Südöstlich der Stadt Wegberg richtete die Royal Air Force (RAF) Germany ab 1950 einen Fliegerhorst ein, den sie bis 1992 betrieb. Der Flugplatz der RAF Wildenrath gehörte zu einem von insgesamt fünf neu gebauten RAF-Stützpunkten (RAF Wildenrath, RAF Brüggen, RAF Laarbruch, RAF Geilenkirchen und RAF Nörvenich (bis 1955)) des britischen Sektors nahe der niederländischen Grenze. Waren anfangs noch die Fliegerhorste der ehemaligen Luftwaffe genutzt worden, beschloss die seit 1945 als Besatzungsmacht agierende British Air Force of Occupation mit Beginn des Kalten Krieges, die Luftstreitkräfte so weit entfernt wie möglich von der damaligen innerdeutschen Grenze bzw. dem „Eisernen Vorhang“ zu stationieren (de.wikipedia.org, RAF Wildenrath).
Geschichte Mit dem Ausbruch des Korea-Krieges 1950 forcierten die NATO-Länder die Verstärkung ihrer Streitkräfte an vorderster Front, u.a. durch den aufwändigen „Bau von Flugplätzen westlich des Rheins“ (Allison & Taylor 1998, S. 211). Auf ihrer Suche nach geeigneten Flächen für die Anlage eines Fliegerhorstes war die RAF auf ein Gelände bei Freialdenhoven gestoßen. Nach Abstimmung mit der Landesregierung einigte man sich jedoch auf ein Waldgebiet südöstlich von Wegberg. Die Namensgebung für den drei Gemeindegebiete berührenden Fliegerhorst erfolgte aus pragmatischen Gesichtspunkten: Der Haupteingang lag nahe Wildenrath (Kahlau 1999, S. 195).
Die Bauarbeiten begannen ab 1950; die offizielle Eröffnung fand am 15. Januar 1952 statt (Schuhmachers 1994, S. 215). „Nach seiner Eröffnung als RAF Flugplatz wurde Wildenrath in die 2. Tactical Air Force der RAF eingegliedert, die sich im September 1951 nach der Umbenennung der British Air Forces of Occupation (Britische Besatzungsluftwaffe) gebildet hatte; die Rolle der RAF in Deutschland war nicht mehr die einer Besatzungsluftwaffe“ (Allison & Taylor 1998, S. 211).
Die RAF Wildenrath fungierte als Kampfflugzeugbasis und Umschlagsstützpunkt für Truppen- und Frachttransporte (de.wikipedia.org, RAF Wildenrath). In erster Linie fielen den hier stationierten Einheiten Aufgaben der Luftverteidigung zu: „Die Routineaufgabe zu Friedenszeiten war die Bereitstellung von “Battle Flight„ für die Überwachung des Luftraums – zwei komplett kampffähige Phantom Jäger konnten innerhalb von 5 Minuten im “Alarmstart„ für die Untersuchung aller verdächtigen, nicht identifizierten Flugzeuge im westdeutschen Luftraum auf den Weg gebracht werden. Unsere Aufgabe für den Kriegsfall bestand im Einsatz unserer Phantom Kampfflugzeuge und Rapier Raketen im Rahmen des Luftverteidigungssystems der NATO. Die wiederkehrenden täglichen Ausbildungs- und Übungsaktivitäten wurden in eigener Regie durchgeführt. Im Ernstfall wären unsere Einsätze von der Sector 2 Flugleitzentrale in Uedem geleitet worden, eine Gegebenheit, für die wir oftmals geübt haben“ (Allison & Taylor 1998, S. 209f).
Als sich der Ost-West-Konflikt spürbar entspannte, kündigte der britische Verteidigungsminister am 25.07.1990 eine „Reduzierung der RAF-Präsenz von vier auf zwei Fliegerhorste“ (Schuhmachers 1994, S. 219) an. Am 13.11.1990 fiel die Entscheidung, Wildenrath zu schließen (Schuhmachers 1994, S. 220). Etwa zwei Jahre später, am 02.11.1992, wurde das Gelände an die Bundesvermögensverwaltung übergeben (Schuhmachers 1994, S. 222).
Beschreibung Das etwa 6 Quadratkilometer große Gelände des Fliegerhorstes wurde versteckt im Wald angelegt, von einem Stacheldrahtzaun umgeben und streng bewacht (forgottenairfields.com). Der Flughafen wurde nach NATO-Standard errichtet und umfasste eine Start- und Landebahn von 1.830 Metern Länge (später erweitert um 610 Meter), weitere Rollbahnen, Vorfelder, Abstellplätze, Hangars sowie weitere technische und Wohngebäude (Allison & Taylor 1998, S. 211 und forgottenairfields.com). „Die Station mit (…) Tower, riesigen Hangars, Flugzeug-Schutzbunkern und vielen Service- und Verwaltungsgebäuden entwickelte sich im Laufe der Jahre quasi zu einer eigenen Stadt: mit Kirchen und Schulen, Wohnvierteln und Geschäften, mit Sportplätzen und Schwimmbad, mit Kino, Clubs und vielem mehr“ (Schuhmachers 1994, S. 215).
Nördlich der Fluganlage wurde ein Wohnquartier, versteckt im Wald und ebenfalls bewacht, nahe der Siedlung Petersholz errichtet (forgottenairfields.com). Dieses besteht aus 30 Einzelhäusern, 40 Doppelhaushälften und 338 Reihenhäusern, die nach dem Auszug der letzten britischen Bewohner vor wenigen Jahren an die Bundesvermögensverwaltung übergeben wurden (de.wikipedia.org, Petersholz). „Garagen, Hallen, Schulen, Gemeinschaftshäuser befinden sich auch auf dem Gelände. Alles ist sehr weitläufig verteilt und mit einem internen Straßennetz versehen. Spielplätze, Freiflächen, Gärten sind reichlich integriert. Dazu gibt es Tennisplätze, Sportplätze und ein Außenschwimmbad. Zur Zeit der Besiedlung der britischen Armee bot das Areal 2.000 Menschen ein Zuhause und war auf ein vollkommen selbständiges Funktionieren ausgelegt“ (Petersholz).
Auswirkung auf die Umgebung Der Bau eines Fliegerhorstes löste zum einen Ablehnung innerhalb der Bevölkerung aus, die befürchtete, im Falle eines Krieges durch die Nähe des Militärflughafens zu ihren Wohnungen besonders gefährdet zu sein (Kahlau 1999, S. 197). Auch die erhebliche Lärmbelästigung durch den Flugbetrieb, Sirenen, Lautsprecherdurchsagen etc. sorgte für Unmut und Beschwerden, „weshalb schließlich vom zuständigen Bundesministerium für die umliegenden Gemeinden Lärmschutzzonen festgesetzt wurden, in denen Lärmschutzmaßnahmen und beeinträchtigende Bauge- und -verbote vorgeschrieben wurden“ (Kahlau 1999, S. 198 und Allison & Taylor 1998, S. 210).
Andererseits bewirkte die Anlage des Fliegerhorstes für die lokale Bevölkerung eine Schaffung von Arbeitsplätzen und war „für die von der ersten Wirtschaftskrise in der Nachkriegszeit stark betroffene Bauwirtschaft sehr belebend“ (Kahlau 1999, S. 198). Da der Wohnraum innerhalb des Flugplatzgeländes für die britischen Soldaten und deren Familien nicht ausreichte, wurden auch Siedlungen und benötigte Infrastruktur in den umliegenden Städten errichtet, wie z. B. die Siedlung Bauxhof in Erkelenz (Kahlau 1999, S. 198).
Zivile Nachnutzung Zwischen 1993 und 1995 wurde das ehemalige RAF-Gelände für die Durchführung von Rock-Konzerten und Reggae-Festivals (Rock over Germany, Summerjam) genutzt. Anschließend etablierte sich hier der Industrie- und Gewerbepark Wegberg-Wildenrath, dessen größte Fläche durch die Testanlagen des Prüf- und Validationscenters Wegberg-Wildenrath von Siemens Mobility eingenommen wird. Auf mehreren Testgleisen prüft und testet die „weltweit größte Zulassungsstelle für Schienenfahrzeuge“ Lokomotiven, ganze Züge, Straßenbahnen und U-Bahnen (Siemens.com). Östlich des im Luft- und Kartenbild markant hervorstechenden Schienenovals der Teststrecke wurde ein Golfplatz eingerichtet.
Heutiger Zustand und kulturhistorische Bedeutung Mit Ausnahme der durch das Industrie- und Gewerbegebiet eingenommenen Flächen ist das ehemalige Flugplatzgelände unter Naturschutz gestellt (bk.naturschutzinformationen.nrw.de: NSG Ehemaliger Flugplatz Wildenrath). Teile der befestigten Verkehrsflächen (Rollbahnen, Straßen, Bunker) wurden mit Erde bedeckt und sind mittlerweile überwachsen. Vor allem prägen Sandmagerrasen und Heideflächen sowie z.T. aufgeforstete Waldbestände das Naturschutzgebiet, welches einerseits einen wertvollen Lebensraum für gefährdete Tiere und Pflanzen darstellt, andererseits auch der lokalen Bevölkerung eine Freizeit- und Erholungsfunktion anbietet. Seine ursprüngliche Funktion als Militärflughafen hat das Gelände verloren; dennoch ist seine Vergangenheit an einigen Elementen noch ablesbar. So ist neben Resten der Start- und Landebahnen sowie einigen Zufahrtstraßen noch der Hangar 7 erhalten. Dieser fungierte einst als Flugzeughalle mit Werkstatt, befindet sich heute jedoch in ruinösem Zustand. Erhalten sind die Gebäude der Wohnsiedlung Petersholz, welche zur Zeit der Kartierung nicht zugänglich war. Pressemeldungen zufolge werden in sanierten Gebäuden dieser Siedlung Flüchtlinge untergebracht (Aachener Zeitung). Auch das Gebäude des „Main Gates“, des Haupteingangs, an der Friedrich-List-Allee 80, ist noch erhalten. Hier ist nun das Restaurant „Die Wache“ untergebracht. Vermutlich gehören auch die Sportplätze nordöstlich des Main Gates noch zu den ursprünglichen Anlagen des Flugplatzes.
Die Anlagen der RAF Wildenrath sind relikthaft erhalten und nicht mehr in ihrer ursprünglichen Funktion. Aufgrund ihres Rückbaus im Zuge der Entwicklung eines Industrie- und Gewerbegebietes sowie eines Naturschutzgebietes sind große Teile baulich und landschaftsplanerisch überprägt worden. Die einst funktional einheitlich zusammenhängende Fläche ist nun durch viele Einzelnutzungen zerschnitten, teilweise auch nicht zugänglich und insgesamt nicht mehr erfahrbar. Die ursprünglich militärische Nutzung ist lediglich an einzelnen (militärischen) Bauten wie dem Haupteingang und dem verfallenden Gebäude des Hangars 7 ablesbar. Das Wohngebiet innerhalb des Fliegerhorstes besteht noch, ist aber nicht zugänglich. Hier ist vermutlich eine Erlebbarkeit und Nachvollziehbarkeit der Funktion einer britischen Siedlung und des Alltags der in Deutschland stationierten britischen Soldaten und deren Familien gegeben. Dennoch sind die Relikte der RAF Wildenrath zeugnishaft für die weltpolitische Situation der Nachkriegszeit und die Aktivitäten der NATO, insbesondere der seit 1945 als Besatzungsmacht agierenden British Air Force of Occupation mit Beginn des Kalten Krieges. Wildenrath war einer von fünf in den 1950er Jahren neu gebauten RAF-Fliegerhorsten in der britischen Besatzungszone, von denen heute noch drei als militärische oder Personenflughäfen in Betrieb sind (RAF Nörvenich, RAF Laarbruch und RAF Geilenkirchen).
Internet forgottenairfields.com: Wildenrath (abgerufen am 15.08.2017) de.wikipedia.org: Prüfcenter Wegberg-Wildenrath (abgerufen am 16.08.2017) de.wikipedia.org: RAF Wildenrath (abgerufen am 16.08.2017) petersholz.wordpress.com: Die Siedlung Petersholz (abgerufen am 16.08.2017) siemens.com: Prüf- und Validationcenter in Wegberg-Wildenrath (abgerufen am 16.08.2017) bk.naturschutzinformationen.nrw.de: NSG Ehemaliger Flugplatz Wildenrath BK-4803-909 (abgerufen am 16.08.2017) aachener-zeitung.de: Wegberg-Petersholz: Die ersten Flüchtlinge haben Quartier bezogen (abgerufen am 16.08.2017)
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Empfohlene Zitierweise
Nicole Schmitz (2017): „Militärflugplatz der Royal Air Force bei Wildenrath”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-270999 (Abgerufen: 6. Dezember 2024)
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