Die Viersener Radrennbahn
Rennveranstaltungen zwischen 1935 und den 1950ern
Letzte Jahre und Ende der Radrennbahn
Bewertung
Lage / Objektgeometrie
Quellen, Internet, Literatur
Die Viersener Radrennbahn
Die Länge der Viersener Bahn betrug 200 Meter (gemessen an der Innenkante der Bahn). Sie hatte eine Kurvenüberhöhung von ca. 40 %. Die Oberfläche der ca. 8 Meter breiten Bahn war aus Beton (Zementbahn).
Die Struktur der mittlerweile völlig zugewachsenen Sportanlage lässt sich heute noch im Gelände, vor allem aber im Digitalen Geländemodell (DGM) erkennen. Auch auf älteren Luftbildern ist die ovale Betonbahn sehr gut auszumachen. Im DGM und in der aktuellen Deutschen Grundkarte DGK 5 sind die Wälle der Bahn im verwilderten Gelände heute noch deutlich zu erkennen.
Im Laserscan erkennt man außerdem im Westen der Bahn eine Unterbrechung, die möglicherweise der Überrest eines Tunnels ist (vgl. Abb.). Durch solche Tunnel gelangten die Sportler, Trainer und andere Offizielle in den Innenraum von Radrennbahnen, ohne die Bahn überqueren zu müssen.
Eröffnet wurde die Anlage am 14. Juli 1935, was der identischen Kurzmeldung mehrerer Lokalzeitungen in der Folgewoche zu entnehmen ist. Im Internationalen Radsportarchiv wird die Viersener Bahn für die Zeiträume von 1938 bis 1950 und von 1951 bis 1955 als „Radrennbahn am Baggerloch“ geführt (www.radsportarchiv.de). Die allgemeine Quellenarmut zur Bahnanlage ist sicherlich mit einer der Gründe für die abweichende Datierung.
Errichtet und betrieben wurde die Bahn vom 1902 gegründeten R. V. „Blitz“ 02 Viersen. Dieser richtete zunächst Straßenrennen am Niederrhein aus, unter anderem den „Großen Preis von Niederrhein“. Der Verein hat sein 100-jähriges Jubiläum nicht erlebt, da er seit 2021 nicht mehr existiert. Erste Bahnrennen führte „Blitz“ 02 auf der nördlich gelegenen „Grün-Weiß-Kampfbahn“ durch, der Spielstätte des Fußballclubs VfL Grün-Weiß 1905 (ein Vorgängerverein des heutigen 1. FC Viersen). Laut Zeitungsberichten fanden sich zu den dortigen Rennen am 25. Juli und am 20. September 1933 bereits bis zu 2.000 Zuschauer ein (vgl. Rheinisches Volksblatt vom 25.07.1933 und Viersener Zeitung vom 20.09.1933).
Rennveranstaltungen zwischen 1935 und den 1950ern
Der Rennbetrieb im neuen Velodrom im Baggerfeld fand nach der Eröffnung 1935 bis August 1939 durchgehend statt. Sogar für die Kriegsjahre 1940, 1941 und 1943, in denen der Sport häufig vollständig zum Erliegen kam, sind einzelne Rennen belegt.
Es wurden nationale und internationale Amateurrennen ausgetragen, darunter u.a. Mannschaftsfahrten über 20, 200 oder sogar 300-Runden, Mannschaftsrennen „nach Sechstageart“ und Ausscheidungsfahrten. Die Rennveranstaltungen wurden teils als „Ehrenpreis der Stadt Viersen“ (1936) oder auch als „Nacht von Viersen“ (1937 und 1939) ausgerichtet. Die bei Flutlicht abgehaltenen Nachtrennen erfreuten sich besonderer Beliebtheit beim Publikum. Über damalige Zeitungsberichte sind Rennen für den 5. April 1936, 26. Juni 1937 (Nachtrennen), 3. Oktober 1937, 12. Juni 1938, 18. September 1938, 7. April 1939, 18. Juni 1939, 12. August 1939 (Nachtrennen), 22. März 1940 und den 12. April 1941 belegt (vgl. zeitpunkt.nrw).
Neben entsprechenden Jugendrennen fanden auch Flieger- bzw. Steherrennen statt. Bei diesen sehr beliebten Publikumsmagneten - und dadurch für Veranstalter meist auch lukrativen Einnahmequellen - nutzen die Radrennfahrer den Windschatten eines knapp vorausfahrenden Motorrades und erzielen dadurch ein deutlich höheres Tempo.
In der Nachkriegszeit gab es ab 1948 wieder Rennen auf der Viersener Bahn. Nach der Unterbrechung durch den Zweiten Weltkrieg konnte der R.V. „Blitz“ die Viersener Bahn wohl schon recht bald wieder nutzen, um hier Veranstaltungen mit erneut großem Zuschauerzuspruch auf die Beine zu stellen: „Von 1948 bis 1952 fanden lokale Radrundrennen statt, 1951 richtete der Verein den ‚Großen Preis vom Niederrhein' aus.“ (Rheinische Post 2015)
Letzte Jahre und Ende der Radrennbahn
Angeblich sei es Mitte der 1960er-Jahre noch möglich gewesen, eine ganze Runde auf der Viersener Bahn zu fahren. Kurz darauf muss jedoch der Verfall so stark gewesen sein, dass sie nicht mehr auf ganzer Länge nutzbar war.
Wann genau der Bahnbetrieb eingestellt wurde, ist jedoch nicht genau zu ermitteln. Nach den Angaben von Viersener Bürgern in sozialen Medien, in denen über die Bahn diskutiert wird, haben sogar noch bis in die 1960er-Jahre hinein Rennveranstaltungen stattgefunden. Irgendwann jedoch waren Instandhaltung und Betrieb der Bahnanlage vermutlich nicht mehr zu gewährleisten und man konzentrierte sich wieder verstärkt auf Straßenrennen, wie die beliebte Stadtrundfahrt „Rund um Kaiser's“.
Der Innenbereich der Rennbahn wurde in der Folge offenbar auch als Fußballfeld von Hobbymannschaften genutzt, verwilderte aber zunehmend in den 1970er-Jahren. Das Jugendamt der Stadt Viersen nutzte die Fläche in den 1970er- und 1980er-Jahren als eine Art Bauspielplatz für Kinder und Jugendliche in den Sommermonaten. Neben selbstgezimmerten Holzhütten und sogar kleinen Schwimmbecken gab es offenbar auch eine BMX-Bahn. Im Winter wurde auf der steilen Bahn und den Zuschauerwällen gerodelt.
Bewertung
Auf Viersener Stadtgebiet existierte sogar noch eine zweite Radrennbahn im Dülkener Stadtgarten nur 3 Kilometer weiter westlich von hier. Setzt man eine entsprechende Herrichtung der „Grün-Weiß-Kampfbahn“ 1933 voraus, gab es streng genommen sogar drei Radrennbahnen in Viersen. Angesichts der intensiven und sportlich erfolgreichen Bahnrenngeschichte in Viersen - und insgesamt am Niederrhein - überrascht die Armut an schriftlichen Quellen enorm.
Nicht überprägte, aufgelassene Anlagen wie die Bahn in Viersen bilden eine seltene Ausnahme. Den physischen Überresten des Viersener Bahnradsports „Am Baggerfeld“ und in Dülken verleihen diese Tatsachen einen besonderen Denkmalwert als eigenständige archäologische Quellen.
Lage / Objektgeometrie
Auf den historischen topographischen Karten der TK 1936-1945 ist das Areal der einstigen Radrennbahn südlich von zwei damaligen und heute gewerblich überbauten Sportplätzen gut auszumachen. Der nördliche dieser beiden Plätze entspricht der vorab genannten, 1933 als Rennbahn genutzten „Grün-Weiß-Kampfbahn“. Auch im Hansa Luftbild von 1951 ist die Radrennbahn deutlich zu erkennen (vgl. Abb.). Das ältere Kartenwerk der Preußischen Neuaufnahme (1891-1912) zeigt das Gelände hingegen noch unbebaut; mit etwas Phantasie ist hier östlich der Ortschaft Hoser das namensgebende Baggerfeld bzw. Baggerloch „Am Pittenbusch“ auszumachen (vgl. die entsprechenden Kartenansichten).
(Jost Mergen, LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland, 2023 / Ergänzungen von Franz-Josef Knöchel, Digitales Kulturerbe LVR, 2023)
Quellen
- Historische Zeitungen im Zeitungsportal zeit.punktNRW, online unter zeitpunkt.nrw (abgerufen 2023).
- Beineke David: Erst kam das Essen, dann der Sport, in: Rheinische Post vom 24.12.2015.
Internet
www.radsportarchiv.de: Internationales Radsportarchiv, dort: Suche nach Bahnen (abgerufen 06.11.2023)
www.viersen.de: Radfahrverein 'Blitz 02' Viersen e.V. (abgerufen 06.11.2023)