Schriftlich wurde die Kirche das erste Mal 1516 im Buch Ebricius unter dem Namen St. Annakapelle erwähnt. Aus diesem Namen lässt sich schließen, dass die Kapelle der heiligen Anna gewidmet war.
Im Jahre 1754 wurde von den Grafen von Ingelheim die Erneuerung und Vergrößerung des circa 200 Jahre alten Kirchenschiffs begonnen. Dabei leisteten Fronarbeiten der Seibersbacher Einwohner einen entscheidenden Beitrag. Dieses Kirchenschiff ist noch heute vorhanden, es handelt sich um einen einfachen Saalbau.
Nachdem das Kirchenschiff erneuert wurde ist am 8. November 1764 die erste Orgel in der evangelischen Kirche angeschafft und im Rahmen einer festlichen Zeremonie am 26. Mai 1765 eingeweiht worden. Dabei ließen sich die Seibersbacher Protestanten von der katholischen Kirche in Dörrebach inspirieren, die bereits 1760 ihre erste Orgel erhielt. Erwähnenswert ist, dass die Anschaffung der Orgel erst nach der „hohen landesväterlichen Verwilligung und Consens“ (MAY 2005, S. 37) des Reichsgrafen von Ingelheim auf Kosten der Seibersbacher und Dörrebacher Protestanten erfolgen konnte.
Im Jahr 1901 wurde die noch funktionierende alte Orgel von der Firma Oberlinger aus Windesheim durch eine neue Orgel ersetzt, die bis heute im Gottesdienst in Betrieb ist. Im selben Jahr wurde ein Antrag auf einen Kirchturmbau gestellt, welcher am 22. August 1901 vom Konsistorium genehmigt wurde. 1902 wurde der damalige Eingangsbereich der Kirche um den daran vorausgehenden neuen Kirchturm erweitert. Dabei passt sich der Kirchturm dem alten Dachreiter (früherer „Glockenturm“) in seiner architektonischen Form und Ausführung an. Die Glocken wurden im neuen Kirchturm wiederverwendet und 1905 um eine dritte Glocke von der Firma Hamm aus Frankenthal erweitert. Der Bestand von drei Glocken hielt nur zwölf Jahre an. 1917 mussten aufgrund des Metallmangels während des Ersten Weltkriegs jeweils eine Seibersbacher und eine Dörrebacher Glocke abgegeben werden, sie wurden eingeschmolzen.
Die heute vorhandene Kanzel wurde 1970 von der Firma Oberlinger aus Windesheim nach dem Vorbild der vorherigen Kanzel neu eingebaut. Der Grund für die Erneuerung war ein Brand der alten Kanzel.
Renovierung der Kirche im Jahre 2017
Von Januar bis Mai 2017 erfolgte eine umfassende Renovierung des Kircheninnenraumes. Im Zuge dieser Arbeiten sollte die frühere Erscheinungsform der Kirche hervorgehoben werden; durch Renovierungsarbeiten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren viele historisch prägende Strukturen verdeckt oder entfernt worden.
Die Firma Leisenheimer aus Windesheim reinigte die Decke und strich sie anschließend auf Basis der vorherigen Farbgebung neu an. Desweiteren erhielten die Bänke und die Empore eine tiefgreifende Aufarbeitung.
Im Turm der Kirche wurde ein vormals zugemauertes, rundes Fenster auf der linken Seite wieder freigelegt.
Die Firma Plenz-Ress GbR aus Rheinböllen bemalte die Felder in der Rippendecke im Chorraum mit Blattranken nach historischem Vorbild neu. Für diese Arbeit dienten alte Fotos als Vorbild.
Der Holzboden unter den Bänken wurde von der Firma Parkett – Walter aus Bretzenheim an der Nahe abgeschliffen und neu versiegelt.
Die Erneuerung aller Fenster wurde von der Firma Kaschenbach aus Trier durchgeführt. Dabei wurden vier Glasscheiben aus dem 16. Jahrhundert an der ursprünglichen Stelle im Chorraum wieder in die neuen Fenster integriert.
Am 25.06.2017 konnte im Rahmen eines festlichen Gottesdienstes die renovierte Kirche wieder der Kirchengemeinde übergeben werden.
Simultaneum und Auswirkungen
In dem gesamten geschichtlichen Ablauf der evangelischen Kirche ist dem Simultaneum, also das Recht, nach welchem in demselben Staat der katholische und evangelische Glaube eine freie Ausübung hat, eine entscheidende Bedeutung zugekommen. So hat es immer wieder Streitigkeiten zwischen Katholiken und Protestanten in der Pfarrei Seibersbach-Dörrebach gegeben. Grundvoraussetzung für die Streitigkeiten zwischen den Konfessionen war die Reformation Luthers, die kirchliche Erneuerungsbewegung, die 1517 begann und bis zum Westfälischen Frieden 1648 andauerte. Durch diese Reformation hat sich das westliche Christentum in einen katholischen und einen evangelischen Zweig geteilt.
Das Simultaneum wurde 1689 mit der Pfarrei Seibersbach-Dörrebach eingeführt und am 1. Januar 1900 abgelöst. Den Protestanten wurde in den vorausgegangenen Verhandlungen von 1896 die Simultankirche in Seibersbach und den Katholiken die Simultankirche in Dörrebach zugesprochen. Aus diesem neuen, klaren Besitzverhältnis resultierte der Kirchturmbau von 1902.
(Magnus Lickfett, Universität Koblenz-Landau, 2017 / Rainer Kemp, 2017)