Förster / Peter Lindlar / wurde hier in / Ausübung /
seines Berufes / von Wilddieben / 9. Juli 1889 / erschossen
seines Berufes / von Wilddieben / 9. Juli 1889 / erschossen
Förster Peter Lindlar
Peter Lindlar wurde am 22. April 1849 geboren. Als Förster lebte er später in bescheidenen Verhältnissen in einem kleinen Fachwerkhaus, am Neuborner Weiher auf engstem Raum mit seiner Frau Magdalena und sieben Kindern. Lindlar betreute das Waldgebiet zwischen Refrath und Frankenforst und überwachte die Pflege des Wald- und Wiesenbestandes. Er war als Privatförster bei der Firma Berzelius angestellt, der damals dieser Teil des Frankenforsts gehörte.
Zu den Pflichten des sehr angesehenen und pflichtbewussten Försters gehörte auch das Verhindern von Wilddieberei, ein uraltes Delikt, welches bei der damals sehr armen Bevölkerung an der Tagesordnung war. Das Jagen und Erlegen von Rehen, Hasen, Wildschweinen, Hirschen sowie Holzdiebstahl wurde mit Verwarnungen, Geldstrafen und Gefängnis bestraft. So steht im Strafgesetzbuch von 1871 in § 292: „Wer an Orten, an denen zu jagen er nicht berechtigt ist, die Jagd ausübt, wird mit Geldstrafe bis zu 300 Mark oder mit Gefängniß bis zu 3 Monaten bestraft.“ § 293 besagt: „Die Strafe kann auf Geldstrafe bis zu 600 Mark oder auf Gefängniß bis zu 6 Monaten erhöht werden / wenn dem Wilde nicht mit Schießgurcht oder Hunden, sondern mit Netzen, Schlingen, Fallen oder anderen Vorrichtungen nachgestellt / oder wenn das Vergehen während der gesetzlichen Schonzeit / in Wäldern / zur Nachtzeit oder Gemeinschaft von mehreren begangen wird“ (Hanrath 1989, S. 182).
Seit jeher herrschte daher ein Spannungsverhältnis zwischen den Förstern und den Bauern. Auf den Kirchhöfen rund um den Königs- bzw. Frankenforst zeugen zahlreiche Gräber von den Opfern dieser Auseinandersetzungen.
Die Ermordung
Am Abend des 9. Juli 1889 kehrte Peter Lindlar nicht mehr nach Hause zurück. Es wird berichtet, dass sein Hund allein den Weg nach Hause gelaufen sein soll. Am 13. Juli 1889 berichtete der „Bensberg-Gladbacher Anzeiger“ (Volksblatt für das Bergische Land):
„Mit Windeseile verbreitete sich gestern Nachmittag die Nachricht durch unseren Ort, der 43 Jahre alte Waldaufseher Peter Lindlar aus Neuborn [Anm.: laut Stammbaum war Peter Lindlar 40 Jahre alt] werde vermißt und sei wahrscheinlich erschossen worden. Leider beruht dies furchtbare Gerücht auf Wahrheit. Lindlar hatte am Dienstag Morgen um 4 Uhr seine Wohnung verlassen, um in den Wald zu gehen. Dieser Gang sollte sein letzter sein. Nach langem Suchen wurde die Leiche am Mittwoch Nachmittag bei dem von der Saalermühle nach Kippekausen führenden Wege in einer etwa 20 Schritte abseits liegenden, von Strauchwerk überwachsenen Vertiefung aufgefunden. Dieselbe war sorgfältig mit Laub bedeckt, so daß viele der suchenden Personen bereits achtlos an der Stelle vorbeigegangen waren, bis schließlich der Gastwirt Kolter dieselbe einer näheren Untersuchung unterzog und den Ermordeten fand. In Brust, Hals, Oberarm etc. befanden sich etwa 20 Rehposten Munition und eine Menge Schrotkörner; außerdem ist der linke Oberarm gebrochen, was in Verbindung mit anderen Verletzungen darauf hindeutet, daß entweder vorher ein heftiger Kampf stattgefunden, oder daß die Wilddiebe nach der Erschießung den bereits am Boden Liegenden vollends erschlagen haben, um zu ihrer eigenen Sicherheit jede Entdeckung unmöglich zu machen. Die grausige Tat muß etwa 15 Minuten vor 6 Uhr morgens verübt worden sein, denn um diese Zeit hatte Lindlar noch einen ihm Begegnenden angesprochen, welcher letzterer einige Minuten später zwei Schüsse gehört hat. Bei der Begegnung trug Lindlar noch seine Flinte; dieselbe ist bis heute nicht wieder aufgefunden worden. Das Gericht begab sich sofort an Ort und Stelle, um den Thatbestand festzustellen und die Untersuchung ist eingeleitet. Hoffentlich führt dieselbe zur Ermittlung der ruchlosen Thäter. Die Polizei ist emsig tätig, einige Verhaftungen haben bereits stattgefunden, anderen in Verdacht der Wilddieberei stehenden Personen wird nachgespürt. Die allgemeine Aufregung und Teilnahme ist um so größer, als man ein derartiges Verbrechen hier nicht für möglich gehalten hat und weil der bei gewissenhafter Ausübung seines Berufes Ermordete als braver, pflichttreuer Mann überall beliebt war und eine zahlreiche Familie (sieben Kinder, der Geburt des achten wird entgegengesehen) hinterläßt“ (Hanrath 1989, S. 182).
In derselben Zeitung heißt es am 16. Juli 1889: „Zur Durchforschung des Terrains, wo der Waldaufseher Lindlar erschossen gefunden worden ist, waren am Samstag Nachmittag 30 Soldaten des 65. Regiments hierher kommandirt. Die Absuchung führte jedoch zu keinem Resultat. Dagegen ist die Flinte des bereits am Samstag Morgen nach Köln transportierten Hauptverdächtigen, Gärtners Bösmann, am Abend desselben Tages aus dem Mühlengraben bei Saal durch den Polizeioffizianten Wichartz herausgeholt worden, und zwar an der Stelle, welche ihm von einem anderen Verhafteten angegeben worden war“ (ebd., S. 183).
Laut Gerichtszeitung vom 3. November 1889 wurden zwei der Wilddieberei verdächtige Männer vor Gericht gestellt. Es handelte sich um den Gärtner Wilhelm Bösmann und den Müller Karl Heinrich Koch von der Saaler Mühle, die des gemeinschaftlichen Wildfrevels angeklagt wurden. Bösmann war bereits wegen Wilddieberei vorbestraft und wurde zusätzlich des Mordes an Peter Lindlar angeklagt. Trotz seiner Unschuldsbeteuerungen wurde er zu lebenslanger Zuchthausstrafe verurteilt, obwohl auf Mord damals die Todesstrafe stand. Zum Urteil soll er gesagt haben: „Meine Herren, das Geld hat mich verdonnert“. Gemeint war das Geld des zweiten Verdächtigen, der vermögender Miteigentümer der Mühle war und dessen Aussagen Bösmann schwer belastet hatten.
Angeblich wurde Bösmann wegen guter Führung vorzeitig aus der Strafanstalt Siegburg entlassen. Nach fast 30 Jahren kehrte er als gebrochener Mann noch einmal nach Refrath zurück, beteuerte abermals seine Unschuld und lebte noch einige Jahre als Gärtner im Linksrheinischen. Jedoch drohte man unartigen Kindern noch bis nach dem Ersten Weltkrieg mit: „Paß auf, der 'Bösmann' kommt!“
Der andere Verdächtige wurde aufgrund fehlender Beweise freigesprochen. Von ihm wird berichtet, er sei immer mehr in „geistige Umnachtung“ versunken, war als Maler tätig und „malte auf jede erreichbare weiße Fläche merkwürdige Tier- und Menschengestalten“ (ebd., S. 183). Auch wenn ihm keine Schuld an dem Mord nachgewiesen werden konnte, wurde er von der Bevölkerung, besonders von Kindern, gemieden.
Bis heute ungeklärt
Ungeklärt bleiben die Tatumstände des Mordes auch nach über hundert Jahren. Leider existieren keinerlei Unterlagen über die kriminaltechnischen Untersuchungen. Auch die Prozessakten liegen nicht mehr vor. Ob es sich um ein Verbrechen oder um einen Unfall handelte, kann somit nur auf Vermutungen gestützt werden.
In einem Aufsatz, erschienen im Rheinisch-Bergischen Kalender 1989, stellte die Autorin Annemarie Hanrath folgende sechs Hypothesen zum Mord an Förster Lindlar auf (ebd., S. 184):
- Die Wilddiebe haben dem Förster tatsächlich aufgelauert, um ihn zu beseitigen – aus welchen Gründen auch immer.
- Die Wilddiebe wurden vom Erscheinen des Försters aufgeschreckt und haben ihn in Panik erschossen, sind dann geflüchtet.
- Was die zwei Schüsse angeht, die der Begegnende gehört haben will, so könnten diese auch als Warnung oder in Notwehr aus der Flinte des Försters gekommen sein, die ja nie wieder aufgefunden worden ist. Entdeckt wurde nur die Flinte des Gärtners Bösmann.
- Möglicherweise war auch der Fremde nicht unbeteiligt und hat nur eine falsche Aussage gemacht, um Spuren zu verwischen. Da er nicht namentlich genannt wurde, ist seine wirkliche Rolle unklar geblieben. Jedenfalls hat er behauptet, daß Lindlar die Flinte bei der Begegnung noch trug.
- Die zusätzlichen Verwundungen, mit denen der erschossene Peter Lindlar aufgefunden wurde, können entstanden sein a) durch Stürze, b) durch Abwehr und Kampf mit seinen Mördern, c) indem sie ihm nachträglich zur Vortäuschung eines Unfalls beigebracht worden sind.
- Es sei schließlich an die auch heutzutage nicht seltene Möglichkeit eines Jagdunfalls gedacht, daß nämlich die Wilderer auf ein vermeintliches Tier schossen – was aber im hohen Sommer morgens um 6 Uhr eher unwahrscheinlich anmutet.
Möglicherweise handelt es sich aber auch um einen Justizirrtum und die Richter haben nicht den wirklichen Täter verurteilt. Auf erwiesenen Mord oder Raubmord stand nach § 211 damals die Todesstrafe. Die Richter haben den mutmaßlichen Täter aber nur „lebenslänglich“ verurteilt. Vielleicht lag bei der Urteilsverkündung doch eine Unsicherheit vor. Später ging ein Gerücht in Bensberg um, ein Bensberger Bürger habe auf dem Sterbebett gestanden, damals Förster Lindlar im Wald erschossen zu haben. Ein anderes Gerücht besagt, dass es sich um einen privaten Racheakt gehandelt habe, da Förster Lindlar ein notorischer Schürzenjäger gewesen sein soll.
Der Mord an Förster Peter Lindlar wird wohl für immer ein ungeklärter Fall bleiben.
(Biologische Station Rhein-Berg in Zusammenarbeit mit dem Bürger- und Heimatverein Refrath, erstellt im Rahmen des Projektes „Auf den Spuren unserer Bergischen Kulturlandschaft“. Ein Projekt im Rahmen des LVR-Netzwerks Kulturlandschaft, 2020)
Quellen
Bürger- und Heimatverein Refrath e. V. (2012): Denkmal für Förster Lindlar in „Historischer Rundweg – Informationen zu Straßen und Standorten“, S. 32f. 2. Auflage 2012.
Internet
www.kreuzstein.eu: Kurzbeschreibung des Lindlarsteins (abgerufen 14.07.2020)