Zum Zeitpunkt ihrer Einweihung war sie eine der modernsten Drehbrücken Deutschlands. Bis heute ist die Brücke, inklusive ihrer Antriebstechnik, in funktionstüchtigem Zustand und steht unter Denkmalschutz.
Drehbrücken
Die Drehbrücke in Krefeld-Linn
Instandhaltung und Sanierung
Baudenkmal
Quellen, Internet, Literatur
Drehbrücken
Zusammen mit Klapp- und Hubbrücken gehören Drehbrücken zu den beweglichen Brücken. Sie ermöglichen eine Durchfahrt von Wasserfahrzeugen mittels temporärer Entfernung des Übergangs. Es gibt sie in ein- und zweiarmiger Ausführung.
„Drehbrücken entwickelten sich vor allem im Kanal- und Hafenbau. Einfache, handbetriebene Drehbrücken gab es wohl bereits im 17. und 18. Jahrhundert. ... Alternativen sind (sehr teure) Tunnel oder sehr hohe Übergänge, verbunden mit den dazu notwendigen langen oder steilen Auf- und Abgängen (siehe die Brücken am Mülheimer und Niehler Hafen in Köln).“ (www.rheinische-industriekultur.com)
Die Drehbrücke in Krefeld-Linn
Die Brücke befindet sich 470 Meter von der Hafeneinfahrt entfernt zwischen dem ehemaligen Rheinufer und der ehemaligen Rheininsel „Wilhelms-Ort“, die im Zuge des Hafenbaues zur Halbinsel gemacht wurde. Die einstige Insel ist auf den historischen Karten der Topographischen Aufnahme der Rheinlande (1801–1828) östlich der heutigen Hafeneinfahrt noch deutlich zu erkennen (vgl. Kartenansicht).
Die Brücke wurde gebaut, da sie zum Betrieb der Hafenbahn, und damit zur Anbindung Krefelds an den Rhein, notwendig war. Sie wurde als „Drehbrücke für den Eisenbahn- und Straßenverkehr“ als genietete Stahlfachwerk-Brücke in zweiarmiger Ausführung mit über der Fahrbahn liegendem Tragwerk gebaut. Ihre Spannweite beträgt 70 Meter.
Erbauer war, laut dem Zentralblatt der Bauverwaltung von 1906, die seit 1850 in Duisburg ansässige Gesellschaft Harkort (AG für Eisenindustrie und Brückenbau vorm. J. C. Harkort) in Verbindung – für die Mechanik – mit der Firma Haniel & Lueg (Düsseltal) und – für die elektrische Anlage – den Siemens-Schuckert-Werken (Berlin/Erlangen/Nürnberg). Die Gesellschaft Harkort war vorher schon am Bau des Schiffshebewerks Henrichenburg beteiligt und hatte verschiedene Brücken über Rhein, Elbe und Havel realisiert.
Um die beiden über 22 Meter breiten Durchfahrten für den Schiffsverkehr freizugeben, wird die, von Alexander Kierdorf als „Prunkstück ihrer Gattung“ bezeichnete, Krefelder Drehbrücke zunächst über ein System aus Hubkolben um 11 Zentimeter angehoben. Dann kann die Brücke um 90 Grad um den Mittelpfeiler gedreht werden, um Schiffe passieren zu lassen, die nicht unter der Brücke hindurchfahren können. Je nach Höhe des Rheinpegels ist dies häufiger oder seltener der Fall. Pro Jahr wird die Brücke etwa um die 150 mal gedreht.
Die komplette Maschinenanlage befindet sich im Mittelpfeiler der Brücke, der Antrieb des Hub- und Drehwerkes erfolgt durch einen 30 PS starken Elektro-Motor. Der gesamte Vorgang – vom Entriegeln der Brücke bis Beendigung des 90-Grad-Drehvorganges – ist in weniger als 4 Minuten möglich – diese kurze Zeitspanne war Vertragsbestandteil. Die Brücke kann in beide Richtungen beliebig um 90 oder 180 Grad gedreht werden. Das zu hebende und drehende Gewicht beträgt laut dem Zentralblatt der Bauverwaltung 800 Tonnen. Trotzdem kann der Hebe- und Drehvorgang auch manuell erfolgen – gerade einmal vier Menschen sind dafür notwendig.
Paragraph 3 der Hafenverordnung besagt: „Der Schiffsführer hat im Bedarfsfall die Öffnung der Drehbrücke bei der Hafenverwaltung zu beantragen. Bis zur Freigabe der Durchfahrt muss er das Schiff mindestens 50 m von der Brücke entfernt halten.“
Die Fahrbahn auf der Brücke war zweispurig, auf der zur Hafenausfahrt gelegenen Seite gab es von Beginn an Schienen. Diese wurden noch bis mindestens 1988 von Güterzügen befahren (vgl. Abbildung). Irgendwann danach wurden die Geleise entfernt und auf der Brücke Leitplanken installiert, wodurch die Fahrbahn einspurig wurde. Die schmalen Streifen rechts und links der Fahrbahn zwischen den Leitplanken und dem Tragwerk wurden als Radwege ausgewiesen.
Mit ihren über 22 Meter breiten Schiffsöffnungen genügt die Brücke immer noch heutigen und zukünftigen Ansprüchen (die Regelbreite eines Binnenschiffes beträgt 11,45 Meter und große Containerschiffe weisen eine maximale Breite von 17,35 Meter auf).
Betrachtet man die Trag- und Leistungsfähigkeit der Brücke, muss man feststellen, dass sie schon etliche modernere Brücken überlebt hat. Lediglich ihre heute einspurige Fahrbahn stellt – hinsichtlich des sehr großen und weiter wachsenden (LKW-)Verkehrsaufkommens – heute ein betriebstechnisches Defizit dar. Überlegungen zur Abhilfe reichen bis hin zur Aufgabe der Brücke. Planungen erwogen auch den Bau einer weiteren Brücke neben der Drehbrücke, um diese zu entlasten. Deren Baubeginn wurde 2002 für 2005 ins Auge gefasst. Über die neue Brücke sollte dann auch der Anschluss der Eisenbahn-Infrastruktur des Hafens an das öffentliche Bahnnetz erfolgen. Die alte Jugendstil-Drehbrücke sollte dann nur noch von Fußgängern und Radfahrern genutzt werden.
Leider wurden die beiden ‚Antennen‘ auf den oberen Enden des Tragwerkes, die früher optisch der Brücke das Gewicht nahmen, über die Zeit immer weiter gekürzt. Sie reichten, wie Fotos aus der Zeit belegen, 1906 bis zur doppelten Höhe des Tragwerkes.
Instandhaltung und Sanierung
Die Brücke wurde seit den 1970er-Jahren bereits mehrmals restauriert.
Die vorerst letzte Sanierung begann im Juli 2020 und sollte bis zum Frühjahr 2021 andauern. Um das Funktionieren des Hafenbetriebes zu gewährleisten, erfolgen die Arbeiten fast ausschließlich im laufenden Betrieb. Für die ca. drei Wochen dauernde Erneuerung des Asphaltbelages musste die Fahrbahn des stark frequentierten Nadelöhres natürlich komplett gesperrt werden. Neue Leitplanken hat die Brücke danach auch bekommen. Andere Arbeiten (unter anderem der Korrosionsschutz und die Erneuerung der Eichenbohlen der Fußwege) stehen noch aus. Seit Jahren ist auf einer Seite der Fußweg aus Sicherheitsgründen gesperrt, auf der anderen Seite mittels aufgeschraubter Metallplatten ‚gesichert‘.
Über die Instandhaltung hinaus wünscht sich die Hafenleitung für die Zukunft, die Brücke per Knopfdruck aus der Ferne bedienen zu können.
Baudenkmal
Unter der laufenden Nr. 613 ist die „Hafendrehbrücke, Hafenstraße“ in die Liste denkmalgeschützter Objekte der Stadt Krefeld eingetragen (www.krefeld.de, S. 17)
Im Krefelder Amtsblatt steht allerdings schon Ende 2002 zu lesen, dass nach dem Bau einer neuen Brücke die alte „aus Denkmalschutzgründen stehen bleiben muss, bis die Zeit und Sicherheitsgründe ihren Abriss … verlangen.“
(Edgar Droste-Orlowski, Uerdingen, 2021)
Quellen
- „Der neue Rheinhafen in Crefeld“, in: Deutsche Bauzeitung, XL. Jahrg. No. 63 vom 8. August 1906, S. 427-429.
- „Der Rheinhafen Krefeld“, in: Zentralblatt der Bauverwaltung, XXVI. Jahrgang 1906, Nr. 55, S. 351-352 (Digitalisat unter digital.zlb.de, abgerufen 23.02.2021)
- Krefelder Amtsblatt Nr. 52 vom 23.12.2002.
- Hafenzeitung vom Dezember 2020.
Internet
www.rheinische-industriekultur.com: Drehbrücke Krefelder Hafen (Text Alexander Kierdorf, mit Bildergalerie, abgerufen 15.02.2021)
www.rheinische-industriekultur.de: Drehbrücke im Rheinauhafen Köln (Text Alexander Kierdorf, abgerufen 25.02.2021)
www.rheinische-industriekultur.com: Rheinhafen Krefeld (Text Christoph Becker, abgerufen 25.02.2021)
www.industriekultur-krefeld.org: Industriekultur Krefeld, Routen und Orte, Drehbrücke Rheinhafen (abgerufen 25.02.2021)
www.horst-peterburs.de: Private Seite zur Rheinstadt Uerdingen – Rheinbrücke, mit einer Galerie historischer Aufnahmen (abgerufen 11.02.2021)
www.hans-maennel.de: Bilder und Informationen für den Straßenbahn- und Eisenbahnfreund, Hafen Krefeld GmbH & Co. KG (abgerufen 25.02.2021)
www.lwl.org: Internet-Portal Westfälische Geschichte, Harkortsche Fabrik, Hagen-Haspe (abgerufen 25.02.2021)
de.wikipedia.org: Harkort (Unternehmerfamilie) (abgerufen 25.02.2021)
web.archive.org: Die Drehbrücke von Krefeld-Linn (Sabine Wagner, Sendung „Lokalzeit aus Düsseldorf“ vom 21.10.2005, Archivversion von www.wdr.de, abgerufen 25.02.2021)
www.wz.de: So läuft die Sanierung der über 100 Jahre alten Hafendrehbrücke in Krefeld (Text Janis Beenen, Westdeutsche Zeitung vom 17.08.2020, abgerufen 15.02.2021)
www.rottenplaces.de: 10 sehenswerte Industriedenkmäler der Republik, Teil 5 (Text André Winternitz, 03.02.2021, abgerufen 15.02.2021)
www.krefeld.de: Denkmalliste der Stadt Krefeld (PDF, 131 kB, abgerufen 15.02.2021)