Mittelalterliche Synagoge mit Mikwe in Andernach

Jüdisches Ritualbad im Keller des historischen Rathauses

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege
Gemeinde(n): Andernach
Kreis(e): Mayen-Koblenz
Bundesland: Rheinland-Pfalz
Koordinate WGS84 50° 26′ 23,25″ N: 7° 24′ 0,21″ O 50,43979°N: 7,40006°O
Koordinate UTM 32.386.388,98 m: 5.588.753,71 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.599.501,45 m: 5.590.265,12 m
  • Das Alte Rathaus in der Andernacher Altstadt (2014); im Keller des Gebäudes befindet sich ein jüdisches Ritualbad (Mikwe) und neben dem Rathaus das Salzmagazin.

    Das Alte Rathaus in der Andernacher Altstadt (2014); im Keller des Gebäudes befindet sich ein jüdisches Ritualbad (Mikwe) und neben dem Rathaus das Salzmagazin.

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Zur Ausstattung der mittelalterlichen jüdischen Gemeinde in Andernach gehörte eine Synagoge mit darin befindlichem rituellem Bad. Diese Mikwe ist bis heute im Keller des historischen Rathauses erhalten.

Die jüdische Gemeinde Andernach im Mittelalter
Bereits im Mittelalter gab es in Andernach eine wichtige jüdische Gemeinde, die im Bericht des bedeutendsten jüdischen Reisenden des Mittelalters, Benjamin von Tudela (~1100/20-1173), Massaot Binjamin mi-Tudela („Reisen des Benjamin aus Tudela“) erwähnt wird.
Das Hoheitsrecht des Judenregals, ein gegen Sonderabgaben erlassenes Schutzprivileg, welches Juden zu so genannten „Schutzbefohlenen“ der Landesherren machte, lag beim Kölner Erzbischof.
„Bereits im 12. Jahrhundert dürfte das jüdische Wohngebiet in der Kramgasse ('vicus mercatorum') gelegen haben und somit in der Nähe beziehungsweise südlich des mittelalterlichen Marktplatzes. Ein ‚Judenturm‘ in der südwestlichen Verlängerung des Marktes am Ochsentor (Halbrundturm, 1367 genannt, nicht mehr vorhanden) war möglicherweise den Juden der Stadt zur Verteidigung bei Angriffen zugewiesen.“ (www.alemannia-judaica.de, Synagoge).
Zur Ausstattung der mittelalterlichen jüdischen Gemeinde gehörten neben einer Synagoge mit rituellem Bad (Mikwe) noch ein Backhaus. Ein im Jahr 1334 urkundlich erwähnter im Mittelalter genutzter Judenfriedhof ist offenbar untergegangen und heute nicht mehr lokalisierbar.

Wie durchweg alle jüdischen Gemeinden im Rheinland, litten auch die Andernacher Juden nicht nur unter der alltäglichen Diskriminierung, sondern auch unter massiven Verfolgungswellen. Erste Verfolgungen in Andernach gründeten 1287 auf der aus Oberwesel kommenden anti-jüdischen Ritualmordlegende um den so genannten „guten“ Werner von Oberwesel (1271-1287). Im Jahr 1337 erreichte die aus Unterfranken kommende „Armleder-Verfolgung“ dem Mittelrhein und im Zuge der großen Pestwelle ab 1348, bei der Juden als vermeintliche Urheber der Seuche verfolgt wurden, kam es zu zahlreichen Pestpogromen, bei denen viele Juden ermordet und jüdische Gemeinden vollständig zerstört wurden – so auch in Andernach.
Obgleich sich noch in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wieder einzelne jüdische Familien in der Andernacher „Judengasse“ zwischen der damaligen Schreibersgasse und Morsgasse niederließen, bildete sich keine jüdische Gemeinde:
„Nach 1448 sind alle Juden der Stadt aus Andernach auf Grund der judenfeindlichen Haltung der Bevölkerung sowie der für sie sehr ungünstigen Steuerpolitik der Erzbischöfe, der Stadt und des Königs fortgezogen. 1515 versuchte mit Zustimmung des Kölner Erzbischofs und des Rates der Stadt nochmals eine jüdische Familie, sich in der Stadt niederzulassen. Dies wurde jedoch von der Bürgergemeinde nicht geduldet. Die Familie wurde tätlich angegriffen und hat die Stadt alsbald wieder verlassen.
Im weiteren Verlauf des 16. und bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts gab es nur vereinzelte Niederlassung von Juden in der Stadt.“
(www.alemannia-judaica.de, Synagoge)

Die jüdische Gemeinde Andernach seit dem frühen 19. Jahrhundert:
Seit Ende des 16. Jahrhunderts durften Juden nicht mehr in Andernach wohnen; erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts gab es wieder einen stärkeren Zuzug. 1880 konstituierte sich eine Synagogengemeinde.
Gemeindegröße um 1815: –, um 1880: 104 (1885), 1932: 115 / 141 (1925) / 34 (1939), 2006: –.
Bethaus / Synagoge: Ab 1880 wurden verschiedene Betstuben genutzt; 1933 Einweihung eines Neubaus, der 1938 zerstört wurde (Angaben dieses Abschnitts nach Reuter 2007).

Die Mikwe im Keller des Rathauses
Die laut Denkmalverzeichnis auf die Mitte des 12. Jahrhunderts zu datierende Mikwe lag unmittelbar neben der Synagoge und verfügte über einen separaten Eingang von der Kramgasse her.
„Das Bad besteht aus einem Schacht, der durch drei Gewölbe in drei übereinanderliegende Räume geteilt wird. Nach der Form der polygonalen Kelchkapitellen und der kelchförmig geschwungenen Basen in den Ecken der Treppenläufe soll die Mikwe im 14. Jahrhundert entstanden sein.“ (www.alemannia-judaica.de)
Über die drei unterirdischen Stockwerke ist die Mikwe mit dem Rhein verbunden, so dass der Wasserspiegel des Bads auch heute noch mit dem Pegel des Rheins steigt und fällt.
Die Mikwe befindet sich unter dem heutigen Sitzungssaal des historischen Rathauses.

Gedenktafel und Kulturdenkmal
Am Andernacher Rathaus ist eine Hinweistafel angebracht, die auch die frühere Synagoge erwähnt. Der Text der auch in französischer und englischer Übersetzung aufgeführten Inschrift lautet: „1407 erstmalige Erwähnung als Sitz des Rates, vorher Synagoge der jüdischen Gemeinde in Andernach. Unter dem Salzmagazin die Badeanlage, Mikwe. Jetziges Rathaus von 1561-74 errichtet. Fassade an der Hochstraße 1781 neu aufgeführt, wobei die ehedem offene Halle zugebaut wurde.“
Als Teil des Alten Andernacher Rathauses ist die Andernacher Mikwe ein eingetragenes Kulturdenkmal: „Hochstraße 54, Rathaus, zur Hochstraße Mansardwalmdachbau, 1561-74, Fassade und OG 1781/88 überformt, Kramgasse 16: Treppengiebelbau, bez. 1572; Portal zur Eisengasse bez. 1702; Galerie zum sog. Salzmagazin, Rest des urspr. Rathauses, 1538-43, Rechteckbau, bez. 1564; unter dem Ratssaal Judenbad, Mitte 12. Jh.“ (Denkmalverzeichnis, S. 6)

(Franz-Josef Knöchel, LVR-Redaktion KuLaDig, 2018)

Internet
www.alemannia-judaica.de: Andernach, Synagoge (abgerufen 15.05.2018)
www.andernach-tourismus.de: Historisches Rathaus (abgerufen 30.07.2018)
rheinische-geschichte.lvr.de: Der gute Werner von Oberwesel - oder die hohe Kunst, einen Heiligen zu erschaffen (Text Matthias Schmandt, abgerufen 30.08.2021)

Literatur

Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (Hrsg.) (2023)
Nachrichtliches Verzeichnis der Kulturdenkmäler, Kreis Mayen-Koblenz. Denkmalverzeichnis Kreis Mayen-Koblenz, 21. März 2023. S. 6, Mainz. Online verfügbar: denkmallisten.gdke-rlp.de/Mayen-Koblenz, abgerufen am 16.06.2023
Reuter, Ursula (2007)
Jüdische Gemeinden vom frühen 19. bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts. (Geschichtlicher Atlas der Rheinlande, VIII.8.) Bonn.

Mittelalterliche Synagoge mit Mikwe in Andernach

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Hochstraße
Ort
56626 Andernach
Gesetzlich geschütztes Kulturdenkmal
Geschütztes Kulturdenkmal gem. § 8 DSchG Rheinland-Pfalz
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Literaturauswertung
Historischer Zeitraum
Beginn vor 1173

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Empfohlene Zitierweise
„Mittelalterliche Synagoge mit Mikwe in Andernach”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-279039 (Abgerufen: 19. April 2024)
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