Thematische Einordnung
Der „Innungsstein“ ist ein Ritterstein aus der Kategorie „Orientierungspunkte“. Die Rittersteine dieser Kategorie dienen Wanderern zur Orientierung oder geben Hinweise auf Ziele (Eitelmann 2005). Die Darstellung der Hausmarken in den Kartuschen legt eine Einordnung in andere Kategorien nahe, wie in Jagd und Forstbetrieb oder auch in Holzwirtschaft und Flößerei. Jedenfalls ist der Bezug des Steines zu Personen mit öffentlichen Aufgaben im Gemeindewesen offensichtlich.
Spezifische Einordnung
Der „Innungsstein“ ist ein fast dreieckiger und rund drei Meter hoher Sandsteinfindling. Er hat seinen Namen irrtümlich bekommen, da die eingemeißelten Zeichen fälschlicherweise als Handwerkerzeichen wahrgenommen wurden. In Wirklichkeit sind es jedoch Hauszeichen (auch: Persönlichkeitszeichen nach Gödel 1985, S. 7) einzelner Amtspersonen.
In drei Feldern sind die Zeichen von zwölf Personen aufzuspüren. Zwei Felder sind als Kartuschen angelegt. Sie werden von abgeflachten Zierrahmen umgeben. Das Feld rechts unten wird lediglich von je zwei Geraideäxten begrenzt. Es fehlt der Zierrahmen. Jedes Feld führt eine andere Jahreszahl. Zu erkennen sind die Jahre 1770, 1772 und 1773. Die Felder werden jeweils von zwei, als stehende Geraideäxte anzusprechenden, Gravuren umgeben. Die Anzahl der Personenzeichen entspricht der Anzahl der 12 Äxte.
Eine Geraideaxt ist eine besondere Axtform. Sie wurde in den Haingeraiden (Waldgenossenschaft) genutzt, unter anderem um Bäume als Bauholz für die Geraidebauern (Mitglieder der Waldgenossenschaft) zu kennzeichnen. Die Zeichen und Buchstaben sind die „barocken Formen der Hausmarken“ (Gödel 1985, S.7). Sie stellen Namen und eine Reihe von Berufen dar. Die Buchstaben weisen auf Personen (Vor- und Zuname) hin, die zum Teil aus Urkunden bekannt sind. Einige Personen konnten anhand der Jahreszahlen ausgemacht werden. Es soll sich bei allen Herren um Geraideförster gehandelt haben. Die Förster der Haingeraide wurden jedes Jahr gewählt und übten neben ihrer üblichen beruflichen Tätigkeit zusätzlich auch das Amt des Geraideförsters aus (Leonhardt 1928, Seite 115).
Das Feld mit der Jahreszahl 1770 zeigt die Symbole eines Metzgers (Metzgerbeil), eines Küfers (Weinfass mit Zangen), eines Bauers (stilisierter Pflug, Pflugschar) und eines Bäckers (Brezel). Die erwähnten Hauszeichen beziehen sich wohl auf folgende Personen: den Metzger Hannes Jakob Völker (HIV) und den Bäcker Georg Wilhelm Satter (GWS). Die weiteren Personen konnten bisher nicht identifiziert werden.
Das Feld mit der Jahreszahl 1772 zeigt die Symbole eines Schuhmachers (Stiefel), eines Winzers (zwei Winzermesser, auch Sesel genannt) und zweier Bauern (rechts). Die Buchstaben beidseits der Messer könnten auf Hanns Christian Acker (HCA) hinweisen (Gödel 1985, S.7).
Das Feld mit der Jahreszahl 1773 zeigt die Symbole eines Hufschmieds (Hufeisen), eines Bäckers (Brezel), eines Bauers (Pflug) und eines Schuhmachers (Stiefel). Der Bäcker konnte als Hannes Wilhelm Croissant (HWC) identifiziert werden. „Er besaß nach dem Schatzungsbuch von Edenkoben vom Jahre 1777“ (Gödel 1985, S.7) eine Bäckerei in Edenkoben.
Besonderheit
Der Innungsstein ist eine außergewöhnliche Variante des Rittersteins, bezogen auf seine Herkunft als „klassischer Sandsteinfindling“. In der Regel wurden die weniger als einen Meter großen Sandsteinfindlinge für die Zweckbestimmung als Rittersteine in eine aufrechte Position gebracht. Der deutlich größere Innungsstein besteht aus grauem Sandstein und besitzt eine Kantenlänge von rund drei Metern. Der Ritterstein liegt hangparallel auf dem Boden eines steil abfallenden Tals. Er ragt mit einer Hangneigung von 45 Grad rund 60 Zentimeter dick aus dem Boden hervor. Die Lage des Steins ist auf die „Blockhaldenverwitterung“ zurückzuführen. Einst war der Innungsstein Teil einer aus Sandstein bestehenden Gesteinsschicht. Verwitterung und Erosion mündeten in ein hangparalleles Abrutschen einzelner Felsblöcke oder Felsplatten. Die Ergebnisse dieses Vorgangs sind am Luitpoldturm bei Hermersbergerhof oder am nahgelegenen Felsenmeer unterhalb der Kalmit zu sehen. Aufgrund der Größe und der steilen Hanglage wurde der Innungsstein nicht aufgerichtet und in unveränderter Lage graviert.
(Matthias C.S. Dreyer, Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd, 2018)