Im Raum Zülpich gibt es Braunkohlenflöze in unterschiedlichen Tiefen und Stärken. In einer Tiefe von 60-70 Metern lag ein Flöz, das mit rund 8 Metern als abbauwürdig bewertet wurde. In den Jahren zwischen 1953 und 1969 wurde hier im offenen Tagebau Braunkohle abgebaut und verstromt bzw. zu Briketts verarbeitet. Es war die Victor Rolff KG (heute: Juntersdorf GmbH), die hier das „braune Gold“ förderte. Im Raum Frechen wurde in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Förderung in Großtagebauen begonnen. Aus ihnen entwickelten sich im Laufe der Zeit die bekannten Braunkohlentagebaue von Hambach, Inden und Garzweiler. Neben den großen Tagebauen gab es im Rheinischen Braunkohlenrevier zahlreiche kleinere Anlage, die teilweise bis in die 1960er Jahre produzierten.
Ursprünge im 19. Jahrhundert Der Tagebau Victor geht auf Braunkohlenbergbau des frühen 19. Jahrhunderts zurück. In den Gruben Astraea und Proserpina-Elisabeth wurde westlich von Zülpich im Untertagebau mit Schächten und Stollen gefördert. Wegen der geringen Mächtigkeit der Flöze war der Abbau aber nicht besonders ertragreich. Zur Abfuhr der Braunkohlen von der Grube Astraea wurde eigens eine Bahnverbindung durch die Dürener Kreisbahn erbaut. Die Strecke von Zülpich nach Embken wurde 1911 eröffnet, Grube und Brikettfabrik wurden über ein eigenes Anschlussgleis erreicht. Allerdings war das Frachtaufkommen deutlich geringer als prognostiziert. 1920 wurde der Braunkohlentagebau eingestellt und die Brikettfabrik aufgegeben. Die Bahnstrecke nach Embken legte man im Januar 1957 mit Erweiterung der Grube Victor still.
Grube Victor 1953-1969 Im Zülpicher Raum wurden in den 1950er Jahren Braunkohlenvorräte mit rund 60 Millionen Tonnen prospektiert. Damit waren nur die oberflächennahen Flöze erfasst, die tieferen, in mehreren hundert Metern Tiefe lagernden Vorräte waren damals noch nicht zugänglich. Zur Versorgung der eigenen Brikettfabriken und des eigenen Braunkohlekraftwerkes schloss die Victor Rolff KG die Grube Victor bei Zülpich auf. Nach vorbereitenden Entwässerungsarbeiten 1952 wurde ab 1953 mit dem Abbau der Braunkohle begonnen. Wegen der geringen Mächtigkeit des Braunkohlenflözes, das aber in einer Tiefe von rund 60 Metern lag, galt es zunächst, den aufliegenden Abraum (Deckgebirge) wegzuräumen. In einer Beschreibung von 1958 erläutert dies Dipl-Bergingenieur Proff: „Der Abbau vollzieht sich in unserem Tagebau in zwei Trassen. Auf der oberen steht ein 417 Tonnen schwerer Schaufelradbagger und auf der unteren ein kleiner Schaufelradbagger und ein Eimerkettenbagger. Der Tagebau bewegt sich im Schwenkbetrieb fort, also um einen Drehpunkt. Im gleichen Sinne erfolgt auch der Abbau der Kohle. Das schnelle Abbautempo ist in erster Linie auf das ungünstige Verhältnis Kohle zum Abraum zurückzuführen. Während im rheinischen Braunkohlengebiet nur etwa 50-40 Meter Deckgebirge beseitigt werden mußten, um an ein Kohlenflöz von bis zu 80-90 m Mächtigkeit zu gelangen, liegt das Verhältnis von Abraum zu Kohle in den neueren Grubenaufschlüssen, wozu auch der Zülpicher zählt, wesentlich ungünstiger. Daher muß man immer mehr zum Tieftagebau übergehen.“ (nach Becker 1959)
Die Gesamtausdehnung des Tagebaus erstreckte sich über eine Fläche von rund 170 Hektar. Wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit, bedingt durch große Mengen Abraum und nur geringmächtige Braunkohlenflöze, gab man den Betrieb bereits 1963 wieder auf.
Bandstraßen Ursprünglich wurden Abraum und Braunkohle in der Grube Victor mit einer Abraumbahn bewegt. Diese legte man schon bald wieder still, um die Kohle über starke Gummibänder in Richtung Fabrik, ebenso auch den Abraum in Richtung Kippe laufen zu lassen. Die Bandstraßen hatten zusammen eine Länge von über 10 Kilometern. Die Grube Victor Rolff hatte bei der Entwicklung der Bandstraßen Pionierarbeit geleistet. So kamen sogar Braunkohlenexperten aus dem In- und Ausland, um die Bandstraßen, die als die modernsten im europäischen Braunkohlenbergbau bezeichnet wurden, zu besichtigen und ihre Technik zu studieren. Die einen Meter breiten Spezial-Gummibänder hatten eine Länge von jeweils rund 800 Metern. Nach je 800 Metern kam eine Übergabestelle, falls sich die Förderrichtung änderte und auch, um die Bänder leichter kontrollieren zu können; denn mit Störungen musste immer gerechnet werden. Über diese Bänder gelangte die Rohkohle in einen Bunker, der rund 4500 Kubikmeter Fördergut aufnehmen konnte. Er diente zugleich als Reserve bei Störungen der Bandstraßen oder in der Brikettfabrik.
Brikettfabrik Geich Die Braunkohlen wurden zunächst in die Brikettfabrik in der Grube Fürstenberg bei Frechen transportiert. Um die Braunkohle im eigenen Werk verarbeiten zu können, baute man in Geich eine neue Brikettfabrik. Am 12. Oktober 1955 nahm man sie in Betrieb. In der Fabrik arbeiteten sieben Pressen in drei Schichten. In 24 Stunden wurden 1.300 Tonnen Briketts gepresst, ausgestoßen und in Güterzügen oder von Lastkraftwagen im Landabsatz abtransportiert. Die Fabrik lieferte auch Strom für das RWE (Rheinisch-Westfälische Elektritzitätswerk). Die im Werk erzeugte Energie wurde in der Fabrik nicht ganz benötigt und so konnten erhebliche Mengen Strom an das Versorgungsnetz der Umgebung abgegeben werden. Eine erste Turbine lieferte rund 13.000 Kilowattstunden, die zweite Turbine erzeugte rund 24.000 Kilowattstunden.
Wasserhaltung Wasserhaltung ist ein dauerndes Problem im Bergbau, so auch im für die damaligen Verhältnisse tiefen Tagebau von Zülpich. Die unabhängig vom eigentlichen Braunkohlentagebau errichteten Brunnen und Strecken hatten die Aufgabe, die Wasserflüsse aus dem Deckgebirge und der unverritzten Kohle aufzufangen und den Tagebau davor abzuriegeln. In nahezu 40 Metern Tiefe legten Bergleute im Untertagebau Entwässerungsstrecken an. Das Auffahren der Entwässerungsstrecken erfolgte von Hand. Die dort lagernde Kohle wurde vom Hauer gelöst, in Grubenwagen verladen und mit der elektrischen Haspel über den Bremsberg zu Tage gebracht. Die Entwässerungsstrecken hatten die Aufgabe, das Wasser aus der anstehenden Kohle zu ziehen. In Verbindung mit den Filterbrunnen, die von oben bis zur Kohle hinuntergeführt wurden, entwässerten sie auch das hängende Deckgebirge. Die Brunnen gaben ihr Wasser nicht mehr nach oben, sondern nach unten ab. Das Wasser floss zum tiefstgelegenen Punkt des Streckensystems, gelangte zum Pumpensumpf, wurde dort geklärt und mit Kreiselpumpen an die Erdoberfläche befördert.
Abraumhalde Juntersdorf Zur Deponierung des Abraumes wurde bei Juntersdorf eine Hochkippe / Halde angelegt. Bereits nach kurzer Betriebszeit begann man mit der Rekultivierung der Halde. Es wurde Klee und Gras eingesät, durch die sich eine geschlossene Grasnarbe bildete, die Schafe abweideten. Die Halde wurde terrassenförmig aufgestockt. Die horizontal liegenden Flächen nutzte man als landwirtschaftliche Flächen, die Böschungen dagegen, um den Boden zu halten, rekultivierte man forstwirtschaftlich.
Rekultivierung der Grube Die Grube flutete man nach Aufgabe mit Hilfe des Neffelbaches. Vor allem die Gebiete nahe der Stadt Zülpich wurden wieder verfüllt und in landwirtschaftliche Flächen umgebaut. Bei der Rekultivierung sollten die Böden im Vergleich zu früher noch besser werden. Deshalb hatte man beim Grubenaufschluss den wertvollen Lössböden gesondert abgelagert. Nach dem Wiedereinbau wurden die ausgekohlten Flächen in der Zülpicher Gemarkung zur landwirtschaftlichen Nutzung den Landwirten zurückgegeben. Im Norden entstand der Neffelsee, heute Naturschutzsee Füssenich.
Archäologische Verluste durch die Grube Victor Durch Fundmeldungen oder die Kontrolle von Erdarbeiten im Vorfeld des Braunkohlenabbaus in der Grube Victor durch den zuständigen „Pfleger für Bodenaltertümer des Kreises Düren“ sind einige Fundstellen verschiedener Zeitstufen überliefert, ihre Erfassung erfolgte meist jedoch nur knapp. Die wenigen Funde, darunter auch römische Münzen aus konstantinischer Zeit, gingen zumeist in Privatbesitz über und konnten nur in Einzelfällen dokumentiert werden. Sehr wenige Funde gelangten in ein Museum, zum Teil sind sie heute verschollen. Wie viele archäologische Plätze das Gelände der Grube umfasste, muss ungeklärt bleiben. Belegt sind fünf römische Siedlungsstellen sowie ein römisches Brandgrab, das unter anderem zwei Glasgefäße enthielt. Aber auch mittelalterliche und neuzeitliche Fundplätze mussten dem fortschreitenden Tagebau weichen. Von ursprünglich drei Mühlenkomplexen am alten Verlauf des Neffelbachs, deren Standorte bereits auf der Tranchot-Karte von 1808 verzeichnet sind, wurden zwei durch die Braunkohlenförderung zerstört: die Biessen- und die Öl-Mühle. Einzig die Luisges-Mühle unmittelbar westlich der ehemaligen Abbaukante blieb bestehen, sie ist heute eingetragenes Baudenkmal. Bekanntestes Beispiel unter den neuzeitlichen Fundstellen ist vermutlich der jüdische Friedhof, der sich seit dem 17. Jahrhundert etwa 250 Meter westlich des Weiertores befand. Im Jahr 1958 wurden im Vorfeld des Braunkohlenabbaus 225 Grabstätten „aus technischen Gründen“ auf den jüdischen Friedhof Köln-Ehrenfeld umgebettet. Ein spätmittelalterlicher Hof und möglicherweise eine Kapelle zählen ebenfalls zu den archäologischen Verlusten – manche der dokumentierten Strukturen können heute jedoch nicht mehr sicher zugeordnet werden.
(LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland, 2019)
Hinweise Die Kartierung wurde nach einer Karte des Stadtarchivs Zülpich übertragen, die Grenzen sind nicht abschließend dargestellt. Die Grube Victor war Station der Archäologietour Nordeifel 2019.
Braunkohle am Rande der Römerstadt Zülpich. In: Heimatkalender des Kreises Euskirchen 1959, Euskirchen. Online verfügbar: Heimatkalender Kreis Euskirchen, abgerufen am 07.09.2019
Buschmann, Walter; Gilson, N.; Rinn, B. (2008)
Braunkohlenbergbau im Rheinland. In: Die Bau- und Kunstdenkmäler von Nordrhein-Westfalen 1, Worms.
Dick, Hans-Gerd (2019)
„Doinet und Consorten …“. Die frühen Braunkohlengruben zwischen Euskirchen und Düren. In: Buschmann, Walter (Hrsg.): Industriekultur: Düren und die Nordeifel, S. 209-220. Düren.
Wolff, Gerd (1997)
Deutsche Klein- und Privatbahnen. Band 4: Nordrhein-Westfalen / Südlicher Teil. S. 39-62, Freiburg.
Braunkohlentagebaugrube Victor westlich von Zülpich
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