Die Alte Volkshochschule Bonn, gelegen im Zentrum der Stadt in direkter Nähe zum Landgericht, wurde im Jahr 1831 als Frei- bzw. Armenschule erbaut, um mittellose Kinder kostenfrei zu unterrichten. Im Lauf der belebten Geschichte wechselten die Nutzungsformen mehrere Male. Besonders intensiv war dabei der sogenannte „Kampf um das Cholerahospital“ im Jahr 1832.
Vorgeschichte/Die „alte“ Armenschule Im Jahr 1817 wurde die Armen- bzw. Freischule von Heinrich Joseph Angelbis gegründet. Der Unterricht fand zunächst auf einem Kasernengelände an der nördlichen Stadtmauer statt. Angelbis, der für seine Bemühungen um das Gemeinwohl stadtweit bekannt war, rief die Armenschule ins Leben, um Kinder zu unterrichten, deren Eltern den Besuch einer regulären Schule nicht finanzieren konnten. Der Unterricht fand unentgeltlich statt und die Kinder erhielten zusätzlich Essen, Kleidung und Schuhe. Finanziert wurde dies durch einen Wohltätigkeitsverein sowie überschüssigem Geld aus einer Suppenanstalt. Im Jahr 1828 besuchten bereits 434 Kinder die Schule. Diese Zahl überstieg bald die Kapazitäten der verfügbaren Schulgebäude. Daher wurde im April 1928 ein Antrag für einen Neubau der Schule an die Regierung in Köln gestellt.
Die „neue“ Armenschule Im Mai 1829 wurde der Neubau der Schule genehmigt und es konnte mit den Baumaßnahmen begonnen werden. Die Fläche an der neuen Wallstraße (heute Wilhelmstraße) wurde von der Stadt Bonn und der Verschönerungskommission für den Bau der Schule zur Verfügung gestellt. Der Bauunternehmer Heinrich Möllhausen erhielt den Zuschlag für die Umsetzung des Bauvorhabens. Der Bau verzögerte sich aufgrund des lockeren Bodens und schlechter Wetterbedingungen. Auch die Kosten, die zuerst auf ca. 13.000 Taler geschätzt wurden, stiegen erheblich an. Im November 1831 konnte der Neubau schließlich bezogen werden, obwohl der Bau nicht vollständig abgeschlossen war. Das dreistöckige Gebäude kann über zwei Freitreppen an der Nord- und Südseite betreten werden. Im Erdgeschoss befanden sich die Wohnräume und Küchen der Lehrer, des Pförtners und des Leiters der Freischule. Im ersten Stockwerk befanden sich drei große Säle für ca. 100 Schulkinder, die Näh- und Strickschule und zwei weitere Lehrerwohnungen. Die Aufteilung im zweiten Stock war ähnlich, jedoch gab es anstelle der Strickschule einen Handwerksraum für die männlichen Schüler. Unter dem Gebäude erstrecken sich zwei langgezogene Kellerräume, welche meist als Abstellräume verwendet und vermietet wurden. Das Außengelände war durch einen Zaun in zwei Schulhöfe aufgeteilt: einen für die Jungen und einen für die Mädchen.
Cholerahospital Zur Zeit der Fertigstellung war das Gebäude der repräsentativste und modernste Schulbau der Stadt. Hier sollten die Kinder nun endlich unter würdigen Bedingungen mit dem Schulunterricht beginnen. Kurz nach der Fertigstellung und noch bevor der Schulbetrieb richtig starten konnte, wurde das Gebäude jedoch im Zuge der Choleraepidemie, die Teile von Deutschland im Jahr 1831 heimsuchte, zu einem Krankenhaus für Cholerapatienten umfunktioniert. Eine eigens dafür gegründete städtische Sanitätskommission fasste dazu einen Ratsbeschluss, über den am 17. September 1831 abgestimmt wurde. Dieser fiel positiv für das Cholerahospital aus. Bereits eine Woche später wurde die Umnutzung auch von der Bezirksregierung in Köln genehmigt, da auch dort eine große allgemeine Angst vor dem Ausbruch der Krankheit im Westen Deutschlands herrschte. Daraufhin wurde das Gebäude für die Nutzung als Krankenhaus hergerichtet. Jedoch gab es bereits im Mai 1832 eine Verfügung der Regierung in Köln, die besagte, dass die Armenschule das Gebäude wieder beziehen darf und das Cholerahospital dafür auf dem Gelände der ehemaligen Armenschule unterkommen soll. Darauf folgte ein gerichtlicher Streit zwischen Vertretern der Bezirksregierung und der Sanitätskomission der Stadt Bonn. Die Entscheidung blieb jedoch bestehen und der Schulbetrieb konnte wiederaufgenommen werden. In Bonn kam es im Zuge der Choleraepidemie zu keinem Ausbruch und es gab lediglich einen Todesfall in Köln zu beklagen.
Wilhelmschule Die Armenschule konnte bis 1878 unter dem Status einer Freischule bestehen. In diesem Jahr fielen die Schulgeldzahlungen in Bonn weg, sodass nun alle Schulen frei besucht werden konnten. In der Stadt hatte sie aber weiterhin den Ruf als Armenschule und die Kinder dort bekamen durch verschiedene Förderprogramme und Spenden kostenfreie Kleidung und Speisen. Im Jahr 1899 wurde sie organisatorisch in die übrigen Stadtschulen eingegliedert und erhielt den neuen Namen „Wilhelmschule“. In dieser Form bestand sie jedoch nur bis 1903. In diesem Jahr wurde sie aufgelöst und die Schulkinder, Lehrerinnen und Lehrer zogen in die neu erbaute Nordschule ein. Kurze Zeit später bekam die Wilhelmschule den Zusatz Förderschule. Die Klasseneinteilung erfolgte nun nicht mehr systematisch, sondern auf Grundlage der Begabung der Kinder. Zu dieser Zeit wurde auch das Mannheimer Schulsystem eingeführt, welches als Vorläufer des heutigen deutschen Schulsystems gilt. Im ersten Weltkrieg musste der Schulbetrieb kurzzeitig unterbrochen werden, da die Lehrer zum Teil für deb Kriegsdienst eingezogen wurden. Im Jahr 1919 wurde der Unterricht wiederaufgenommen. Förderklassen und Regelklassen wurden jetzt parallel im Gebäude untergebracht. In dieser Form wurde das Gebäude bis 1925 genutzt.
Spätere Nutzungen Das Gebäude wurde in den Jahren 1926 bis 1933 zeitweise für die neugegründete Pädagogische Akademie genutzt, bevor diese in einen Neubau (später Bundeshaus der BRD) am heutigen Platz der Platz der Vereinten Nationen umziehen konnte. Im zweiten Weltkrieg wurde der Bau zeitweise als Auffangstelle für Geschädigte nach Bombenangriffen auf die Stadt Bonn genutzt, beispielsweise nach einem Angriff der Royal Airforce am 18. Oktober 1944. Dazu war das Haus mit einem politischen Leiter der NSDAP und einer Vertreterin der NS-Frauenschaft besetzt. Später wurde das Gebäude zum Teil selbst durch Bombenangriffe beschädigt. Im Jahr 1949 wurde es als Haus der Erwachsenenbildung mit der neugegründeten Volkshochschule und der neuen Hauptstelle der Stadtbibliothek wiedereröffnet. Die Stadtbibliothek war dort bis 1980 beheimatet, die Volkshochschule bis zum Jahr 2015. Danach stand das Gebäude drei Jahre leer und wird seit Oktober 2018 unter dem Namen „Alte VHS“ als alternatives Kulturzentrum von verschiedenen Gruppen genutzt.
Baudenkmal Das Objekt „Ehemalige Freischule/Wilhelmschule“ ist ein eingetragenes Baudenkmal (Denkmalliste Bonn, Baudenkmäler lfd. Nr. A 3383).
(Lukas Gielen, Geographisches Institut der Universität Bonn, 2019)
Internet rheinische-geschichte.lvr.de: Portal Rheinische Geschichte: Bonn im Bombenkrieg 1939-1945 (abgerufen 20.08.2019). General-Anzeiger-Bonn.de: Verein will Anmietung verlängern. Aus der Volkshochschule wird ein Kulturzentrum (abgerufen 20.08.2019). alte-vhs.de: Alternatives Kulturzentrum Bonn (abgerufen 29.08.2019)
Zur Geschichte der Wilhelmstraße in Bonn. In: 150 Jahre Landgericht Bonn, S. 265-315. Bonn.
Körschner, Dieter (1992)
Der Kampf ums Cholerahospital in Bonn im Jahre 1832. In: Bonn und das Rheinland : Beiträge zur Geschichte und Kultur einer Region ; Festschrift zum 65. Geburtstag von Dietrich Höroldt, Bonn.
Müller, Anton (1925)
Geschichte des Bonner Trivial- und Volksschulwesens vom Mittelalter bis zur Gegenwart. S. 141-183, Bonn.
Stadtbibliothek Bonn (Hrsg.) (2018)
75 Jahre Stadtbibliothek Bonn: Eine abwechslungsreiche Geschichte. Bonn.
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