Im Jahr 1957 schuf der Künstler Leonhard Nienartowicz zwei großflächige Mosaike an den Giebelwänden der Häuser Nummer 7 und Nummer 17 sowie die abstrakte Form an der Giebelwand des Hauses Gluckstraße 1 als verbindendes Element.
Aus tausenden vielfarbig glasierten Keramikplättchen setzte Nienartowicz die Motive zusammen. Sie sind leicht in die Giebelwand versenkt und an den Rändern mit Zinkblech geschützt. Die Farben der Steine variieren geringfügig. So entstehen changierende Mischfarben, kontrastiert von wenigen leuchtenden Farbakzenten. Die figürlichen Motive sind eingebettet in einen Hintergrund aus vielfarbigen Polygonen.
Das Motiv an Haus Nummer 17 zeigt eine aufrecht stehende junge Frau. Sie ist gekleidet im Stil der Zeit mit einem knielangem Rock und hält ein Kleinkind in ihren Armen. Zu ihren Füßen sind zwei ältere Kinder - Junge und Mädchen - in ein Ballspiel vertieft. Wie bei der Arbeiterdarstellung einige Häuser weiter liegt auch dieser Bildkomposition eine strenge Geometrie zugrunde. Allerdings erlaubt sich der Künstler hier einige geschwungene Linien und gibt den Gesichtern runde Formen. Während die Arbeiter fest in eine geradezu brutale Linienführung eingebunden sind, kann der kleine Junge im Spiel noch raumgreifend die Glieder strecken. Der leuchtend rote Ball zwischen den Händen des Mädchens symbolisiert kindliche Lebens- und Spielfreude: ein vergängliches Paradies. Möglicherweise wird wenige Jahre später das Mädchen ihrerseits eine junge Mutter sein und ihr Bruder bei den Industriearbeitern. Man kann daher beide Mosaike als Teil derselben Geschichte betrachten.
Vordergründig wird hier eine klare Rollenverteilung gezeigt. Die Männer arbeiten hart, die Frauen führen den Haushalt, die Kinder dürfen noch spielen. Das eine ermöglicht das andere. Zur Entstehungszeit der Mosaike war diese Rollenverteilung traditionell und kaum infrage gestellt. Der Künstler enthält sich diesbezüglich einer eindeutigen Wertung, seine Familienszene liefert aber eine Perspektive. Das dynamische Zentrum liegt bei den Kindern in der unteren Bildhälfte, verstärkt durch den leuchtenden Farbtupfer des roten Balls. Der Ball wird erneut zum Symbol, diesmal einer besseren Zukunft. Hier wird das Versprechen sozialer Mobilität angedeutet. Vater und Mutter arbeiten hart in ihren jeweiligen Rollen, damit die Kinder in ihrem späteren Leben sich nicht den gleichen Zwängen unterwerfen müssen.
Zwei Jahre zuvor hatte sich bereits der Baukreis-Künstler Hans Peter Feddersen in seinem Wandrelief am Albert-Schweizer-Weg mit dem Thema Familie auseinander gesetzt. Ein Vergleich der beiden Darstellungen kann interessante Einsichten in die Gesellschaft der frühen Bundesrepublik vermitteln.
(Barbara A. Lenartowicz-Senguel und Rainer Hotz, im Auftrag des Kulturamts der Stadt Hilden, 2024)
Internet
de.wikipedia.org: Leonhard Nienartowicz (abgerufen 12.09.2024)
de.wikipedia.org: Der Baukreis (abgerufen 12.09.2024)