Landschaftspark am Schlossgarten unterhalb der Burg Rheinfels

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege
Gemeinde(n): Sankt Goar
Kreis(e): Rhein-Hunsrück-Kreis
Bundesland: Rheinland-Pfalz
Koordinate WGS84 50° 09′ 10,65″ N: 7° 42′ 25,82″ O 50,15296°N: 7,70717°O
Koordinate UTM 32.407.642,57 m: 5.556.437,72 m
Koordinate Gauss/Krüger 3.407.680,73 m: 5.558.220,74 m
  • Blick vom Aussichtspavillon "Dreiburgenblick" über das Rheintal auf Sankt Goar, den Rheinfelshafen, die Villa Lindner und die Burg und Festungsanlage Rheinfels (2021).

    Blick vom Aussichtspavillon "Dreiburgenblick" über das Rheintal auf Sankt Goar, den Rheinfelshafen, die Villa Lindner und die Burg und Festungsanlage Rheinfels (2021).

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    Knöchel, Franz-Josef
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    Franz-Josef Knöchel
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Die Besitzer der Villa, Familie Lindner, die zu jener Zeit im Haus Rheinfels bzw. der Villa Lindner am Fuß des Hanges residierte, nutzen geschickt die besondere Situation am Fuß der Burg, um weithin sichtbar ein Stück Landschaft nach ihren eigenen Wünschen und Träumen bauen und gestalten zu lassen.

Blumenbeete, Wiesen mit Obstbäumen sowie Gruppen unterschiedlichster Gehölze bildeten einen spannungsvollen Wechsel von Licht und Schatten. Gemüse- und Obstgärten und ein kleiner Geflügelhof dienten der Versorgung mit selbst erzeugten Lebensmitteln. In einem terrassierten Weinberg direkt unterhalb der Burg wuchsen Trauben für den eigenen Wein. Exotische Pflanzen wurden in Gewächshäusern in der Nähe des Haupthauses gezüchtet und überwintert. Neben der Villa gab es ein Rasenparterre, dessen Zentrum ein Springbrunnen mit einer zehn Meter hohen Fontäne bildete.
Erschlossen wurde der Park durch ein verzweigtes Wegesystem. Zahlreiche Aussichtsplateaus luden zum Verweilen und zum Genießen der landschaftlichen Reize ein. Eine besondere Attraktion und ein beliebter Aussichtspunkt des Gartens war das Tusculum. Als oberen Abschluss des Parks ließ die Stankt Sankt Goar als funktionale Verbindung zur Ruine Rheinfels einen kleinen Platz in Form eines Belvederes, eines gestalteten Aussichtspunkts, errichten. Dieser Platz befand und befindet sich auf der zugeschütteten Batterie des Forts Scharfeneck. Geometrisch geschnittene Linden, sogenannte Kastenlinden, verliehen dem Platz eine besondere Erscheinung und Sitzplätze luden zum Verweilen und Genießen der Aussicht ein. Der 1885 fertiggestellte Platz erhielt den Namen Alexanderplatz, benannt nach dem Initiator und damaligen Bürgermeister Alexander Hartdegen.

Elemente des Landschaftsparks
Die einstige Parkanlage der Villa Lindner ist beeindruckendes Beispiel der Gartenkultur des 19. Jahrhunderts. Am steilen Hang des Schlossberges wurde unter hohem Aufwand ein Landschaftsgarten gebaut, in dem die Stilelemente der zeitgenössischen Gartenkunst auf die örtliche Situation übertragen wurden. Die Kulisse der Ruine Rheinfels und die spektakuläre Aussicht auf das Rheintal bildeten den Rahmen, an dem sich die Planung des Parks orientierte.

Die Anlage teilte den Hang unterhalb der Burg Rheinfels in verschiedene Bereiche. Nördlich des Gebäudes führte eine Treppe zu einer dreiteiligen Terrassenanlage mit Rosengarten und Versuchsgarten. Von dort aus wurde der als Obstwiesenfläche gestaltete Hang durch schmale geschwungene Wege im landschaftlichen Stil erschlossen. Unterbrochen wurden die Wegeverbindungen an einigen Stellen durch kleine, als Aussichtspunkte konzipierte Bastionen mit Stützmauern aus Bruchsteinen. Mehrere, in den Wegeverlauf integrierte Treppenläufe erleichterten den Aufstieg im steilen Gelände. An der nördlichen Hangkante lag das Tusculum als Endpunkt und Ziel mehrerer Wegeverbindungen. Oberhalb des Tusculums schlossen vier Weinbergterrassen an, die schließlich an die historischen Mauern der Burg Rheingels grenzten. Unterhalb des obersten Weinbergs führte ein von einer rosenberankten Pergola überspannter Weg bis zu einem Belvedere. Mehrere Regenwassersammelbecken unterhalb der Burg gewährleisteten die Wasserversorgung des trockenen Südhangs.

Das gesamte Areal des Villengartens wurde mittels einer Vielzahl von Wegen erschlossen. Besonders ins Auge fiel dem Betrachter die geradlinige Allee im Zentrum der Anlage, die von einer Bastion bis zu der hoch gelegenen Wegkreuzung verlief. Dieser Bereich an der westlichen Grenze der Parkanlage war durch einen dichten Bestand an Nadelgehölzen geprägt. Von hier aus führte ein Schängelweg mit mehreren Abzweigungen zum terrassierten Nutzgarten und dem Areal des Gartenhauses und über eine weitläufige Obstwiesenfläche zurück zum Hauptgebäude der Villa Lindner. Ein großes Rasenparterre verband die Villa mit dem Gärtnerhaus in der südlichen Ecke des Gartens.

Die der Villa zugeordnete Gartenanlage gehörte zur Reihe der zahlreichen, in dieser Zeit in ganz Deutschland zunehmend durch das Bürgertum, durch Industrielle, Fabrikanten oder Direktoren entstehenden Villenanwesen in Burgnähe. Die zugehörigen Gartenanlagen reichen oftmals bis an die Burgen heran, um die Kulissenwirkung der Burgruinen zu nutzen. Weitere ähnliche Anlagen finden sich auch an den Burgruinen Lahneck, Schönburg oder Stolzenfels.

Restaurationsprozess
Jahrzehnte lang prägte der Garten der Villa Lindner das Stadtbild von Sankt Goar. Bis vor einigen Jahren waren von der ehemaligen wertvollen Gartenanlage nur noch wenige Reste der Wegeführung, einige Terrassenmauern und das Tusculum erkennbar. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Park nicht mehr gepflegt, da sowohl Interesse als auch Möglichkeiten zu seinem Erhalt fehlten. Teile der Anlage wurden zur Erweiterung der Jugendherberge oder zur Errichtung von Häusern benötigt. Ein Großteil der weiten Obstwiesenflächen war mit Wildwuchs überwuchert und kaum noch zugänglich. Der Wald hatte sich den restlichen Hang im Laufe der Zeit Stück für Stück zurückerobert, von der ehemals glanzvollen Vergangenheit gab es kaum noch Zeugnisse. Der verwilderte Park geriet in Vergessenheit. Das Schicksal des Parks war jedoch nicht besiegelt. Im Jahr 2004 wurde der Hang vom Wildwuchs befreit, sodass die historischen Strukturen wie Wege, Bastionen und Überreste der Bepflanzung wieder zu Tage kamen.

Um den Besuchern der Stadt Sankt Goar das außergewöhnliche Landschaftserlebnis am Schlossberg wieder ermöglichen zu können, wurde unter enormen Anstrengungen erneut ein Park an dem steilen Hang angelegt. Die gefundenen Überreste des ursprünglichen Parks wurden bei der Neuanlage des Landschaftsgartens behutsam saniert und herausgearbeitet. Unter der Leitung der Gartenhistorikerin Stella Junker-Mielke, die, soweit möglich, Gestaltungselemente des ursprünglichen Landschaftsgartens recherchierte, wurde der Park möglichst originalgetreu wiederhergestellt. Die erhaltenen Hangterrassen wurden freigelegt und das ursprüngliche Wegenetz dient somit heute wieder der Verbindung zwischen Stadt und Burg Rheinfels. Einige alte Buchsbäume und Eiben, die unter dem Dickicht des Wildwuchses überdauert hatten, wurden bei der Sanierung erhalten und bilden den Grundstock für die Bepflanzung des neuen Landschaftsparks am Sankt Goarer Schlossberg. Neupflanzungen ergänzen den historischen Baumbestand. Auch der Weinberg unterhalb der Burg Rheinfels wurde 2005 wieder mit Reben bepflanzt. Als sichtbares Zeichen der Wiederbelebung des Landschaftsparks am Schlossberg erfolgte 2007 die Restauration seines Wahrzeichens, des Tusculum.

Zur Erinnerung an die bedeutende Landesherrin und Gartenliebhaberin Landgräfin Anna Elisabeth von Hessen-Rheinfels (23. Juli 1549 in Simmern – 20. September 1609 in Lützelstein), die im 16. Jahrhundert im Schloss über Sankt Goar residierte, trägt ein Lehrpfad, der Landgräfin-Anna-Elisabeth-Weg, ihren Namen. Der Pfad schlängelt sich von der Stadt durch den Landschaftspark hinauf zur Rheinfels und bietet dabei neben einer diskreten Beschilderung über den Landschaftsgarten auch schöne Ausblicke auf das Mittelrheintal.

(Sebastian Weinand, Universität Koblenz-Landau, 2015)

Internet
gartendenkmal.net: St. Goar – Die Villengärten unterhalb der Burg Rheinfels (abgerufen 05.11.2015)
www.st-goar.de: Leuchtsignal zur Strukturverbesserung des Tourismus am Mittelrhein (abgerufen 05.11.2015, Inhalt nicht mehr verfügbar 20.04.2021)
www.st-goar.de: Der Landgräfin Anna Elisabeth-Weg wurde eröffnet (abgerufen 05.11.2015, Inhalt nicht mehr verfügbar 20.04.2021)

Literatur

Sebald, Eduard (2012)
Die Kunstdenkmäler des Rhein-Hunsrück-Kreise. Band 2.3 Stadt St. Goar 1 und 2. (Die Kunstdenkmäler von Rheinland-Pfalz, Teilband 10.) Berlin u. München.

Landschaftspark am Schlossgarten unterhalb der Burg Rheinfels

Schlagwörter
Ort
56329 Sankt Goar
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Auswertung historischer Fotos, Literaturauswertung, mündliche Hinweise Ortsansässiger, Ortskundiger
Historischer Zeitraum
Beginn 1820 bis 1885

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„Landschaftspark am Schlossgarten unterhalb der Burg Rheinfels”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-245793 (Abgerufen: 25. April 2024)
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