Das Fachwerkhaus Hauptstraße 88 ist das Hauptgebäude einer ehemals größeren Gesamtanlage. Es stammt im Kern aus dem Jahr 1615. In Briedel ist das Anwesen als „Haus Grafschaft“ bekannt.
Verortung In der Briedeler Hauptstraße an der Ecke zur Graf-Salm-Straße befindet sich ein repräsentatives Haus. In seinem Kern stammt das Gebäude aus dem Jahr 1615. Das Datum konnte während einer dendrologischen Untersuchung im Rahmen von Renovierungsarbeiten im Jahre 1980 ermittelt werden. Das sichtbare Fachwerk stammt aus dem späten 17. Jahrhundert. Das Anwesen war ursprünglich Teil einer größeren Anlage. Diese bestand neben dem Eckhaus auch aus zwei links angrenzenden Gebäuden (heute Hauptstraße 90 und 92) sowie aus einem Anbau in Richtung Mosel (heute abgetrennter Teil Haus Graf-Salm-Straße 1). Gemeinsam bildeten die Gebäude einen U-förmigen Bau. Lediglich das Eckhaus und das links angrenzende Gebäude sind erhalten geblieben. Der linke Gebäudeflügel (heute Haus Hauptstraße 92) wurde im Jahre 1866 während des Ausbaus der Hauptstraße (damals Provinzialstraße) abgerissen.
Beschreibung Das Erdgeschoss des Fachwerkhauses ist massiv gemauert. Die zwei Obergeschosse zuzüglich Dachgeschoss sind in Fachwerkbauweise errichtet. Die dunkelbraunen Balken heben sich optisch aus der beigefarbenen Fassade hervor. Die Fenster an der Frontseite sind mit Buntglas verziert. Auffällig ist die linke angebaute Seite. Diese ist mit Schiefer verkleidet und hebt sich vom Rest des Hauses ab. Sie ist als nachträglicher Anbau des 17. Jahrhunderts noch deutlich zu erkennen. Links neben der Tür ist auf der Höhe des ersten Obergeschosses eine halbrunde Ausbuchtung zu erkennen. Hinter dieser Ausbuchtung befindet sich die Wendeltreppe im Inneren des Gebäudes.
Im Innenhof ist ein prächtiges Rokokoportal zu sehen. Es diente ursprünglich als „standesgemäßer“ Haupteingang zum Gebäude und ist heute der Eingang zum Nachbargebäude. Das Portal tritt leicht aus der Fassadenfläche hervor und ist farblich in dunklem Braun akzentuiert. Die zweiflüglige Holztüre greift das Rautenmuster des Fachwerks auf. Sie wird gerahmt von zwei Pilastern mit einem Kapitell mit gelb gefärbten Voluten. Diese Pilaster tragen einen geschweiften Giebel mit Nischenabschluss. In der bekrönenden Nische ist eine Figur des heiligen Josef eingefügt. Dieser hält eine Lilie in der Hand, die in der christlichen Ikonographie Keuschheit und Reinheit in der Lebensführung symbolisiert (Preis-Maier 2009, S. 24). Die Verehrung des heiligen Josefs nahm im Laufe des 19. Jahrhunderts stark zu. In diesem Zusammenhang darf die Figur innerhalb des Portals als Hinweis auf die Frömmigkeit der Besitzer verstanden werden. Über dem Gebälk erheben sich drei entflammte Fackeln. Diese drei aufrechtstehenden Fackeln können als Licht- und Wärme spendendes Element in positiver Weise gedeutet werden (Khan 2007, S. 162). Eine Steinkartusche im Gebälk gibt das Jahr 1767 als Datum der Erbauung dieses Gebäudeteils an.
Symbolik der Fassadengestaltung Die Zierelemente im Fachwerk weisen teilweise einen starken Symbolcharakter auf. So befinden sich sogenannte Feuerböcke in Reihung in Höhe des ersten Obergeschosses an der Stirnseite des Hauses. Die Balken bilden schräge Kreuze mit geschweiften Kreuzbalken. Diese Zierelemente wurden im frühen 17. Jahrhundert häufig verwendet. Sie symbolisieren die göttliche Kraft des Feuers und sollen gleichzeitig vor Feuer schützen. Ebenfalls sind an der Stirnseite geschweifte mit Nasen besetzte Streben und Gegenstreben zu sehen. Diese befinden sich auf Höhe des zweiten Obergeschosses oberhalb der geschweiften Rauten. Die Balken in Rautenmuster an der Gebäudelängsseite können als Wunschsymbol für Fruchtbarkeit für Menschen, Tiere und Feldfrüchte gedeutet werden.
Geschichte Erbaut wurde das Gebäude mit seinen Gebäudeteilen vermutlich von der Familie Wirger (auch Wiriger oder Virger). Sie war eine der reichsten Familien im Ort. Ein weiterer Zweig der Familie zeigt auf Thomas Wirger (Weirich) (verstorben 1636). Thomas Wirger war vom Jahr 1599 bis zum Jahr 1627 kurtrierischer Burggraf auf der Schmidtburg bei Kirn im Hunsrück. Der Briedeler Zweig dieser Familie starb bereits im 18. Jahrhundert aus. Die Ehe von Johann Wirger mit Anna Maria Cölsch aus Aldegund blieb ohne männlichen Erben. Der gesamte Besitz der Familie, so auch der Grundbesitz, wurde nach dem Tod Peter Wirgers als letztem männlichen Familienangehörigen versteigert. Peter Wirger (1707-1770) war Pfarrer in Rittersdorf und starb nur wenige Jahre nach Vollendung des linken Anbaus mit dem Rokokoportal. Die Steuerliste des Jahres 1788 führt das Haus in der Hauptstraße 88 als Haus 127. Laut dieser Steuerliste lassen sich folgende Besitzer nachweisen: Zwischen den Jahren 1784 bis 1788 diente das Haus dem Gerichtsschreiber und Wachtmeister Karl Plier (Geburtsdatum unbekannt - 1807) als Wohnhaus. Das Gebäude wurde mit 600 Reichstalern besteuert. Im Jahr 1832 ist Peter Nicol. Back als Besitzer angegeben. Nach dem Jahr 1834 wird Bartholomäus Mees in der Steuerliste geführt. Mees war der Schwiegersohn des Peter Nicol. Back und kaufte das Haus der Erbengemeinschaft ab. Am 21.12.1839 wurden das Wohnhaus im Oberdorf mit Stallungen, Keller und Garten nach dem Tod von Bartholomäus Mees versteigert. Für das Jahr 1844 ist Johann Jacob Fischer als Besitzer angegeben.
Heute ist das Haus im Privatbesitz. Im Inneren befindet sich eine offene Halle mit großem Kamin und einer steinernen Wendeltreppe nach oben. Die Treppe wurde nachträglich ergänzt. Die ursprüngliche gotische Tür ist vor einigen Jahren ausgehebelt und gestohlen worden.
Das Fachwerkhaus Hauptstraße 88 in Briedel wird im Nachrichtlichen Verzeichnis der Kulturdenkmäler im Landkreis Cochem-Zell geführt. Der Eintrag lautet: „Hauptstraße 88 Fachwerkhaus, tlw. massiv, Reste einer gotischen Tür, Dendro 1585 +/-5, Giebelfachwerk wohl spätes 17. Jh., linker Hausteil verschiefert, wohl im 17. Jh. angesetzt, Krüppelwalmdach, im OG bez. 1615“ (GDKE 2020, S. 12).
(Sarah Mihalovic, Luisa Junker, Anna-Maria Zois, Universität Koblenz-Landau / freundliche Hinweise von Herrn Elmar Kroth, Herrn Hermann Thur und Herrn Christian Kossmann, 2020)
Quellen Steuerlisten der Ortsgemeinde Briedel aus den Jahren 1624-1844.
Nachrichtliches Verzeichnis der Kulturdenkmäler, Kreis Cochem-Zell. Denkmalverzeichnis Kreis Cochem-Zell, 14. Januar 2020. S. 12, Mainz.
Gilles, Karl-Josef; Fatin, Natalie; Stölben, Albert / Gemeinde Briedel; Arbeitsgemeinschaft für Landesgeschichte und Volkskunde des Trierer Raumes (Hrsg.) (1998)
Die Geschichte der Gemeinde Briedel bis 1816. 1250 Jahre Briedel. In: Ortschroniken des Trierer Landes, Band 30, Trier.
Khan, Sarah (2007)
Diversa diversis. Mittelalterliche Standespredigten und ihre Visualisierung. (Pictura et poesis 20.) o. O.
Preis-Maier, Silvia (2009)
Der Garten in der religiösen Bilderwelt des Mittelalters. S. 24, Klagenfurt.
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