Nur etwa 3 Kilometer entfernt von der Viersener Radrennbahn „am Baggerloch“ befand sich eine weitere Radrennbahn im Dülkener Stadtgarten, die von 1936 bis zum Zweiten Weltkrieg für teils größere Rennveranstaltungen genutzt wurde. An die mittlerweile vollständig überbaute Sportstätte erinnern heute einzig noch erhaltene Böschungen im Norden und Westen der früheren Anlage (zwischen den Tennisplätzen und den Häusern der Lindenallee). Unmittelbar südlich der einstigen Radrennbahn befinden sich im Gelände noch Spuren eines Landwehrwalls aus dem Jahre 1583.
Die Radrennbahn im Dülkener Stadtgarten Die Rennbahn wurde 1935/36 - von der seinerzeit noch eigenständigen Stadt Dülken unterstützt - durch den Bahnradsportverein BSpV Blitz 1889 errichtet (später auch nur als Radsportverein R.V. Blitz benannt). Die Bahn verfügte über einen Makadambelag (verdichtete oder mit Teer gebundene Gesteinskörnungen) und hatte eine Breite von 7 Metern. Die Länge betrug 250 Meter und die Überhöhung der steil ausgebauten Kurven 3 Meter.
Das Eröffnungsrennen sollte zunächst am 7. Juni 1936 stattfinden, wurde aber wegen schlechten Wetters auf Fronleichnam verlegt (11. Juni). Bei nun „idealem Rennwetter“ fanden sich immerhin rund 4.000 Zuschauer im Stadtgarten ein. Unter Anwesenheit zahlreicher NS-Parteiprominenz wurde die Rennbahn nach einigen Ansprachen und dem Absingen des „Horst-Wessel-Lieds“ mit Jugendwettbewerben, Vereinsfahrten und einem 2er-Mannschafts-Hauptrennen über 250 Runden (62,5 Kilometer) eröffnet. Dem Bericht der Niederrheinischen Volkszeitung vom 12. Juni zufolge, wurde der Tag wohl einzig durch das enttäuschende Abschneiden des heimischen Fahrers Klein getrübt, dessen Mannschaftspartner Harazin im Training böse gestürzt war. Die noch wellige Makadambahn war offenbar für einige weitere Stürze in den Rennen des Tages verantwortlich. Im Rahmen der Eröffnungsrennen wurde auch ein Flieger- bzw. Steherrennen ausgerichtet. Bei dieser Art Radrennen nutzen die Rennfahrer den Windschatten eines knapp vorausfahrenden Motorrades und erzielen dadurch ein deutlich höheres Tempo.
Ein Rennbetrieb auf der Dülkener Bahn ist bis 1941 nachgewiesen. Im Internationalen Radsportarchiv wird die Bahn ohne Bestandsdatum als „Radrennbahn Stadtgarten“ und für 1949 als „Radrennbahn Dülken“ geführt (www.radsportarchiv.de). Angesichts der Tatsache, dass gleich zwei Radrennbahnen so dicht beieinanderlagen, überrascht die Quellenarmut enorm. Die Quellenarmut zum Viersener Bahnradsport verleiht den Überresten beider Bahnen somit Denkmalwert als eigenständige archäologische Quelle.
Lage / Objektgeometrie Auf den historischen topographischen Karten der TK 1936-1945 ist das Areal der einstigen Radrennbahn im Westen des Stadtgartens als „Sp. Pl.“ (Sportplatz) eingezeichnet. In gleicher Ausdehnung findet sich die mittlerweile wohl nicht mehr betriebene Bahn dann noch auf einer Katasterkarte von 1957 verzeichnet (das daneben stehende Wort „Radrennbahn“ ist dabei durchgestrichen, vgl. Abb.). Die ältere Preußische Neuaufnahme (1891-1912) zeigt das Gelände noch unbebaut. In der aktuellen Deutschen Grundkarte DGK 5 sind die heute noch im Gelände erkennbaren nördlichen und westlichen Böschungswälle angedeutet (vgl. Kartenansichten).
Gedenkstele zum Zwangsarbeiter-Nachtlager 1944 Ortsgeschichtlich war die Dülkener Rennbahn im Zweiten Weltkrieg Schauplatz eines winterlichen Nachtlagers von knapp 2000 Männern aus dem niederländischen Roermond. Die NS-Kommandantur der von Truppen der deutschen Wehrmacht besetzten Stadt zwang die Männer am 30. Dezember 1944 zu einem Marsch in das etwa 30 Kilometer entfernte Dülken. Die Niederländer sollten von hier aus am nächsten Tag per Bahn nach Wuppertal-Vohwinkel in die Zwangsarbeit transportiert werden und mussten in Dülken eine Nacht ungeschützt und in eisiger Kälte im Freien verbringen (Marcus 2007; de.wikipedia.org nennt hingegen die Zahl von 3000 Roermondern). Im Stadtpark erinnert eine Gedenkstele an das Geschehen. Im Elmpter Wald bei Niederkrüchten erinnert daneben auch das Mahnmal Lüsekamp daran - sowie an 14 Männer, die im Vorfeld dieser Deportation von einem Exekutionskommando der deutschen Wehrmacht erschossen worden waren.
(Jost Mergen, LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland, 2023 / Franz-Josef Knöchel, Digitales Kulturerbe LVR, 2023)
Quellen Historische Zeitungen im Zeitungsportal zeit.punktNRW, online unter zeitpunkt.nrw (abgerufen 2023).
Internet www.wz.de: Ein viel zu unbekanntes Kleinod. Knutschbuchen, Hängebuchen, alte Landwehren - die wenigsten Bürger kennen den Dülkener Stadtgarten wirklich (Text Bianca Treffer, Westdeutsche Zeitung vom 21.07.2020, abgerufen 06.11.2023) www.viersen.de: R.V. 'Blitz' 1889 e.V. Dülken (abgerufen 06.11.2023) www.radsportarchiv.de: Internationales Radsportarchiv, dort: Suche nach Bahnen (abgerufen 06.11.2023) de.wikipedia.org: Mahnmal Lüsekamp (abgerufen 06.11.2023)
Literatur
Marcus, Klaus (2006)
Der Tod im Lüsekamp. Die standrechtlichen Erschießungen im Grenzwald der Gemeinde Niederkrüchten am 26. und 27. Dezember 1944. In: Heimatbuch des Kreises Viersen 2007, 58. Folge, S. 202-221. o. O.
Mergen, Jost (2023)
Ovale in der Landschaft - vergessene Radrennbahnen als archäologisches Kulturerbe? In: Archäologie im Rheinland 2022, S. 211-215. Oppenheim.
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