Kriegsgefangenenlager „Hoffnungsthal“

Arbeitskommando 281 des Truppenübungsplatzes Wahn, Kinderdorf Pestalozzi, Lager Stephansheide

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Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege, Landeskunde
Gemeinde(n): Rösrath
Kreis(e): Rheinisch-Bergischer Kreis
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 50° 53′ 25,23″ N: 7° 09′ 0,01″ O 50,89034°N: 7,15°O
Koordinate UTM 32.369.885,36 m: 5.639.260,65 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.580.960,10 m: 5.640.077,78 m
  • Das ehemalige Kommandaturgebäude des früheren Kriegsgefangenenlagers "Hoffnungsthal" bei Rösrath (2014).

    Das ehemalige Kommandaturgebäude des früheren Kriegsgefangenenlagers "Hoffnungsthal" bei Rösrath (2014).

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  • Gebäude des früheren Kriegsgefangenenlagers "Hoffnungsthal" bei Rösrath (2014); im Bild Fachwerkbaracken, die zwischen 1940 und 1945 als Unterkünfte dienten.

    Gebäude des früheren Kriegsgefangenenlagers "Hoffnungsthal" bei Rösrath (2014); im Bild Fachwerkbaracken, die zwischen 1940 und 1945 als Unterkünfte dienten.

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  • Steinerne Gedenkstätte für die Opfer des Zweiten Weltkriegs an der "Ehrenanlage Kalmusweiher" bei Rösrath (2005)

    Steinerne Gedenkstätte für die Opfer des Zweiten Weltkriegs an der "Ehrenanlage Kalmusweiher" bei Rösrath (2005)

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In der Gemarkung Kalmusweiher im Nordosten der Wahner Heide befand sich von 1940 bis zum Kriegsende 1945 ein „Hoffnungsthal“ benanntes Kriegsgefangenenlager der Wehrmacht. Offiziell wurde es als „Arbeitskommando 281“ des Truppenübungsplatzes Wahn betrieben. Benannt wurde das Lager in wahrscheinlich zynischer Absicht nach dem gleichnamigen Stadtteil Rösrath-Hoffnungsthal.

Schieß- und Truppenübungsplatz
Kriegsgefangenenlager
Ende des Lagers und Folgenutzung
Lage, heutiger Bestand und Baudenkmal
Internet, Literatur

Schieß- und Truppenübungsplatz
Das Gelände des späteren Kriegsgefangenenlagers war bereits um 1915/16 in den seit dem Jahr 1817 von den Preußen betriebenen Schießplatz Wahn einbezogen worden und diente verschiedenen Zwecken.
Ab 1926 wurde das Gelände durch kanadische, britische und französische Truppen besetzt und um 1932/33 ging das Areal in die Verwaltung der deutschen Landespolizei über, einer kasernierten Schutz- und Ordnungspolizei (Schupo oder Orpo bzw. auch Sicherheitspolizei, SiPo oder Sipo). Diese verwendete das Gebiet zu Übungszwecken (www.bonnerleerstellen.net).

Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme im Januar 1933 wurde der erweiternde Ausbau in Form eines militärischen Übungsplatzes vorangetrieben: „1935 wurde ein Außenlager des ‚Freiwilligen Arbeitsdienstes Westhofen' (Anlage eines Sport- und Exerzierplatzes für die Landespolizei) dort errichtet.“ (Kraus 1999, S. 105-106, Nr. 232)
1936 erfolgte die Unterstellung an die Wehrmacht, deren „Sonderabteilung des VI. Armeekorps“ - ein Strafbataillon der deutschen Truppen - das Gelände von 1937 bis zum 20. August 1939 nutzte. Gleichzeitig diente es auch als Ferienlager für die NS-Organisation des „Jungmädelbunds“ (JM), einem Zweig des „Bundes Deutscher Mädel“ (BDM) für die 10- bis 14-jährigen Mädchen innerhalb der „Hitlerjugend“ (HJ) (ebd.).
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Kriegsgefangenenlager
Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939 wurden die Gebäude ab 1940 als Lager für Kriegsgefangene der deutschen Wehrmacht betrieben und das Gelände dazu mit einem Zaun und Wachtürmen gesichert. Ein vom Mannschaftsstammlager VI G (Bonn-Hardthöhe bzw. -Duisdorf, vgl. Kraus 1999, S. 102, Nr. 212) eingesetzter Kommandant befehligte das 30 bis 60 Mann umfassende Bewachungspersonal, das sich aus Reservisten des Landesschützenbatallions 9 rekrutierte (ebd., S. 105-106 und www.bonnerleerstellen.net).

„Das gesamte Lager war mit einem vier bis fünf Meter hohen Stacheldrahtzaun umgeben. An zwei Ecken des Geländes standen sich Wachtürme schräg gegenüber, auf denen die Posten Tag und Nacht Stellung bezogen. Ein zentraler Barackenkomplex in Winkelform enthielt eine Krankenstation, einen Raum für kulturelle Zwecke, für die Blaskapelle des Lagers und eine Stube, die dem Lagerältesten zur Verfügung stand. Es gab Holzbaracken, die auf Pfählen standen und daher nicht von unten feucht werden konnten. Die 75 Stuben, in denen jeweils 14-16 Mann wohnten, waren mit Pritschen für jeden Kriegsgefangenen sowie Strohsäcken, Tischen und Sitzbänken ausgestattet. Die Unterkünfte für die Wachposten und die Kommandantur lagen außerhalb des Geländes.“ (Wagner 1989, S. 15-17)

„Zunächst waren im Lager französische Kriegsgefangene untergebracht, im Mai 1941 folgten rund 1200 Polen, die bis Mitte 1944 im ... zentrale[n] Kriegsgefangenenlager für polnische Fähnriche in Deutschland [blieben]. Insgesamt kamen die Insassen aus mindestens elf verschiedenen Ländern.“ (de.wikipedia.org).
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Entsprechend dem Kriegsverlauf waren die Gefangenen zunächst vor allem Franzosen und Polen. Polnische Fähnriche machten bis zum Sommer 1944 ungefähr 80-90 % der Kriegsgefangenen des gesamten Lagers aus. Ab Juli 1944 folgten dann auch auch Italiener und zum Ende des Jahres hin Russen und Ukrainer der Sowjetarmee. Belegt sind ferner zumindest ein Jugoslawe und ein Türke (Kraus 1999) sowie einzelne Engländer und Amerikaner. Genauere Angaben zur (Gesamt-) Zahl der Kriegsgefangenen zwischen 1940 und 1945 liegen nicht vor (www.minderheiten-in-porz.de und www.bonnerleerstellen.net).

Als Lager für Kriegsgefangene (Prisoners of War) war Hoffnungsthal von außen gut sichtbar mit der Beschriftung „POW“ gekennzeichnet und blieb daher weitgehend von alliierten Bombenangriffen verschont. Einzig ein Zufallsabwurf 1940 kostete 16 Menschen das Leben.

Seitdem das Lager dann ab Ende 1944 fast ausschließlich mit sowjetischen Gefangenen belegt war, verschlimmerten sich die ohnehin menschenunwürdigen Zustände nochmals rapide. Die generell schlechte Versorgungs- und Verpflegungslage für die in einfachen und kaum beheizbaren Fachwerkbaracken untergebrachten Insassen wurde durch Krankheiten nochmals verschärft. Ferner wurden die Inhaftierten entgegen der Genfer Konvention für Kriegsgefangene in zahlreichen kriegswichtigen Betrieben der Umgebung als Zwangsarbeiter versklavt.
Im Lager selbst kam es zu Folterungen und Hinrichtungen, etwa infolge der zahlreichen Fluchtversuche. Mündlich überliefert ist der Fall eines Mannes, der in einer Januarnacht 1945 an einen Pfahl gebunden und mit Wasser übergossen worden war und erfror (Wagner 1989 und 1993).
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Ende des Lagers und Folgenutzung
Bei der Befreiung und Auflösung des Lagers durch US-amerikanische Panzereinheiten, die am 11. April 1945 aus Richtung Spich kommend die Wahner Heide erreichten und Hoffnungsthal tags drauf ohne nennenswerten Widerstand befreien konnten, war das Gelände mit etwa 1.500 Männern belegt.
Für zahlreiche sowjetische Gefangene hatte das Leid auch nach ihrer Befreiung kein Ende. Sie wurden nach ihrer Rückkehr in die Heimat auf Anordnung Josef Stalins in die berüchtigten Straflager (Gulags) deportiert oder als angebliche Verräter sofort hingerichtet.

Nach der Befreiung wurden in den vormaligen Lagergebäuden kurzzeitig bis 1946 deutsche Kriegsgefangene interniert, bevor 1950 der gesamte Barackenkomplex von einem evangelischen Verein „Coenaculum Christus lädt ein“ übernommen wurde. Noch im gleichen Jahr entstand hier das Kinderdorf Pestalozzi für elternlose und obdachlose Kinder und Jugendliche, das seitdem zum Kinderdorf Stephansheide der Kölner Diakonie Michaelshoven gehört.
In einem der Gebäude des Kinderdorfes ist eine vom Geschichtsverein Rösrath erstellte und 1993 eröffnete „Gedenkausstellung Kriegsgefangenenlager Hoffnungsthal“ unterbracht. Hier werden spezielle Führungen für Schulklassen, Gruppen und Senioren angeboten:
„Der 1978 gegründete Geschichtsverein für die Gemeinde Rösrath und Umgebung hat sich auch mit der Geschichte des Lagers befasst und mit Hilfe von ehemaligen polnischen Kriegsgefangenen eine Gedenkausstellung erarbeitet, die 1993 in Nebenräumen der Stephanuskapelle eröffnet wurde. Sie umfasst Modelle des Lagers und einer Unterkunft für Kriegsgefangene, von Lagerinsassen aufgenommene Fotografien, Zeitzeugenberichte, Karten zum Arbeitseinsatz der Insassen und Listen der in der Haft umgekommenen Kriegsgefangenen.“ (www.rheinischemuseen.de).

Nur etwa 300 Meter entfernt erinnert eine auf dem ehemaligen Lagerfriedhof eingerichtete Gedenkstätte Ehrenanlage Kalmusweiher an 112 dort beerdigte Gefangene, davon 109 sowjetische Opfer, die noch in den letzten Kriegsmonaten durch Hunger, Krankheit und Folter im Lager Hoffnungsthal gestorben sind.
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Lage, heutiger Bestand und Baudenkmal
Auf der zeitgenössischen topographischen Karte TK 1936-1945 ist das Areal des Lagers Hoffnungsthal deutlich erkennbar eingezeichnet, wird allerdings nicht namentlich ausgewiesen (vgl. die historischen Karten in der Kartenansicht).
Als äußerlich kaum veränderter Baubestand sind heute noch die Kommandantur, zwei Barackenkomplexe und ein aus Ziegeln errichtetes Aborthaus erhalten. Die übrigen Gebäude wurden in den 1950er-Jahren zurückgebaut und eingeebnet (Wagner 1993).
Ein Modell des Lager befindet sich in der vorab genannten Ausstellung. Dieses zeigt den Zustand vom Juli 1943 u.a. mit dem Modell einer Gefangenenunterkunft (Kraus 1999 und www.minderheiten-in-porz.de).

Ehemalige Lagergebäude wurden zum 19.07.1989 als „ehem. Lager Stephansheide“ unter der laufenden UDB-Nr. 69 als Baudenkmal in die Denkmalliste der Stadt Rösrath eingetragen (Pestalozziweg 77, Flur 4, Flurstück 234, www.roserath.de; LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, Objekt-Nr. 91853).

(Franz-Josef Knöchel, Digitales Kulturerbe LVR, 2021)

Internet
www.bonnerleerstellen.net: Die Gedenkstätte Hoffnungsthal (umfassende Dokumentation, Text Sandra Ziehms, abgerufen 21.05.2021)
www.minderheiten-in-porz.de: Rösrath - Gedenkausstellung Kriegsgefangenenlager „Hoffnungsthal“ (PDF-Datei, 127 kB, abgerufen 21.05.2021)
www.rheinischemuseen.de: Gedenkausstellung Kriegsgefangenenlager Hoffnungsthal (abgerufen 15.06.2021)
www.diakonie-michaelshoven.de: Diakonie Michaelshoven e.V. (abgerufen 21.05.2021)
www.roesrath.de: Denkmalliste der Stadt Rösrath (PDF-Datei, 29 kB, undatiert, abgerufen 15.06.2021)
de.wikipedia.org: Kriegsgefangenenlager „Hoffnungsthal“ (abgerufen 21.05.2021)
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Literatur

Kraus, Stefan (2007)
Stätten Nationalsozialistischer Zwangsherrschaft. (unter Mitarbeit von Walter Rummel). (Geschichtlicher Atlas der Rheinlande, V.13.) Bonn.
Kraus, Stefan (1999)
NS-Unrechtsstätten in Nordrhein-Westfalen. Ein Forschungsbeitrag zum System der Gewaltherrschaft 1933-1945, Lager und Deportationsstätten. (Schriften zur Bodendenkmalpflege in Nordrhein-Westfalen 4.) Essen.
Wagner, Guido (1989)
Schicksale im Kriegsgefangenenlager „Hoffnungsthal“. In: Arbeitsgemeinschaft Geschichte der Freiherr-vom-Stein-Schule Rösrath (Hrsg.): Schülerwettbewerb Deutsche Geschichte um den Preis des Bundespräsidenten1988/89, S. 1-55. Rösrath.
Wagner, Guido / Geschichtsverein für die Gemeinde Rösrath und Umgebung e.V. (Hrsg.) (1993)
Betrifft: Kriegsgefangenenlager "Hoffnungsthal" 1940-1945. Zur Eröffnung der Gedenkausstellung in der Kapelle Stephansheide am 3. Oktober 1993. (Rösrather Denkmäler 3.) Rösrath.

Kriegsgefangenenlager „Hoffnungsthal“

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Pestalozziweg 77
Ort
51503 Rösrath - Stümpen
Gesetzlich geschütztes Kulturdenkmal
Ortsfestes Denkmal gem. § 3 DSchG NW
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege, Landeskunde
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:25.000 (kleiner als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Auswertung historischer Karten, Literaturauswertung
Historischer Zeitraum
Beginn 1940, Ende 1945

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Empfohlene Zitierweise
„Kriegsgefangenenlager „Hoffnungsthal“”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-333690 (Abgerufen: 24. April 2024)
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