Thematische Einordnung
Der Ritterstein „Schuhmacherstiefel“ kann zwei Kategorien zugordnet werden. Zum einen der Kategorie „Orientierungspunkte“. Rittersteine dieser Gruppe sollen der Orientierung des Wanderers dienen. Beispiele sind etwa Quellen, Sohlen, Wooge, Felsen, Burgen, Täler oder Angaben über Grenzen oder Herrschaftsgebiete. Zum anderen zählt der Stein zur Kategorie „Kriegsschauplätze und Schanzen, Begebenheiten und Legenden“. Sie beschreibt entweder kriegerische Plätze wie Schanzen, Verhaue und Wälle, aber auch Legenden. Der Ritterstein soll an Ort und Zeit eines Ereignisses oder an eine Legende erinnern (Eitelmann 2005).
Spezifische Einordnung
Der Ritterstein trägt die Inschrift: SCHUHMACHERSTIEFEL. Das Kürzel PWV ist rechts unterhalb der Inschrift zu sehen. Es steht für den Pfälzerwald-Verein. Der Findling ist ein rechteckig aufrecht stehender Sandsteinblock.
Vor dem Ritterstein liegt im Boden eine Felsplatte von etwa 2 Metern Länge und gut 1,50 Metern Breite. In die Platte ist ein Stiefel mit einem langen Schaft „nicht ohne Gewandtheit“ (Mehlis 1910, S. 238) eingraviert. An der Stirnseite ist die Platte 0,30 m stark und nach Südosten „am Westhange des 528 m hohen Bösenberges, der mit Kanzelkopf, Kleyenkopf, Aspenkopf die westliche Einrahmung des Argenbachtales bildet“ (Mehlis 1910, S. 238) ausgerichtet. Der abgebildete Stiefel ist oben weit gefasst, etwa 18 Zentimeter in der Breite, verschmälert sich zum Knöchel hin und läuft in einem etwa 53 Zentimeter langen Schaft auf einen gut 30 Zentimeter „langen, gestreckten, vorn gewölbten Fuß“ (Mehlis 1910, S. 238). Der „Fuß“ des Stiefels passt in etwa auf das heutige Maß einer Schuhgröße 41/42. Ein Stiefel-Absatz ist deutlich zu erkennen.
In den Ecken der Platte sind zudem zwei Inschriften, rechts oben und rechts unten, eingeschlagen:
rechts oben: „L D“ / rechts unten: „27 M 75“.
Nun haben sich über die Jahre hinweg zahlreiche Deutungen der Inschriften in Verbindung mit dem abgebildeten Stiefel entwickelt:
- Sammelplatz „Bundschuh“
Nach einer Legende soll der Stiefel das Zeichen des „Bundschuhs“ sein, unter dem sich die aufständischen Bauern im Jahre 1525 zusammengefunden hätten. „An dem Felsen, mitten in den Haingeraidewaldungen, soll ihr geheimer Treffpunkt gewesen sein“ (Eitelmann 2005, S. 74). Es soll sogar an dieser Stelle der Ausbruch des pfälzischen Bauernkrieges bei einer Versammlung beschlossen worden sein. Diese Auffassung wird mit Hinweisen auf vergleichbare Steine und Flurnamen in der Pfalz untermauert.
„Am Nordhang des 520 hohen Eckkopfes, gelegen im Wachenheimer Walde, ca 1 ½ Stunden südwestlich von Wachenheim, südöstlich von Deidesheim, liegt der sog. “Christoffelschuh„ oder auch “Am Schuch„ (= Schuh). Auf einem Fels sind zwei Füße oder Bauernsteifel im Profile wiedergegeben. Letztere entsprachen genau unserem Relief auf dem “Schuhmacherstiefel„, nur daß dort die Stiefelspitzen nach links, hier nach rechts stehen. An diesem “Schuch„ [...] sollen nach der Volkstradition die aufständischen Bauern im pfälzischen Bauernkriege des Jahres 1525 ihre heimlichen Zusammenkünfte gehabt haben. Die Schuhe und der Stiefel sind das Abbild des “Bundschuhes„, der im Jahre 1525 im Elsaß bei Schlettstadt entstand und deren Mitgliedern “der große Bauernschuh als Symbol ihrer geheimen Verbindung diente„. – Wie das Zeichen oberhalb Wachenheim die Aufständischen aus der linksrheinischen Unterpfalz um sich gesammelt hat, so hier “der große Bauernschuh„ die freiheitsdurstigen Geraidegenossen aus dem Bistum [Speyer], denen “der Zahn gewaltig schweißt„“ (Mehlis 1910, S. 238).
- Sammelplatz der französischen Truppen
Französische Revolutionstruppen sollen sich nach ihrem „Umgehungsmarsch“ zum Schänzel, unter Führung eines Verräters, dort vereinigt haben. Von hier aus wollten sie das Schänzel stürmen. Diese Schilderung erinnert stark an die Legende um den Bildstock Studerbild. - Sammelplatz von Hirten und Waldarbeitern
In dem eingehauenen Stiefel wird auch eine müßige Betätigung von Hirten, Soldaten oder Waldarbeitern gesehen (Häberle nach Eitelmann 2005, S. 74). - Legende um Daniel Leiner
Im Landesarchiv in Speyer befindet sich eine Urkunde aus Edenkoben aus dem Jahr 1782. Sie zeigt eine Petschaft, deren zentrales Bild aus einem Langschaftstiefel besteht. Eine Umschrift zeigt „Leiner Daniel“. Auf der Felsplatte befinden sich oben rechts die Buchstaben „L D“. Sie könnten auf den Schuhmacher verweisen. Er war von Hornbach im Jahre 1763 nach Edenkoben gezogen. Auch auf dem Innungsstein beim Hüttenbrunnen nahe Edenkoben soll sich ein Schuhmacher eingetragen haben (alle Angaben Eitelmann 2005, Mehlis 1910).
Keine der aufgeführten Legenden oder Recherchen erklären die Eintragung „27 M 75“ am rechten unteren Ende der Steinplatte. Nahe liegt die Überlegung, es handele sich beim Stiefel und den Eintragungen um Angaben zu einem Längen- oder Schrittmaß oder einer Entfernung.
Geheimnisumwoben soll der Stein auch deshalb sein, weil eine Wetzrille angebracht ist (Eitelmann 2005). Dies erinnert an den Ritterstein Nr. 243 (Wetzbrunnen).
(Simone Brug, Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd und Matthias C.S. Dreyer, Club Sellemols (Historienfreunde Maikammer-Alsterweiler), 2021)