Vor dem Aufgang zur Stadthalle, am Stadtplatz, befindet sich der Geißbockbrunnen von Deidesheim. Der Brunnen ist ein Werk des pfälzischen Bildhauers Gernot Rumpf (geboren 1941), der durch seine künstlerischen und originellen Brunnenanlagen bekannt geworden ist. Der Brunnen wurde im Jahr 1985 zu Ehren der historischen Geißbockversteigerung fertiggestellt.
Der Brunnen Bei dem Brunnen handelt es sich um einen runden, aus kleinen Wackersteinen gemauerten Zierbrunnen mit Steinplatten als Abdeckung des Brunnenrands. Im Blickpunkt stehen die gusseisenen Figuren und Objekte. So erhebt sich mittig ein Brunnenstock, der von einem Geißbock bekrönt wird. Er steht stellvertretend für den Tributbock, der von der Gemeinde Lambrecht jeweils am Pfingstdienstag nach Deidesheim geliefert werden muss und schließlich dort versteigert wird. Neben dem Geißbock befindet sich der Hut Napoleon Bonapartes, der an den durch den französischen Kaiser initiierten Schlichtungsvertrag zwischen Lambrecht und Deidesheim erinnern soll. Auf dem Brunnenrand stehen zwei kopflose Figuren, das Abbild des Lambrechter Brautpaars, das während der Zeremonie den Geißbock nach Deidesheim führt. Das kopflose Ehepaar wird häufig als touristisches Fotomotiv genutzt. Ebenso wie die benachbarten Tiere Bock und Ziege. Im Geäst des Brunnenstocks befinden sich zahlreiche Tiere, darunter die sagenhafte Elwedritsche, das Fabelwesen aus der Pfalz. Diese werden in einem humoristischen Rahmen dargestellt, da diverse Körperteile als Wasserspeier dienen.
Die historische Geißbockversteigerung „Am Pfingstdienstag tagt das Hohe Stadtgericht und verkündet: Wer mit dem Schlag der sechsten Stund’ das höchst Gebot abgibt, dem ist der Bock zu eigen und erhält ein urkundlich Vermerk hierfür.“ Die Geißbockversteigerung ist seit über 700 Jahren der kalendarische Höhepunkt in Deidesheim. Sie zählt damit zu den ältesten Traditionen, die in Rheinland-Pfalz ausgelebt werden. Um die 10.000 Touristen füllen die Straßen Deidesheims, um Teil dieser Tradition zu sein. Im Laufe der Zeit wurden mehrere Programmpunkte zum Ablauf der Zeremonie beigefügt, sodass diese sich stetig weiterentwickelt hat.
Der historische Hintergrund der Geißbockversteigerung Das Ereignis geht auf ein mittelalterliches Rechtsverhältnis zurück, das seit vielen Jahrhunderten existiert. Festgehalten wurde das Brauchtum erstmals 1404 in einer von König Ruprecht (1352-1414, Pfalzgraf von 1398-1410 und römisch-deutscher König von 1400-1410) ausgestellten Urkunde, mit der er das Weiderecht für das Kloster Lambrecht auf Deidesheimer Weiden bestätigt. Durch die Vergabe der Weiderechte, forderte die Stadt Deidesheim einmal jährlich zu einem festgelegten Datum zum Sonnenaufgang einen Geißbock, der an das Rathaus geliefert werden sollte.
Im Laufe der Zeit gab es immer wieder Streitigkeiten um den Geißbock. Daraufhin musste Napoleon Bonaparte (1769-1821, regierte von 1804-1814 sowie 1815) eine Urkunde ratifizieren, die unter anderem die Beschaffenheit des Bocks genau festlegt. In dieser Urkunde wurde bestimmt, dass die Lambrechter Bürger „un bouc bien cornu et bien capable“ („einen Geißbock wohl gehörnt und wohl gebeutelt“) an die Stadt Deidesheim liefern sollten. In der Geschichte kam es auch vor, dass die Deidesheimer mit der Lieferung nicht zufrieden waren, sodass die Lambrechter von 1851 bis 1857 im folgenden Jahr acht Geißböcke auf einmal nachliefern mussten.
Zur Zeit der Weltwirtschaftskrise um 1930 sowie kurz nach dem Zweiten Weltkrieg um 1945/1946 versuchte der damalige Lambrechter Bürgermeister mit dem Argument, die Waldweide sei nicht mehr vorhanden, werde aber auch nicht benötigt, die Lieferung des Geißbocks einzustellen, was jedoch misslang.
Bei allen Auseinandersetzungen, welche die beiden Gemeinden vor allem im 18. Jahrhundert wegen der Nutzung des Deidesheimer Hinterwaldes führten, war die Lieferung des Tributbocks nie strittig. Nach einer im Februar 1967 getroffenen Vereinbarung erstattet Deidesheim den Kaufpreis des Bocks, der sich zurzeit im mittleren dreistelligen Betrag bewegt, mit einer entsprechenden Menge Wein sowie ein Weindeputat (Entlohnung in Naturalien) für das Lambrechter Brautpaar. Das regionale Ereignis gewann zunehmend an Popularität, sodass sich die Thematik in literarischen Werken, Gedichten sowie Theaterstücken wiederfindet.
Der Ablauf Jedes Jahr am Pfingstdienstag wird der Geißbock vom jüngst getrauten Lambrechter Brautpaar bis zur Stadtgrenze gebracht, von wo aus er von der Marschtruppe und dem Stadtrat bis hin zum Rathaus begleitet wird. Vor dem Rathaus versammelt sich jedes Jahr eine Menschenmasse, die sich das Spektakel ansehen möchte. Auf einer Bühne vor dem Rathaus findet das anschließende Programm statt. Zur Übergabe des Bocks wird ein kurzes Historienspiel dargestellt mit dem Lied „Der Geißbock ist gekommen“, dem Einzug des Stadtgerichts, der Überreichung der Übergabeurkunde durch den Bräutigam an den Schultheiß von Deidesheim sowie der Verhandlung des Stadtgerichts.
Zum Schluss werden die Nachmittagsveranstaltungen vorgetragen und der Abmarsch zum „Frühshoppen“ eingeleitet. Am Nachmittag folgt um 15 Uhr ein abwechslungsreiches Programm mit Fassschlupfen und Küferschlag sowie einer weiteren Szene aus dem Historienspiel. Der Höhepunkt der Veranstaltung gipfelt in der Versteigerung, die um 17:45 Uhr beginnt und mit dem letzten Glockenschlag um 18 Uhr endet. Wer bis dahin das höchste Gebot abgegeben hat und den Zuschlag erhält, wird in den historischen Ratssaal gebeten und erhält neben einer Urkunde auch den frisch erworbenen Geißbock. Den gebotenen Betrag muss er in bar bezahlen.
(Sarah Krieger, Universität Koblenz-Landau, 2019 / Mit freundlichen Hinweisen von Berthold Schnabel)
Literatur
Andermann, Kurt (Hrsg.) (1995)
Deidesheim. Beiträge zu Geschichte und Kultur einer Stadt im Weinland. Sigmaringen.
Schmitt, Heinz (2000)
Geissbock, Wein und Staatsbesuche. Deidesheim in den letzten 150 Jahren. Landau i. d. Pfalz.
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