gesellschaft“).
Die Stadt legte den Juden mittels strenger Auflagen die Anlage und Unterhaltung einer Hecke bzw. einer sechs Fuß hohen Mauer auf. Daneben schrieb man auch Regeln für den Ablauf von Trauerzügen sowie dafür erlaubte Zeiten vor, „... da sogar in der Stadt die Leichenzüge gegen Beschimpfungen nicht geschützt waren [und] um den Leichenbegängnissen der Juden jeglichen Unfug und sonstige Excessen ... zu entfernen“.
Hierzu ist anzumerken, dass es im Rheinland noch im 19. Jahrhundert wiederholt zu antisemitischen Ausschreitungen und Pogromen kam, die sich teils als vorgebliche „Wellen der antijüdischen Empörung“ weiter ausbreiteten. So auch 1836 in Düsseldorf, wo Lokalzeitungen ein Ritualmordgerücht noch ein Jahr nach dem Fund einer Kinderleiche aufrecht hielten (Rohrbacher u. Schmidt 1991).
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Die Stadt Düsseldorf wuchs zwischen 1850 mit 40.400 Einwohnern und 1900 mit 213.700 auf über 400.000 im Jahr 1913 stetig an; der jüdische Bevölkerungsanteil betrug etwa 1-1,5 % (Groten u.a. 2006, S. 287 f.). Die städtischen Behörden beanspruchten daher die Fläche des Friedhofs für den Ausbau der Prinz-Georg-Straße und ordneten 1874 dessen Schließung an. Im Gegenzug bot man den Juden die unentgeltliche Nutzung eines Grundstücks am Stoffeler Damm im Süden Düsseldorfs an. Die jüdische Gemeinde hielt diese Fläche jedoch wegen der großen Entfernung zur Stadt für ungeeignet und beantragte, „ihr die Mitbenutzung des Communalfriedhofes [in Golzheim, Verf.] zu gestatten.“ Dies wurde seitens der Stadt angenommen und den Juden ein bis dahin als Gartenland verpachteter Teil des im 19. Jahrhundert mehrfach erweiterten Golzheimer Friedhofs - der später erste kommunale Begräbnisplatz Düsseldorfs - mit einer eigenen Einfahrt an der Kaiserwerther Chaussee zur alleinigen Benutzung zugewiesen.
In der Folge gab es jedoch Uneinigkeit wegen der für die rituellen Erfordernisse der Juden anfallenden hohen Kosten und Gebühren sowie bezüglich einer dauerhaften Regelung der Besitzverhältnisse. Das Vorhaben wurde schließlich aufgegeben (erst ab 1922/23 wurde eine Parzelle des 1883/84 neu angelegten Kommunalfriedhofs, des heutigen Nordfriedhofs als jüdischer Friedhof genutzt).

Dennoch wurde die jüdische Gemeinde im Jahr 1877 endgültig zur Aufgabe des Pempelforter Friedhofs gezwungen und die Toten wurden fortan auf dem heute so bezeichneten „Alten Friedhof“ an der Ulmenstrasse bestattet. Mit Erlaubnis der „Kgl. Regierung“ durfte das durch eine Sammlung des Rabbiners und großzügigen Stiftungen von Gemeindemitgliedern finanzierte Grundstück angenommen und als neue Begräbnisstätte eingerichtet werden.
Auf diesen Friedhof wurden wohl erneut auch sterbliche Überreste vom aufgegeben jüdischen Friedhof an der Bongardstraße und anderen früheren Begräbnisplätzen überführt. Dazu das Institut Jüdische Studien: „Im Verlauf der nächsten Jahre [nach 1877, Verf.] wurden etwa 130-150 Steine von den Friedhöfen an der Kasernenstraße, Bongardstraße und des Friedhofes in Golzheim auf den Friedhof an der Ulmenstraße umgebettet.“ (friedhofulmenstrasse.wordpress.com)
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Lage der einstigen Friedhöfe und Objektgeometrien
Die teils noch die Belegungszeiträume der vorab genannten jüdischen Friedhöfe abdeckenden historischen Karten der Topographischen Aufnahme der Rheinlande (1801-1828), der zwischen 1836 und 1850 erarbeiteten Preußischen Uraufnahme sowie der Preußischen Neuaufnahme (1891-1912) weisen die Flächen oder mögliche Spuren der älteren jüdischen Friedhöfe in Düsseldorf nicht aus. Üblicherweise finden sich diese in der Ur- und Neuaufnahme mit „Bgr. Pl.“ (Begräbnisplatz) eingezeichnet, was hier aber nicht der Fall ist (vgl. Kartenansichten).

Die Objektgeometrie an der Kasernenstraße folgt dem genannten Plan von 1792. Die zu den Friedhöfen in Flingern und Pempelfort eingezeichneten Geometrien stellen deren Lage lediglich symbolisch im Bereich der genannten Örtlichkeiten dar. Ergänzende Hinweise zur Lokalisierung sind willkommen!

(Franz-Josef Knöchel, Digitales Kulturerbe LVR, 2024)

Internet
zentralarchiv-juden.de: Jüdische Friedhöfe in Düsseldorf: Mittelalterlicher Friedhof Flingern, Friedhof Kasernenstrasse, Friedhof Bongardstrasse, Alter Friedhof Ulmenstrasse, Neuer Friedhof auf dem Nordfriedhof (abgerufen 24.09.2024)
de.wikipedia.org: Jüdisches Leben in Düsseldorf (abgerufen 24.09.2024)
friedhofulmenstrasse.wordpress.com: Institut Jüdische Studien Düseldorf, Friedhof an der Ulmenstraße (abgerufen 24.09.2024)
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Literatur

Düsseldorfer Geschichts-Verein (Hrsg.) (1888)
Geschichte der Stadt Düsseldorf in zwölf Abhandlungen. Festschrift zum 600jährigen Jubiläum. (Beiträge zur Geschichte des Niederrheins 3.) Düsseldorf. Online verfügbar: digital.ub.uni-duesseldorf.de, Geschichte Düsseldorf 1888
Fabricius, Wilhelm (1898)
Erläuterungen zum geschichtlichen Atlas der Rheinprovinz. (2 Bände, Nachdruck 1965). Bonn.
Groten, Manfred; Johanek, Peter; Reininghaus, Wilfried; Wensky, Margret / Landschaftsverband Rheinland; Landschaftsverband Westfalen-Lippe (Hrsg.) (2006)
Handbuch der Historischen Stätten Nordrhein-Westfalen. (3. völlig neu bearbeitete Auflage). (HbHistSt NRW, Kröners Taschenausgabe, Band 273.) Stuttgart.
Holdt, Ulrike (2008)
Die Entwicklung des Territoriums Berg. (Geschichtlicher Atlas der Rheinlande, V.16.) Bonn.
Maimon, Ayre (Hrsg.) (1987)
Germania Judaica (GJ III). Band 3 (in drei Teilbänden 1987-1995), hrsg. in Zusammenarbeit mit Yacov Guggenheim im Auftrag der Hebräischen Universität in Jerusalem. Tübingen.
Pracht-Jörns, Elfi (2000)
Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Teil II: Regierungsbezirk Düsseldorf. (Beiträge zu den Bau- und Kunstdenkmälern im Rheinland 34.2.) S. 27-47, Köln.
Reuter, Ursula (2007)
Jüdische Gemeinden vom frühen 19. bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts. (Geschichtlicher Atlas der Rheinlande, VIII.8.) S. 36, Bonn.
Rohrbacher, Stefan; Schmidt, Michael (1991)
Judenbilder. Kulturgeschichte antijüdischer Mythen und antisemitischer Vorurteile. (Rowohlts Enzyklopädie 498.) Reinbek bei Hamburg.
Wedell, Abraham (1888)
Geschichte der jüdischen Gemeinde Düsseldorfs. In: Geschichte der Stadt Düsseldorf, hrsg. vom Düsseldorfer Geschichts-Verein, S. 149-254. Düsseldorf. Online verfügbar: digital.ub.uni-duesseldorf.de Jüdische Gemeinde Düsseldorf 1888
Wensky, Margret (2008)
Städte und Freiheiten bis 1500. (Geschichtlicher Atlas der Rheinlande, VI.2.) Bonn.
Ziwes, Franz-Josef (2002)
Jüdische Niederlassungen im Mittelalter. (Geschichtlicher Atlas der Rheinlande, VIII.7.) Köln.

Untergegangene jüdische Friedhöfe in Düsseldorf

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Bongardstraße, Gerresheimer Straße, Erkrather Straße, Benrather Straße, Kasernenstraße
Ort
40468 Düsseldorf
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege, Landeskunde
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Auswertung historischer Karten, Literaturauswertung
Historischer Zeitraum
Beginn 1418, Ende 1877

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Empfohlene Zitierweise
„Untergegangene jüdische Friedhöfe in Düsseldorf”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-355539 (Abgerufen: 22. Januar 2025)
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