Villa Lindner in Sankt Goar

Villa Paula, Villa Rheinfels, heute Jugendherberge

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege, Landeskunde
Gemeinde(n): Sankt Goar
Kreis(e): Rhein-Hunsrück-Kreis
Bundesland: Rheinland-Pfalz
Koordinate WGS84 50° 09′ 11,17″ N: 7° 42′ 26,96″ O 50,1531°N: 7,70749°O
Koordinate UTM 32.407.665,38 m: 5.556.453,33 m
Koordinate Gauss/Krüger 3.407.703,55 m: 5.558.236,36 m
  • Blick vom Aussichtspavillon "Dreiburgenblick" über das Rheintal auf Sankt Goar, den Rheinfelshafen, die Villa Lindner und die Burg und Festungsanlage Rheinfels (2021).

    Blick vom Aussichtspavillon "Dreiburgenblick" über das Rheintal auf Sankt Goar, den Rheinfelshafen, die Villa Lindner und die Burg und Festungsanlage Rheinfels (2021).

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    Franz-Josef Knöchel
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Bei der Villa Rheinfels handelt es sich ursprünglich um eine repräsentative Villa in klassizistischen Formen mit großem Garten, die sich unterhalb der Burg Rheinfels befindet. Die Villa wurde um 1877/78 erbaut.

Der Frankfurter Versicherungsdirektor Bernhard Lindner kaufte das Grundstück unterhalb der Burgruine Rheinfels mit der am Fuß des Hanges stehenden Villa, dem Haus Rheinfels, und errichtete die bekannte Villa auf dem Grundstück, die er nach Fertigstellung mit seiner Familie bezog. In Besitz der Familie wurde das Haus nun Villa Lindner genannt. Es wurde zu einem Treffpunkt für Künstler und Intellektuelle.

Baubeschreibung
Das freistehende Haus des Großbürgertums bestand aus drei Geschossen und ist von umlaufenden Brüstungen mit Skulpturen geprägt, welche die vier Jahreszeiten darstellten. An den Ecken befanden sich jeweils Eckbauten mit leicht hervortretenden Fronten und Lisenen (Mauerblenden, ist im Bauwesen eine schmale und leicht hervortretende vertikale Verstärkung der Wand) an den Kanten sowie mit je einem großen Fenster mit wuchtiger Horizontalverdachung im ersten und gekuppelten Fenstern im zweiten Obergeschoss. Der dreiachsige Hauptbau der Villa wies 2,5 Geschosse auf und besaß eine zweiflüglige, altanartig (auch Söller genannt - eine offene, auf Stützen oder Mauern ruhende Plattform eines Obergeschosses eines Gebäudes) vortretende Treppe vor dem Erdgeschoss auf. Die hohen Fenster mit Horizontalverdachungen befanden sich auf seitlichen Volutenkonsolen (aus dem Französischen abgeleiteter Ausdruck für eine Schneckenform (Spirale) in der künstlerischen Ornamentik) in der Beletage (das bevorzugte Geschoss eines adligen oder großbürgerlichen Wohnhauses beziehungsweise die am besten ausgestattete Wohnung). Es gab ein durchlaufendes Fensterband im Kniestock sowie ein flaches Satteldach mit Balustrade.

Die Villa Lindner bzw. Villa Rheinfels war ein wichtiges Beispiel spätklassizistischer Villenarchitektur am Rhein. Der Standort weit außerhalb der historischen Stadtgrenze und unterhalb der Burg Rheinfels war offenbar bewusst gewählt und ist hervorzuheben. Die Lokalisierung steht im Kontext des Rheintourismus, der im Rheintal in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verstärkt zum Bau neuer Villen in idyllischer Stadtrandlage bzw. inmitten der Natur führte. Architektonisch knüpften diese Bauten an venetianische villeggiatura des 16. und 17. Jahrhunderts an. Sinnbild hierfür waren der Garten der Villa, eine Rasenparterre, in dessen Zentrum eine große Fontäne mit zehn Metern Höhe stand. Jahrzehnte lang prägte der Garten der Villa das Bild der Stadt Sankt Goar. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Park jedoch nicht mehr gepflegt. Da sowohl Interesse als auch Möglichkeiten zu seinem Erhalt fehlten, eroberte sich der Wald den Hang Stück für Stück zurück. Zusätzlich wurden Teile der Gartenanlage zur Erweiterung der Jugendherberge oder zur Errichtung von Häusern benötigt.

In unmittelbarer Nähe zum Wohnhaus lagen, mittels einer Stützmauer in den Hang gebaut, ein Pferdestall und eine Autohalle. Auf der nördlichen Seite des Gebäudes führt eine weitere Treppe neben den gerade genannten Anbauten zu einer dreigeteilten Terrassenanlage mit Rosen- und Versuchsgarten. Unterhalb der Terrassen schlossen sich Heuspeicher und Holzplatz an. Das Dach dieser Anbauten diente als so genannte „Große Terrasse“, auf der im Sommer exotische Palmen in Kübeln aufgestellt wurden. An die „Große Terrasse“ grenzten ein Treibhaus, ein Palmen-Überwinterungshaus, ein Versuchsgarten und ein Rosengarten an. Auf der Rückseite der Villa wurde ein weiterer terrassierter Bereich mit Treppenanlage errichtet.

1937 wurde sie im Zuge des Umbaus zur Jugendherberge zu einem dreigeschossigen Putzbau mit Walmdach umgebaut und erhielt ihre heutige Form. Die ehemals vorgelagerte Treppe wurde überbaut. Die äußere Form wurde somit stark vereinfacht. In den 1960er Jahren wurde durch einen zusätzlichen Anbau auf der Rückseite eine erneute Erweiterung durchgeführt, bei der erneut ein Teil des rückwärtigen Gartens zum Opfer fiel. An den Vorgänger erinnert nur noch der zentrale Eingang auf drei Stützen.
Die Villa ist wegen ihrer Bauzeit noch vor dem Rathausneubau und der nördlichen Stadterweiterung und wegen ihres Standortes ein wichtiges Zeugnis der Stadtbaugeschichte Sankt Goars in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Heutige Funktion
Das Gebäude fungiert aktuell als Jugendherberge. Diese war zeitweise jedoch auf Grund des schlechten Zustands 2014 geschlossen wurden, um nötige Um- und Ausbaumaßnahmen durchzuführen. Inzwischen gilt sie als eine der schönsten Deutschlands und bietet nebern einer modernen Ausstattung auch eine Rheinterrasse.
An der Jugendherberge startet der Landgräfin-Anna-Elisabeth Lehrpfad, der an verschiedenen Stationen per Informationstafeln und Hinweisschildern Informationen zum Gebäude sowie dem oberhalb liegenden Landschaftspark am Schlossberg liefert.

(Sebastian Weinand, Universität Koblenz-Landau, 2015)

Internet
www.rhein-zeitung.de: Für 4,2 Millionen Euro: Jugendherberge St. Goar wird saniert (abgerufen 21.10.2015)
Jugendherberge Sankt Goar (abgerufen am 02.11.2023)

Literatur

Sebald, Eduard (2012)
Die Kunstdenkmäler des Rhein-Hunsrück-Kreise. Band 2.3 Stadt St. Goar 1 und 2. (Die Kunstdenkmäler von Rheinland-Pfalz, Teilband 10.) Berlin u. München.

Villa Lindner in Sankt Goar

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Bismarckweg 17
Ort
56329 Sankt Goar
Gesetzlich geschütztes Kulturdenkmal
Kein
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege, Landeskunde
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Literaturauswertung, mündliche Hinweise Ortsansässiger, Ortskundiger, Auswertung historischer Fotos
Historischer Zeitraum
Beginn 1877 bis 1878

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Empfohlene Zitierweise
„Villa Lindner in Sankt Goar”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-245792 (Abgerufen: 19. April 2024)
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