Mancherlei Erzählungen und Sagen ranken sich um das alte Gemäuer und werden in Erkrath seit Generationen weitererzählt. Die Lage an einer mittelalterlichen Wegekreuzung bietet dafür ebenso Anlass wie alle zweifelhaften Versuche zur Deutung des Geländenamens „Korresberg“.
Baubeschreibung
Quellenlage
Mythen der Heimatliteratur
Interpretation und Neubewertung
Baudenkmal
Baubeschreibung
Die Andachtskapelle besteht aus heimischen Bruchsteinen aus dem Neandertal und weist einen rechteckigen Grundriss von 4,20 Meter mal 3,50 Meter auf. Das Zeltdach ist schiefergedeckt. An der Ostseite steht das schmiedeeiserne Gitterportal, über dem sich ein Sandsteinrelief mit Inschrift und Kreuzigungsszene erhebt. Es datiert von 1617 und wurde 1986 durch eine Replik ersetzt. In der Nordwand befindet sich seit 1984 ein Buntglasfenster der St. Sebastianus-Bruderschaft 1484 Erkrath. Eine Lichtnische liegt in der inneren Westwand.
Die heutige Innenausstattung weist ein Kruzifix von 1910 an der Westwand auf, davor steht ein schmiedeeiserner Leuchter. Des Weiteren finden sich eine stark verwitterte Memorientafel an der inneren Nordwand und an der Südwand. Sie sind Gerhard von Waldenberg, gen. Schenkern (gestorben etwa 1573) und Peter Cluten (gestorben am 9. September 1641) gewidmet.
Quellenlage
Urkundliche Quellen zur Geschichte der Andachtskapelle existieren nicht, die Entstehungs- und Baugeschichte des Gebäudes liegt vollkommen im Dunkeln, auch das katholische Pfarrarchiv in Erkrath besitzt keine historischen Quellen. Lediglich das Relief über dem Türsturz der Kapelle enthält einen Anhaltspunkt. Dort heißt es:
„Ad honorem Dei sacellium hoc renovatum sumptibus Bernardi a Gohr judicis Madmannii et Christinae Cluten conjugum. A. 1617“
(„Zur Ehre Gottes wurde diese Kapelle renoviert auf Kosten des Bernhard von Gohr, Richter (des Amtes) Mettmann und der Christina Cluten, Eheleute. Anno 1617“, Übersetzung Horst-Ulrich Osmann).
Wie lange die Kapelle vor 1617 bereits bestand, bleibt ungewiss. Seinerzeit erforderte der schlechte bauliche Zustand eine Renovierung. Ob dafür Zeit, Wind und Wetter als natürliche Einflussfaktoren oder eventuell kriegerische Zerstörung ursächlich waren – der Truchseßsche Krieg in den Jahren 1585/86 sei hier erwähnt – bleibt vollkommen unklar.
Weitere grundlegende Renovierungs- bzw. Sanierungsarbeiten sind für 1910 und 1985/86 dokumentiert. Seit 1910 ist die in Erkrath geläufige Bezeichnung „Heiligenhäuschen“ schriftlich fixiert, sie könnte allerdings auch deutlich älter sein.
Mythen der Heimatliteratur
Die absolute Quellenarmut zur Geschichte des Gebäudes, verbunden mit der exponierten Lage an einer spätmittelalterlichen Wegekreuzung auf einem „Korresberg“ genannten Geländehöhepunkt mit weitem Blick nach Süd-Westen in die Rheinebene diente in der älteren Heimatliteratur zum Anlass für sagenhafte Erzählungen über die angebliche Entstehung im 9. Jahrhundert und Bedeutung als vermeintlich erste Erkrather Kirche. Die willkürlichen Interpretationen wurden bis in die jüngste Zeit immer wieder kolportiert, ohne die angeblichen „Quellen“ einer kritischen Prüfung zu unterziehen.
Missverständnisse und Fehler bei der Interpretation von Sekundärquellen trugen zur Mystifizierung der Kapelle und ihrer ungeklärten Ursprünge bei. Friedrich Bachmann verbreitete 1955 die Legende, dass am Heiligenhäuschen „die erste christliche Bestattungsstelle unserer frühesten Siedler aufgefunden worden“ sei und berief sich auf Dr. Bongards Buch „Wanderung zur Neandershöhle“ (Bachmann 1955).
Bongard veröffentlichte 1835 eine „Wanderung zur Neandershöhle“ und formulierte damals:
„Wir befinden uns hier auf der östlichen Seite des Tales“. Und weiter: „Die Kapelle, worin das Glöckchen läutet, steht auf einem Hügel, worunter die Gebeine von vielen Erschlagenen ruhen. Es ist dies gewiss ein alter Grabhügel... Die Gebeine, welche ich aus diesem Hügel gegraben habe, kommen alle von grossen Menschen und nur von Männern her. An der Luft zerfallen die Knochen...“ (Bongard 1835).
Die skizzierten topographischen und baulichen Gegebenheiten lassen dem Ortskundigen erkennen, dass hier nicht die Kapelle auf dem Korresberg gemeint sein kann. Das Heiligenhäuschen steht nicht am östlichen Rand des Neandertals, ebenso gab es hier nie eine Glocke. Bongard nahm wohl Bezug auf die dem Neandertal nahegelegene Schlickumer Kapelle, nachweislich ein alter Begräbnisplatz und dazu mit einer Glocke versehen. Indem Bachmann die Schlickumer Kapelle mit dem Heiligenhäuschen verwechselte, schuf er einen lange nachwirkenden Mythos.
Im „Schnell Kunstführer“ für die Erkrather katholische Pfarrkirche St. Johann Baptist liest man:
„Im 9. Jahrhundert soll nach Dr. Kessel bereits auf dem Korresberg eine kleine Kirche gebaut worden sein. Es soll eine Kapelle gewesen sein, an deren Stelle der Sage nach vorher eine heidnische, aber vom hl. Suitbert zerstörte Opferstätte gelegen habe. Heute steht hier das Heiligenhäuschen“ (Saeger 1986). Dieser konjunktivistische Verweis entspricht nicht den Formulierungen im Buch „Der selige Gerrich“ von Dr. Kessel. Dort heißt es: „Die alten Pfarreien im Decanat Düsseldorf heissen: Bilk, Düsseldorf, Kalkum, Wittlar, Mündelheim, Ratingen, Homberg, Wülfrath, Düssel, Sonnborn, Schöller, Wald, Gruiten, Mettmann, Erkrath, Hilden, Richrath, Monheim, Himmelgeist, Benrath, Gerresheim, Volmerswerth, Uedesheim, Hamm. Die meisten dieser Pfarreien bestanden schon im 9. Jahrhundert, wie sich urkundlich nachweisen lässt und teilweise im Vorhergehenden nachgewiesen ist; bei anderen ist dies wenigstens wahrscheinlich“ (Kessel 1877).
Lässt sich aus der singulären Erwähnung Erkraths bei Kessel kein Nachweis für das Alter der Erkrather Pfarrkirche ableiten, so ist darin ebenso wenig ist ein Hinweis auf das Heiligenhäuschen enthalten. Die angeblichen Quellenzitate der emsigen Heimatforscher erweisen sich als handwerkliche Fehlgriffe.
Interpretation und Neubewertung
Die inschriftlich dokumentierte Renovierung des Jahres 1617 deutet an, dass die Kapelle im 16., eventuell auch schon 15. Jahrhundert erbaut worden sein könnte. Baumaterial und Bauausführung deuten ebenfalls in diese Epoche. Eine Nutzung als Kirche ist bei rund 11 Quadratmetern Innenraumfläche nicht vorstellbar. Dass es in historischer Zeit im Umfeld keinerlei Bebauung gab, macht den Bau eines Gotteshauses in exponierter, siedlungsferner Lage ebenfalls unwahrscheinlich. Einzige Pfarrkirche für das weitläufige Kirchspiel Erkrath mit seinen fünf Honschaften war seit spätestens 1170 die heutige Kirche St. Johannes Baptist im Zentrum von Alt-Erkrath.
Der unmittelbar neben der Kapelle „Heiligenhäuschen“ verlaufende Höhenweg, im Teilabschnitt heute „Römerweg“ genannt, erscheint in Schriftquellen des 17. Jahrhunderts als Gräfrather Straße. Es handelt sich dabei um eine historisch bezeugte Wegeverbindung zwischen Stadt und Stift Gerresheim (gegründet circa 850) und Kloster Gräfrath (gegründet 1187). Das an einer Wegeverbindung zwischen beiden geistlichen Instituten eine Andachtskapelle entstand, an der man göttlichen Beistand für die damals durchaus beschwerliche Reise erbat oder für eine sichere Reise dankte, erscheint plausibel.
Vermutungen des Verfassers, zwischen der Errichtung der Gebets- und Andachtsstätte und einer in Erkrath im frühen 15. Jahrhundert schnell anwachsenden „Bruderschaft Unserer Lieben Frau“ herzustellen, ließen sich nicht verifizieren. Gegründet am 5. Juli 1416, erlebte die religiöse Gebetsbruderschaft frommer Frauen und Männer einen raschen und starken Aufschwung und war nach einigen Jahrzehnten so kapitalkräftig, dass sie 1494 einen Hof, genannt der Dall, erwerben konnte. Der spätere Hochdahler Hof blieb der Bruderschaft erhalten und gelangte erst 1803 im Jahr der Säkularisation in bürgerliche Hände.
Sehr wahrscheinlich war das „Heiligenhäuschen“ immer nur eine Andachtskapelle. Bei einer Fahrt durchs Land kann man an vielen Straßenrändern – nicht nur in Bayern, sondern auch im Rheinland – alte Wegekreuze, Gebetsstöcke, Marterln, Marien- und andere Andachtskapellchen entdecken.
Baudenkmal
Die Kapelle Am Korresberg „Heiligenhäuschen“ in Erkrath ist eingetragenes Baudenkmal (Erkrath, lfd. Nr. 30/85; LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, Datenbank-Nr. 66319).
(Horst-Ulrich Osmann, Bergischer Geschichtsverein Abteilung Erkrath, 2017)
Internet
www.bruderschaft-erkrath.de: Heiligenhäuschen (abgerufen 02.07.2017)
de.wikipedia.org: Liste der Baudenkmäler in Erkrath (abgerufen 02.07.2017)
www.erkrath.de: Heiligenhäuschen (abgerufen 02.07.2017, Inhalt nicht mehr verfügbar 18.02.2020)