Evangelische Zufluchtsstätte für unverheiratete Mütter und ihre Kinder in Sülz

„Rettungshaus für gefallene Mädchen“

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege, Denkmalpflege, Architekturgeschichte
Gemeinde(n): Köln
Kreis(e): Köln
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 50° 54′ 56,21″ N: 6° 55′ 15,53″ O 50,91561°N: 6,92098°O
Koordinate UTM 32.353.858,08 m: 5.642.499,50 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.564.810,80 m: 5.642.663,20 m
  • Schule an der Benratherstraße und Zufluchtsstätte für unverheiratete Mütter und ihre Kinder in Köln-Sülz (um 1911)

    Schule an der Benratherstraße und Zufluchtsstätte für unverheiratete Mütter und ihre Kinder in Köln-Sülz (um 1911)

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    Urheber unbekannt / Sammlung Alexander Hess
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  • Zeichnung der Evangelische Zufluchtsstätte für unverheiratete Mütter und ihre Kinder in Köln-Sülz (um 1910)

    Zeichnung der Evangelische Zufluchtsstätte für unverheiratete Mütter und ihre Kinder in Köln-Sülz (um 1910)

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    Urheber Unbekannt / Sammlung Alexander Hess
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  • Evangelische Zufluchtsstätte für unverheiratete Mütter und ihre Kinder in Köln-Sülz (2016)

    Evangelische Zufluchtsstätte für unverheiratete Mütter und ihre Kinder in Köln-Sülz (2016)

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Die Kölner Ortsgruppe des Deutsch-Evangelischen Frauenbundes engagierte sich vor dem Ersten Weltkrieg für die Bildung und die Rechte der Frauen. Dazu gehörte auch die 1905 gegründete Zufluchtsstätte für unverheiratete Mütter und ihre Kinder. Diese nahm sich der von ihren Familien oder den Kindesvätern verstoßenen und alleine gelassenen Frauen an.

Die Einrichtung
Das Heim war einerseits eine wirkliche Hilfe und Zufluchtsort für die Frauen, gleichzeitig vertrat die Einrichtung die geltenden moralischen Wertvorstellungen aufs deutlichste und nahm nur sogenannte erstgefallene Mädchen – unverheiratete erstmals Schwangere - von kurz vor der Geburt bis acht Wochen nach der Geburt für etwa ein Jahr auf. Bis auf wenige Notfälle hatten die Mädchen für ihre Versorgung und die ihrer Kinder selbst aufzukommen. Sie wurden verpflegt, ärztlich und auch religiös betreut, sofern sie evangelisch waren. Daneben leitete man sie zur Pflege ihrer Kinder sowie in Sachen Haus- und Nadelarbeiten an. Anschließend vermittelte der Frauenbund die jungen Frauen in Haushaltstellen als Dienstmädchen.

Die meist schwachen und verarmten Kinder erfuhren eine intensive Pflege und regelmäßige ärztliche Betreuung, um eine gesunde Entwicklung sicherzustellen. Sie blieben bis zu einem Jahr im Heim. Danach übergab man sie ihren Müttern oder vermittelte sie in Privatpflege. Die geringen Sterblichkeitsraten (0 bis 3,8 %) während des Ersten Weltkrieges bei einer durchschnittlichen Sterblichkeit im Rheinland von 15 % belegen die erfolgreichen Bemühungen des Hauses. Ziel war es, die Säuglingssterblichkeit zu senken und die Situation der unverheirateten Mütter zu verbessern und ihnen eine Möglichkeit zu geben, den Unterhalt für sich und die Kinder selbst zu verdienen. In Zeiten, die im Alltag durchaus nicht frei von Spannungen zwischen den beiden Konfessionen waren, stellten solche Einrichtungen in Köln durchaus keine Selbstverständlichkeit dar.
Errichtung des Gebäudes
Wegen des großen Zuspruchs errichtete die Kölner Gruppe 1909 am damaligen Ortsrand von Sülz einen eigenen Neubau nach dem Entwurf des Kölner Stadtbauinspektors Johannes Kleefisch (1862-1932) in der Kyllburger Straße 3, der 1910 bezugsfertig war. Der Bau kostete 77.000 Mark. Durchschnittlich 35 Kinder und 15 Mütter ließen sich hier gleichzeitig versorgen (bis 1914 auch 100 Säuglinge).
Die Versorgung entsprach modernen Anforderungen, so dass das Heim schon bald als Ausbildungsstätte für Säuglingspflege anerkannt wurde und sich 1918 der städtischen Säuglingspflegeschule anschloss. Die Leitung und Finanzierung der Zufluchtsstätte unterlag im Wesentlichen den Ehefrauen hoher Beamter und Kaufleute. Die Ausgaben für die Arbeit überstiegen ständig ihre Einnahmen, besonders etwa durch die Verteuerung der Unterhaltskosten im Ersten Weltkrieg. Aufgrund der vielen Notlagen schränkte man die Arbeit des Heims dennoch nicht ein.

Nutzung nach dem Zweiten Weltkrieg bis zum Abriss
Nach dem Zweiten Weltkrieg zogen eine Frauenschule und ein Kindergärtnerinnenseminar in das inzwischen städtische Gebäude ein. In den 1980er Jahren diente das Haus lange Zeit als Heim für Obdachlose und seit den 1990ern als Asylantenheim. Danach stand das Objekt viele Jahre leer, bevor es von 2008-2015 die Jugend und Kulturzentrumsinitative des Stadtbezirks Lindenthal (Juzi) beherbergte, während deren Domizil in der Sülzburgstraße saniert wurde. Wie viele städtische Gebäude erfuhr es jahrzehntelang keine ausreichende Pflege, so dass an vielen Stellen der Putz von der Fassade abbrach.

Aufgrund des desolaten Zustandes und seiner besonderen Geschichte kürte der Arbeitskreis „Denkmal des Monats“ im Kölner Regionalverband des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz das nicht unter Denkmalschutz stehende Gebäude zum „Haus mit Geschichte“ im Juni 2018. Der Arbeitskreis sprach sich für den Erhalt des historischen Gebäudes aus. Anstatt eine neue Nutzung für das Gebäude zu finden, wurde es im Februar 2020 abgerissen.
Baubeschreibung
Das dreigeschossige Gebäude (sieben Achsen) besaß eine asymmetrisch gestaltete Fassade mit einem linksseitigen Fünfeckgiebel. Ein auf der linken Seite angeordneter Risalit mit überdachtem Dreiecksgiebel betonte die Vertikale. Drei unterschiedlich gestaltete Treppenhausfenster und der von Säulen flankierte und einem Dächlein beschirmte Eingangsbereich belebten die Front. Hochrechteckige Fenster gliederten die Fassade.
Das ursprünglich nur fünf Achsen breite Haus wurde 1927 durch einen rechts anschließenden Erweiterungsbau (zwei Achsen) verbreitert, der mit dem Altbau eine Einheit bildete. Rückwärts schloss sich an den Erweiterungsbau ein eingeschossiger Anbau an, das ehemalige Säuglingsheim. Der ehemalige Vorgarten wurde in der Nachkriegszeit zu Gunsten von Parkplätzen aufgegeben.

(Alexander Hess, Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz e. V., 2020)

Internet
de.wikipedia.org: Deutscher Evangelischer Frauenbund (abgerufen 07.10.2024)
www.juzisuelz.de: Juzi – Historisches (abgerufen 30.07.2020)
www.ksta.de: Haus in Köln-Sülz von Abriss bedroht. Die letzte Zuflucht für „gefallene Mädchen“ (Kölner Stadt-Anzeiger vom 11.07.2018, abgerufen 30.07.2020, Inhalt nicht mehr verfügabr 07.10.2024)

Evangelische Zufluchtsstätte für unverheiratete Mütter und ihre Kinder in Sülz

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Kyllburger Str 3
Ort
50937 Köln - Sülz
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege, Denkmalpflege, Architekturgeschichte
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Auswertung historischer Schriften, Auswertung historischer Karten, Auswertung historischer Fotos, Literaturauswertung, Geländebegehung/-kartierung, Archivauswertung
Historischer Zeitraum
Beginn 1909 bis 1910, Ende 2020

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„Evangelische Zufluchtsstätte für unverheiratete Mütter und ihre Kinder in Sülz”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-281177 (Abgerufen: 6. November 2024)
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